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General
Cyrodiil, Vindasel
„Und wo geht es jetzt lang?“, fragte Malukhat und zog angesichts der Menge an Auswahlmöglichkeiten beeindruckt beide Augenbrauen hoch. Von der Kammer, in der der Erzmagier eine Weile herum gebaumelt war, bis hierher hatte es keinerlei Probleme gegeben. Draven hatte sich den Weg gemerkt und einwandfrei bestimmen können, wo es lang ging. Nun führte der Gang, den sie kamen, in einen sehr engen Raum, von dem vier weitere Gänge abzweigten, und Malukhat verließ sich darauf, dass der Vampir auch diesmal die Richtung weisen würde. Statt aber zielgerichtet einen der Wege anzusteuern, verharrte Draven, legte einen Daumen an das Kinn und betrachtete einen Gang nach dem anderen. Er atmete nicht mal, was er als Vampir wahrscheinlich sowieso nicht brauchte.
„Erm, Draven?“, sagte Malukhat und legte dem ehemaligen Erzmagister die rechte Hand auf die Schulter. „Welcher Weg?“
Draven schüttelte die Hand ab, sprach aber nach wie vor kein Wort. Malukhat konnte es nicht fassen – der Kerl wusste den Weg nicht mehr! Einerseits wirklich blöd, weil er langsam mal wieder eine grüne Wiese unter die Füße kriegen wollte, andererseits aber… Draven kannte den Weg nicht mehr! Ha! Da tat er immer so allwissend und super toll, so, als wäre er besser als der Erzmagier; und in solchen Momenten zeigte sich dann, dass auch er nur ein Mensch war. Ein ziemlich toter, aber ein Mensch.
„Kleines Picknick?“, grinste der Erzmagier. „Ich habe noch Proviant dabei. Jedenfalls für mich.“
„Lass mich nachdenken“, erwiderte Draven mürrisch.
„Komm schon. Gib’s doch einfach zu: Du hast den Weg vergessen.“
„Ich habe ihn nicht vergessen“, insistierte der Vampir. „Es fällt mir gleich wieder ein.“
„Na sicher.“ Malukhat setzte sich auf den Boden und lehnte sich an eine Wand. „Ein Haufen Banditen kann sich den Weg merken, aber der große Draven – der ist damit überfordert! Was deine Telvanni-Kollegen wohl dazu gesagt hätten?“
„Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, was sie über dich gesagt haben“, entgegnete Draven ohne sich zu Malukhat umzudrehen.
Der Erzmagier wurde hellhörig. „Was haben sie denn über mich gesagt?“
Nun wandte Draven sich um. In seinen Worten schwang Verzweiflung mit. „Das ist doch vollkommen egal, Malukhat! Wir müssen hier wieder rauskommen, das ist wichtiger.“
„Ja“, stimmte der Dunmer zu. „Aber es wäre nicht so wichtig, wenn du den Weg nicht vergessen hättest.“
„Ich…“, begann Draven, klappte den Mund aber wieder zu, bevor er den Satz zu Ende sprechen konnte. Sein Gesicht war angespannt, seine Augen sprühten Funken. „Du bist so eine Nervensäge.“
Malukhat grinste nur, wie immer, wenn er es geschafft hatte, Draven auf die Palme zu bringen. Seiner Ansicht nach waren die kleinen Sticheleien genau das Richtige, um Dravens nächtliche Störungen wett zu machen.
„Kann sein“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Aber ich will jetzt weiter. Lass’ mich mal vorbei.“ Der Erzmagier stand auf, schob sich an Draven vorbei und musterte jeden einzelnen Gang mit feierlichem Ernst.
Ene-mene-mu…
„Der Weg da.“ Malukhat nickte nachdrücklich und zeigte auf den rechten der Gänge. „Ich will verdammt sein, wenn das nicht der richtige ist.“
Ohne eine Reaktion Dravens abzuwarten, schlenderte Malukhat bedenkenlos in die Dunkelheit. Schon nach wenigen Metern wurde der Gang immer enger und der Erzmagier hatte Schwierigkeiten, seine daedrische Rüstung nicht an den Wänden anstoßen zu lassen. Trotz dessen – und trotz der Schwärze, die ihn umfing – drehte er nicht um. Jetzt war er schon mal hier, jetzt würde er auch weitergehen.
