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Charaktere sind natürlich immer mit gewissen Klischees belegt. Aber leider haben sie in 16-Bit RPGs nur aller simpelste Hintergründe und Persönlichkeiten gehabt. Von einprägsam kann da keine Rede sein. Sie waren noch viel austauschbarer als heute.
Finde ich nicht unbedingt. Gerade gegen Ende der 16-Bit-Generation gab es einige Spiele, bei denen ich die Darstellung der Charaktere für weitaus gelungener halte als in den meisten aktuellen RPGs. Allen voran FFVI, Star Ocean oder Seiken Densetsu 3. Das waren auch nicht alles die totalen Klischeeverkörperungen, zumindest nicht mehr, als es heute der Fall ist. Der wesentliche Unterschied besteht für mich darin, dass man den Charakteren in diesen Spielen zum Teil viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat, vermutlich weil das Programmieren und Gestalten der jeweiligen Szenen damals um einiges weniger Aufwand und Geld gekostet hat als heute. Aber wenn ich mir die unzähligen Sequenzen aus FFVI anschaue, die nur dazu dienten, die Charakterisierung der Protagonisten zu vertiefen ... gemessen am Anteil des Gesamtumfanges vom Spiel war es beispielsweise dort bestimmt fünf Mal so viel wie in FFX oder XII. Man bedenke, dass die ganze World of Ruin, gut ein Drittel des Spiels, wenn man alles mitmacht, praktisch nur aus diesem Grund existiert.
Damals gab es noch so einen episodischen Aufbau, sodass es kleinere Einzelabenteuer gab, die dem Spieler die Figuren näher gebracht haben. So gilt das z.B. für alle drei oben genannten SNES-RPGs. Zum Teil wirkt das noch in die nächste Generation mit hinein, in FFVII etwa gab es einen Abschnitt zu Red im Cosmo Canyon, einen für Yuffie in Wutai. So etwas fand ich immer unheimlich lohnenswert. Heute konzentriert sich die Handlung immer auf das große, übergeordnete Ziel und geht oft genug in gerader Linie darauf zu, ohne die sonst so schönen Umwege.

Früher musste man nur Textboxen mit Schrift füllen und konnte damit schon eine Menge anstellen. Ich kann es zwar verstehen, dass nun, wo das alles fast schon standardmäßig mit Sprachausgabe unterlegt wird und man auch auf Kameraführung usw. achtet bzw. achten muss, in der Beziehung oft weniger getan wird. Nur manchmal gibt es schon diese Momente, wo ich mir denke, dass ich für ein paar Zeilen wirklich intelligenten Dialog gerne auf ein Stück von der beeindruckenden Inszenierung verzichtet hätte.


Des Weiteren bin ich der Meinung, dass es sich in einigen Fällen ganz ähnlich wie mit der Filmindustrie verhält. Man traut sich nicht mehr so viel wie früher, es ist mehr Mainstream geworden, als es zuvor war und die Entwicklerfirmen wollen finanziell auf der ganz sicheren Seite sein und auch nirgendwo anecken.
Ich meine, nochmal kurz ein Blick auf FFVI: da gab es als Themen Jugendschwangerschaft, Rassenvernichtung, Selbstmordversuche (wovon einer auch durchgezogen wird) und jede Menge sterbende mehr oder weniger wichtige Figuren. Ich meine fuck, die ganze Welt geht unter! Selbst in FFVII gab es ein Bordell und einiges an verstörendem Kram. Wann hat man zuletzt diese Dinge in einem RPG von heute gesehen?
Ich hätte nichts lieber, als ein richtig anspruchsvolles, polarisierendes RPG auf der PS2, das nicht jedermanns Sache ist. Es müsste auch nicht die absolute Top-Grafik haben. Nur weiß ich jetzt schon, dass dabei gleich wieder Kommentare fallen wie "Da bleibt doch der Spielspaß auf der Strecke!" usw. aber genau das glaube ich eben nicht. Ich glaube, wenn man so eine Richtung nur mal weiterverfolgen würde, dann könnte man ein unglaublich packendes Abenteuer erschaffen, das einen viel weiter mitreißt als die derzeitigen.

Ich will nicht behaupten, dass die alten Spiele alle in der Beziehung wahnsinnig viel geboten hätten. Aber sie haben oft genug Ansätze verfolgt, die man heute allem Anschein nach vergessen hat.


Klar muss man aufpassen, dass man wegen der eigenen frühen Erfahrungen mit dem Genre nicht in eine zu starke Subjektivität abrutscht. Aber ich denke nicht, dass ich mich bei meiner hier dargestellten Meinung sonderlich davon beeinflussen lasse, zumal ich viele SNES-Spiele aus dieser Zeit erst nachträglich kennengelernt habe, als ich schon längst diverse 3D-RPGs durchgespielt hatte.
Ich mag auch die neueren Spiele, die haben inzwischen ihre ganz eigenen Vorzüge. Nur finde ich, dass man einiges von den alten lernen und abschauen kann und sich deshalb die Entwickler diverser Reihen mal hinsetzen und ihren SNES rauskramen sollten, um sich Inspiration für Neuentwicklungen zu holen.

Ein Spiel auf z.B. PS2 oder 3, das sich in Charakterentwicklung und Themenernsthaftigkeit an Spielen wie FFVI orientiert, dabei aber alle Feinheiten der neueren Spiele mit entsprechend bombastischer Grafik und Präsentation beinhaltet, das wäre mal was und bestimmt mein neues Lieblingsspiel ...