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General
Cyrodiil, Ruine Vindasel
In Anbetracht der Umstände hielt Malukhat es für ein großes Plus, dass er überhaupt wieder aufgewacht war, denn das deutete darauf hin, dass er noch lebte. Andererseits war er sich nicht sicher, ob er noch leben wollte, denn sein angeborener Sinn für die Erdanziehungskraft zeigte ganz klar, dass seine Füße nicht fest auf dem Boden standen. Wenn sie überhaupt gestanden hätten, hätte es statt des Bodens eher noch die Decke sein müssen, und der alte Magier stellte resigniert fest, dass seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, er sich kaum bewegen konnte und das Gefühl, sich übergeben zu müssen, bald die Überhand gewinnen würde. Hätte er es schätzen müssen, er hätte gesagt, dass gut die Hälfte seines Blutes in den Kopf gelaufen war. Und weil das dem, der ihn hier aufgehängt hatte, scheinbar noch immer nicht genug gewesen war, hatte er Malukhat die Augen verbunden. Der Erzmagier versuchte sich an einem gemurmelten Fluch, doch das Tuch, das ihm in den Mund geschoben worden war, dämpfte den Laut zu einem kaum hörbaren Seufzen.
„If ga enang?“ Ist da jemand? „Hii fu, u Iskäl. En if hö iega aufkomme, ege irch gich ung. Verochn!“ Hör zu, du Mistkerl. Wenn ich hier wieder rauskomme, lege ich dich um. Versprochen!
Die gähnende Stille war eine Antwort, die schlagfertiger nicht hätte sein können. Es war einfach phantastisch! Er hing schwer gefesselt irgendwo herum, gab eine Reihe unverständlicher Nuschler von sich und wusste gleichzeitig, dass er hier noch hängen würde, wenn Aurels Blecheimer bereits verrostet war.
Was kann ich tun?, fragte er sich. Ein Feuerzauber würde das Seil verbrennen, leider aber auch die Hände und einen Gutteil seines Rückens, und umso mehr er darüber nachdachte, desto bewusster wurde ihm, dass er hier mit Zauberei nicht weiterkam. Wenn er wenigstens etwas hätte sehen können! Dann wäre ihm schon irgendwas eingefallen. Aber so? Er war kein Mann, der leicht in Panik verfiel, da er über die Jahre gelernt hatte, einfach mit einer Situation fertig zu werden, doch jetzt stand er kurz davor, laut aufzuschreien.
„Soll ich dir helfen, oder schaffst du das alleine?“, ertönte eine Männerstimme, doch Malukhat brauchte einige Sekunden, bis die Nachricht sein Hirn erreichte. Als dies letztlich geschehen war, hatte er das Gefühl, die Wut müsste ihm buchstäblich aus jeder Pore fließen.
„Drwn!“, stieß er hervor und hob den Oberkörper an, soweit es ihm möglich war. „Daf krg gu u-ück!“
Draven lachte gedämpft. „Ich verstehe kein Wort“, sagte er, was den Erzmagier dazu veranlasste, noch lauter zu fluchen. Jeder Muskel in seinem Körper war zum Bersten angespannt und er wippte hin und her.
„Ich war das nicht“, unterbrach Draven ihn, „sondern ein paar Banditen.“ Er kicherte. „Unfassbar, wie du es geschafft hast, die kleine Gruppe um sie herum zu manövrieren. Sie wussten überhaupt nicht, dass ihr hier seid, bis die ersten größeren Fallen losgegangen sind.“
Den selbstgefälligen und amüsierten Unterton in der Stimme des Vampirs empfand Malukhat als entschieden fehl am Platz.
„Hn irch hö runka!“, brachte Malukhat hervor. Mit Sicherheit hatte Draven auch hiervon kein Wort verstanden, aber das musste er auch nicht. Es war vollkommen klar, was er von ihm wollte.
„Gerne“, entgegnete Draven, nun wieder üblich gleichgültig, „wenn du noch ein bisschen hin und her wippst, komme ich vielleicht an dich heran.“
Malukhat, der nicht im geringsten verstand, wieso, tat, wie ihm geheißen, und schwang seinen Körper hin und her, bis er eine Hand spürte, die sich um seinen Hals gelegt hatte. Ein „Ritsch“ kündete von einem durchtrennten Seil und erst, als sein Körper seitlich gegen etwas Hartes prallte, erkannte der Erzmagier, dass er sich über einem Loch im Boden oder sonst was befunden haben musste.
Draven – der es scheinbar nicht für nötig hielt, Malukhat darauf hinzuweisen, dass das „jetzt ein bisschen wehtun wird“ – zog den Dunmer am Hals zu sich herauf und entfernte sowohl Augenbinde als auch das Tuch, das ihm im Mund steckte.