Ein harter Aufprall ließ die Luft aus Malukhats Lungen entweichen. Für die ersten Momente hielt er den Atem an und war fast froh über die Dunkelheit, denn falls Draven ihm auf seine stille Art gefolgt war, konnte er so den rot anlaufenden Kopf des Dunmers nicht sehen. Tja, das Ende des Ganges hatte er nun jedenfalls gefunden…
Und es knackte. Nein, halt. Ein Knacken war es nicht, eher noch ein Knirschen, und Malukhat fühlte sich an den Moment erinnert, als die Gruppe die Ruine betreten hatte. Dieser Gedanke kam ihm in wenigen Sekunden, doch noch bevor er bis zu den Steinplatten denken konnte, die sich verschoben und ein Loch im Boden offenbart hatten, war der Boden unter seinen Füßen bereits verschwunden. Malukhat hing gerade lange genug bewegungslos in der Luft, um überrascht darüber zu sein, dass tatsächlich eine Hundestatue mit Vogelschnabel auf seinem Nachttisch in der Magiergilde Balmoras stand.
Alles ging so schnell und der Fall in die Dunkelheit war so kurz, dass er glatt zu schreien vergaß und seiner Kehle nur ein ersticktes Röcheln entfuhr, bevor er… ja, was? Auf dem Boden aufschlug und bereits tot war, bevor sein ganzes Leben vor dem inneren Auge ablaufen konnte? Tatsächlich hatte er aufgehört zu fallen, einfach so, und für den Bruchteil einer Sekunde war er davon überzeugt, sogar noch mehr Glück als Verstand zu besitzen.
„Idiot.“ Malukhat blickte auf – und sah nichts. Das musste er auch nicht, er wusste, dass Draven da oben irgendwie an der Wand klebte, sich wohl irgendwo festgehalten und ihm ein zweites Mal an diesem Tag das Leben gerettet hatte. Und so zeitnah! Unfassbar. Der Erzmagier hätte eher erwartet, der Vampir würde ihn erstmal fallen lassen – so des Spaßes wegen – und dann später seine sterblichen Überreste zusammen klauben. Wenn Malukhat es aber recht bedacht, so hatte Draven die Pflicht ihm das Leben zu retten und dafür sein eigenes untotes aufs Spiel zu setzen. Kein Grund, dem Ex-Telvanni irgendwas schuldig zu sein.
„Was meinst du?“, sagte Malukhat also statt eines Dankes und ignorierte Dravens Bemühungen, ihn zu beleidigen. „Wie tief ist es noch?“
Draven schwieg einen Moment. Dann: „Nicht mehr sehr tief.“
„Bist du sicher?“, hakte Malukhat nach.
„Ja. Aber warum…“
„Gut, dann lass’ mich fallen.“
„Ich soll was?“, rief Draven fassungslos.
„Wenn es nicht mehr so tief ist, komme ich auf dem Luftweg schneller lebend da unten an. Also mach schon.“
Die Unschlüssigkeit des Vampirs war beinahe körperlich spürbar, und er hielt Malukhat weiterhin fest.
„Malukhat, ich halte das für keine gute Idee.“
„Na los. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Wenn du meinst… Deine Entscheidung.“
Draven lockerte den Griff und Malukhats freier Fall ging weiter. Grinsend erwartete er einen zwar unsanften, aber nicht allzu schmerzhaften Aufprall. Aus diesem Grund ging ihm die Überraschung durch Mark und Bein, als sein Körper platschend die Oberfläche durchschlug, auf der er eigentlich zu landen erwartet hatte. Es brauchte einen Moment, bis er erkannte, tatsächlich unter Wasser zu sein, und die Tatsache, dass er dabei eine daedrische Rüstung trug, machte diese Erkenntnis nicht unbedingt angenehmer. Verzweifelt blickte er der letzten ihm verbliebenen Luft hinterher, die in Form kleiner Blasen Richtung Oberfläche trieben.
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