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General
Cyrodiil, Vindasel
Aurel kaute nachdenklich auf einem Stück Trockenfleisch herum und spülte es mit einem Schluck Wasser hinunter. Nicht gerade eine Delikatesse, aber im Vergleich zu dem Guar-Fleisch, das die Standardfleischkost auf Vvardenfell darstellte, war dieses cyrodiilische Schafsfleisch köstlich. Schade, dass es durch den Sturz ins Wasser etwas gelitten hatte.
Nachdem er den Durchgang zu Vindasel erreicht hatte, hatte er erst einmal beschlossen, eine Rast einzulegen, sich auszuruhen, etwas zu essen und seine Kopfwunde richtig zu versorgen, um wieder zu Kräften zu kommen. Und er fühlte sich merklich besser. Ha, hatte er doch gewusst, dass es hier einen Eingang zur Ruine geben musste. Ein böses Lächeln umspielte seine Lippen, während er mit dem Wetzstein die Schneide seines Schwertes schärfte und mit dem Reparaturwerkzeug seinen Schutzschild wieder auf Vordermann brachte. Erzmiel, ich denke, dass eine böse Überraschung auf dich warten wird, dachte er grimmig. Gut, ein Magier, der, so hatte der Kampf gegen den Nordkrieger vor der Ruine gezeigt, auch im Nahkampf einiges drauf hatte, aber Aurel liebte Herausforderungen, und seine 50%ige Magieresistenz als Bretone könnte mehr als praktisch sein, wenn er den Kampfmagier wieder treffen würde. Und der Moment der Überraschung. Er freute sich auf Erzmiels Gesicht, wenn er Aurel wiedersehen würde.
Aurel packte seine Sachen wieder zusammen, entzündete mit der letzten Glut der alten Fackel eine neue und trat an die mit silbernen Verzierungen versehene Tür. „Wie sie sich wohl öffnen lässt“, dachte er und legte die Fläche seiner rechten Hand auf den ungewöhnlich glatten Stein, aus dem die Tür bestand. Überraschenderweise war der Stein warm, und Aurel zuckte zusammen, als die Steintür plötzlich mit einem Knirschen langsam aufschwang. „Aha, das Öffnen war wirklich nicht gerade schwierig“, stellte er verdutzt fest.
Er trat durch die Tür, und seine Augen mussten sich erst einmal an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnen. Im Gegensatz zu der Höhle war es nicht stockfinster, sondern ein schwaches, grünliches Glühen schien die Luft zu erfüllen. Mit einem Rumpeln schloss sich hinter ihm die Türe wieder, und Aurel befand sich in einem schmalen Gang. Links oder rechts, wo entlang sollte er marschieren? Aurel, der keine Ahnung hatte, wo er sich befand, entschied sich für den Weg nach links, zog sein Schwert und setzte sich mit der Fackel in seiner Linken vorsichtig in Bewegung. Schon nach wenigen hundert Schritten kam er an einen Torbogen zu einer Halle, die ihm den Atem verschlug. Die Halle war riesig. An ihren Wänden entlang führte eine endlos erscheinende Treppe noch weiter nach unten, und so sehr sich Aurel auch anstrengte, konnte er den Boden der gigantischen Halle nicht ausmachen.
Plötzlich überkam ihn das Gefühl, beinahe etwas wichtiges übersehen zu haben. Aurel ging noch einmal ein paar Schritte zu dem Torbogen zurück und schaute nach oben. Da war doch etwas gewesen, etwas, das er kannte. Er steckte sein Schwert weg und hielt die Fackel vorsichtig zum Scheitelpunkt des Bogens empor... und erstarrte. Mit hektischen Bewegungen nahm er seinen Tornister von den Schultern und fingerte nach der Steintafel, die Octavo ihm gegeben hatte. Als er sie gefunden hatte, wickelte er sie vorsichtig aus dem schützenden Leinentuch, in welches er sie eingeschlagen hatte, aus und starrte auf die Vorderseite der Tafel und dann wieder auf den Torbogen. Über dem Torbogen war ein einzelnes Symbol eingehauen, welches unverkennbar ein Auge darstellte. Und auf der Vorderseite der Steintafel befand sich genau das gleiche Symbol, ein lidloses, starrendes Auge. Bei der Treppe in der riesigen Halle musste es sich um den richtigen Weg zu dem Artefakt handeln, und plötzlich kamen Aurel wieder Octavos Worte in den Sinn, als dieser die Schriftzeichen auf der Rückseite der Tafel für ihn übersetzt hatte: „Erzürne den Wächter nicht, wenn du nicht Teil seiner Legionen werden willst.“
Nervös trat Aurel einen Schritt zur Seite, als seine Füße plötzlich gegen etwas, das er vorher in der dunklen Ecke vor dem Torbogen übersehen hatte, stießen. Er leuchtete die Ecke mit seiner Fackel aus und starrte mitten in das Gesicht eines mumifizierten Leichnams in einer Eisenrüstung. Es war nicht mehr zu erkennen, ob es sich bei dem Toten um einen Menschen oder einen Elfen gehandelt hatte. Die Leiche hatte den Mund weit aufgerissen, als stieße sie einen endlosen Schrei aus, was einen entsetzlichen Anblick darstellte, aber noch mehr Entsetzen löste in Aurel das aus, was hinter dem Toten an der Wand zu sehen war. In rotbräunlicher Farbe, bei der es sich nur um getrocknetes Blut handeln konnte, waren in kaiserlicher Schrift an die Wand über dem Leichnam zwei einzelne Worte geschrieben... „Kehr um“.
