Die Situation in dem engen Gang wirkte grotesk. Ein halbzerfallener Leichnam, davor, mit dem Rücken zu der Mumie kauernd, die wunderschöne Waldelfe und gegenüber dem ungleichen Duo ein Ritter in voller Montur, der lauernd die beiden Gestalten vor sich beobachtete.
Aurel hatte genau Kiaras vorsichtige Vorkehrungen und die Reaktionen des Untoten beobachtet, und ihm war auch die versteckte Aufforderung in Kiaras Worten nicht entgangen. Er musste nun bedacht und zugleich schnell reagieren, wenn er der Bosmer die Gelegenheit verschaffen wollte, aus dem Gefahrenbereich zu kommen, und zugleich die Mumie aufhalten wollte.
Mit ganz langsamen Bewegungen ließ er seinen Schutzschild auf den Halteriemen auf seinen linken Oberarm zurückgleiten, während er langsam die linke Hand zum Kinnriemen des Helmes bewegte. Die Mumie folgte mit ihren Blicken, so man denn bei den leeren Augenhöhlen von Blicken sprechen konnte, den Bewegungen von Aurels linker Hand, so dass dieser unbemerkt das Schwert in seiner Rechten stoßbereit machen konnte. Ganz langsam und behutsam hob er Zentimeter um Zentimeter die Spitze seiner Waffe an.
„Gut, Vigor“, meinte er zu dem Untoten, um diesen weiter abzulenken, „Euer Name ist doch Vigor? Erinnert Ihr Euch daran?“
Die Mumie gab ein Grunzen von sich und ihr Körper schien zu erstarren, als ob Aurel ihr etwas längst Vergessenes zurück in das Gedächtnis gebracht hätte.
„Ihr könnt Euren Helm gerne zurückhaben. Ich wollte Euch nicht bestehlen. Erst Euer Freund, der Altmer, sagte uns, dass Ihr nun dem Herren dient.“
Die Mumie gab bei Erwähnung des Herren ein weiteres Grunzgeräusch von sich, wobei sich aber ihr Körper plötzlich zu spannen schien.
„Fehler, goßer Fehler, Aurel“, dachte dieser. „Du Trottel hast den Untoten wohl gerade an seine eigentliche Pflicht im Dienste seines unbekannten Herren erinnert.“
Das Grunzen der Mumie ging in einen markerschütternden, schrillen Schrei über, und sie hob die Arme zu einem alles vernichtenden Schlag.
Aurels rechter Arm schnellte blitzartig vor, wobei er an Kiara gewandt ein einziges Wort rief.
„Jetzt!“
Ein Langschwert war zwar eigentlich eine Hiebwaffe, aber es wäre unmöglich gewesen, unauffällig den rechten Arm zu einem Schlag zu erheben, weshalb die Langwaffe nun eben als Rapier dienen musste. Und Aurels kraftvoll und überraschend geführte Stoßattacke fand ihr Ziel. Mit einem knirschenden Geräusch drang die Schwertspitze knapp unterhalb des Halses, genau oberhalb des eisernen Brustharnisches des Untoten in dessen Körper ein... und blieb stecken.
Aurel, seinerseits den Schwertgriff angestrengt umklammernd, damit ihm seine im Körper des Untoten festgeklemmte Waffe nicht entrissen wurde, taumelte nach vorne, genau in den kraftvollen Hieb der Mumie hinein. Instinktiv hob er zum Schutz den linken Arm, aber sein Schild hing nutzlos auf dem Oberarm. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Unterarm, und eine warme Flüssigkeit spritzte in das Gesicht des Bretonen. „Verdammt, das hat gesessen“, war sein erster Gedanke, und er hoffte, dass der orkische Armschutz das Schlimmste verhindert hatte.
Aurels Schwert ließ sich bei aller Anstrengung nicht aus dem Körper des Leichnams herausziehen, und im Gegensatz zu Aurel schien dieser keine Schmerzen zu verspüren.
Die Mumie hob wieder ihre Hände zu einem weiteren Schlag, und Aurel, der langsam in höchste Not geriet, stieß einen verzweifelten Ruf aus, hoffend, dass es Kiara, deren Reaktion er im Gefecht nicht hatte beobachten können, gelungen war, außer Reichweite und in eine Angriffsposition zu kommen.
„Kiara?!“
...