Was Malukhat sah, war nicht das, was er erwartet hatte. Er lag am Rande eines kleinen Beckens. Geschätzt war es etwa halb so tief wie er hoch, doch den Inhalt bildete eine grünliche, dampfende Flüssigkeit. Als hätte es noch eines weiteren Beweises bedurft, schwamm das Skelett einer Ratte an der Oberfläche und ruinierte den Gedanken, dies könnte eine Badeanstalt der Ayleiden gewesen sein.
„Willst du gar nicht wissen, wie du hierher gekommen bist?“, fragte Draven, der hinter ihm saß. Nein, eigentlich wollte Malukhat es nicht wissen, aber der belustigte Tonfall Dravens ließ keinen Zweifel daran, dass er das nicht zu entscheiden hatte.
„Du hast da rum gesessen wie eine Statue, als die Banditen die Tür von der anderen Seite geöffnet haben. Ich dachte immer, ihr Elfen würdet etwas besser hören als wir Menschen, aber da habe ich mich wohl getäuscht – die sind bis zu dir aufgeschlossen und du ruhtest in dir wie ein Felsen.“ Malukhat drehte sich umständlich zu Draven um, gerade rechtzeitig, um das hämische Grinsen auf dessen Gesicht erkennen zu können. „Tja, dann haben sie dir einen Knüppel über den Kopf gezogen – tolle Reflexe übrigens – und dich hierher gebracht.“
„Und dir ist nicht – nicht mal für einen einzigen verdammten Augenblick – die wunderbare Erkenntnis gekommen, dass du mich möglicherweise da hättest rausholen können, bevor sie mich da aufgehängt haben?“, knurrte der Erzmagier, während Draven sich an die Arbeit machte, dessen Hände von dem Seil zu befreien.
„Natürlich nicht“, sagte er. „Herr Ich-kann-selbst-kaum-glauben-wie-toll-ich-bin will doch immer alles alleine regeln – die Gelegenheit, deine Entfesslungskünste unter Beweis zu stellen, wollte ich dir nicht nehmen.“
Malukhat entfernte seine Fußfesseln, setzte sich in den Schneidersitz und rieb sich die geschwollenen Handgelenke. „Das war sehr zuvorkommend von dir.“ Er lächelte gekünstelt. „Ich nehme an, du hast dich mit einem Gläschen Blut in eine dunkle Ecke gesetzt und die Schau genossen?“
Draven nickte. „Zuerst ja, aber das Blut musste ich mir später holen.“ Er wies mit dem Daumen über seine Schulter auf drei tote Banditen.
„Und dann hast du dich hier hingesetzt und mich beim Schlafen beobachtet. Ich wusste gar nicht, dass ich einen heimlichen Verehrer habe.“
Dravens Gesichtsausdruck zeigte grimmige Belustigung. „Deine Rüstung liegt übrigens dahinten.“
Kopfschüttelnd stand Malukhat auf, nur um umzukippen wie ein gefällter Baum, als ein Schwindelanfall ihn übermannte. Er bliebt ausgestreckt liegen und drückte sich eine Hand gegen den Kopf. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen und er fühlte sich, als läge er eingebettet in einen Haufen Wolle. Es dauerte, bis die Welt um ihn herum wieder klare Konturen annahm und er einen weiteren Versuch startete, zu seiner Rüstung zu gelangen. Auf seinem Weg trat er einem der Banditen gegen den Kopf und wäre ein weiteres Mal gefallen, wäre Draven nicht neben ihm aufgetaucht und hätte ihn gehalten.
Deshalb mochte er Draven.
Und deshalb hasste er ihn.
Draven hatte kein eigenes Leben mehr und der Erzmagier empfand es als fast beängstigend, ihn andauernd um sich zu haben. Klar, das war ziemlich praktisch, wenn man in Probleme geriet, aus denen man alleine nicht mehr heraus kam, aber es missfiel dem Dunmer, dass Draven um ihn herum scharwenzelte wie ein Kindermädchen. Er hatte sich über viele Jahrhunderte der Einsamkeit hinweg eingeredet, niemanden zu brauchen außer sich selbst, und er war schlichtweg nicht in der Lage, Draven als einen Freund anzusehen, auf den er angewiesen war und sich verlassen konnte.
„Was machst du jetzt?“, fragte Draven mit einstudierter Gleichmut, als Malukhat sich daran machte, die Beinschienen überzuziehen. „Willst du weiter nach diesem Schatz suchen?“
„Ich weiß es nicht. Wohl eher nicht. Entweder die anderen sind über alle Berge oder tot. Wenn sie über alle Berge sind, dann der Schatz mit ihnen, und wenn sie tot sind, komme ich alleine auch nicht gegen das an, was sie umgebracht hat. Wäre aber sehr schade um…“ Malukhat hielt inne, schnürte die Gurte an den Beinschienen fest und zog die Stiefel über die Füße.
Draven sah ihn fragend an. „Um…?“
„Nichts.“
Geändert von Katan (03.03.2007 um 15:22 Uhr)
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