Aurel stockte der Atem, und nur mit äußerster Selbstbeherrschung konnte er sich überwinden, nicht sofort den Gang zurück zu fliehen. Er musste ruhig bleiben, aber es kam ihm plötzlich gar nicht mehr gut vor, die Ruine alleine weiter zu erkunden. Mit weichen Knien bückte er sich zu dem Toten herab und untersuchte die Leiche, aber es war nicht zu erkennen, an was der Mann gestorben war. Seine Rüstung wies keine Spuren eines physischen Angriffes auf, und auch der Schädel, von dem der Helm herabgerutscht war, zeigte keine Anzeichen einer Verletzung. Auch konnte Aurel bei den Habseligkeiten des Toten nichts finden, was einen Rückschluss auf seine Herkunft oder das Alter der Leiche zuließ.
„Entschuldige, unbekannter Freund“, murmelte Aurel, „aber das wirst du wohl nicht mehr brauchen. Ruhe in Frieden.“ Mit etwas zittrigen Fingern nahm er den Eisenhelm des Toten an sich und richtete sich wieder auf. Alleine wollte er nach diesem Vorfall auf keinen Fall in die Dunkelheit der großen Halle hinabsteigen, und so entschied er sich, zu der Tür, die zu der kleinen Nebenhöhle führte, zurückzukehren, um den anderen Weg zu wählen. Er vermutete, dass die Abenteurergruppe noch nicht hier vorbeigekommen und die Treppe hinabgegangen war, da die Habseligkeiten der Leiche noch unangerührt erschienen, als er sie untersucht hatte.
Mit einem wortlosen letzten Gruß an den Toten machte sich Aurel auf den Weg zurück und kam schnell wieder an der Steintür an, wo er diesmal den Weg dem Gang in die andere Richtung folgend fortsetzte.
Aurel musste in einer Art Zwischenetage, vielleicht einem alten Versorgungsgang, gelandet sein, denn wieder zweigten keinerlei andere Gänge von dem Weg ab, und nach einer halben Stunde sah er wieder einen Torbogen, welcher ebenfalls den Eingang zu einer Halle darstellte, wenngleich diese ungleich kleiner als der gigantische Raum, den er vorhin gefunden hatte, war. In der Mitte des Raumes befand sich eine Wendeltreppe, welche seltsamerweise an der Decke der Halle zu enden schien, ohne dass dort ein Durchgang zu sehen war, und auf der anderen Seite des Raumes...
Ein schwaches Scharren ertönte von der Seite der Wendeltreppe her, die Aurel nicht einsehen konnte. Er war nicht alleine!
Da er in seiner schweren Rüstung wohl kaum zu überhören gewesen war, gab sich Aurel gar nicht erst die Mühe, sich zu verstecken. Was auch immer hinter der Treppe lauerte, er musste kämpfen. Mit fließenden, durch seine Soldatenzeit zu Routine gewordenen Bewegungen, warf er die Fackel von sich, zog sein Schwert und nahm gleichzeitig seinen Schild vom Rücken. Dann sprang er, den Schutzschild schützend vor den Körper haltend und das Schwert zum Schlag erhoben, um die Treppe herum und starrte verdutzt auf den Mann, der seinerseits mit gespanntem Bogen auf den Angriff wartend am Fuß der Wendeltreppe kauerte. Ein blutdurchtränkter Verband war um seinen Leib gewickelt, und die Augen des Mannes zeigten ebenso viel Überraschung, wie es die Aurels tun mussten.
„Arton!“, rief Aurel erstaunt und senkte langsam sein Schwert.
...
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