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General
Cyrodiil, Vindasel
Für den Bruchteil einer Sekunde grinste Malukhat Arwen verschwörerisch an, und er sorgte dafür, dass auch nur sie es zu Gesicht bekam. In letzter Zeit waren einige Dinge geschehen, aber keines davon hatte das Leben des Erzmagiers wirklich abwechslungsreich gestaltet. Da war der Vampir, der ein Auge auf seine Tochter geworfen hatte, die ewigen Streitereien mit Ranis, deren Augen ein Stück weit aus den Höhlen hervorkamen, wenn sie sauer war, und nicht zu vergessen die Besuche im Haus der irdischen Freuden in Suran. Außerdem hatte er eine Wette gegen Sharn gra-Muzgob angenommen, in der es darum gegangen war, wer von ihnen ein Skelett ohne Rückgrat und Brustkasten als erster zum Laufen brachte. Mal davon abgesehen, dass er diese Wette verloren hatte, war das ein höchst amüsanter Anblick. Überdies bildete sie seinen Gesellschaftlichen Höhepunkt des letzten Jahres, und das war etwas mager. Ruhig waren die Zeiten gewesen, und für seinen Geschmack nicht apokalyptisch genug.
Dieses Jahr versprach eine bessere Ausbeute. Es hatte damit angefangen, diesen Auftrag überhaupt erst anzunehmen, war übergangen in die Ermordung Aurels und gipfelte – jedenfalls nach derzeitigem Zwischenstand – in einer netten kleinen Verschwörung mit einer Elfe seiner Art, die genauso gefährlich wie schön war. Sie war ihm ähnlich, doch bezweifelte er, dass sie den Grad an Skrupellosigkeit besaß, den man üblicherweise erst dann entwickelt, wenn das Leben keine Überraschungen mehr für einen bereitzuhalten scheint. In diesem Fall muss man sich selbst welche schaffen, möglichst viele unbekannte Faktoren einbauen, damit es spannend bleibt. Und genau das tat Malukhat, wenn auch teilweise unterbewusst. Indem er Aurel hatte Stein fressen lassen, hatte er Platz für einen unbekannten Faktor gemacht, dem er unumstößlich zu vertrauen gedachte: Arwen. Er würde ihr sein Geheimnis erzählen – dass er in Wahrheit der Erzmagier Vvardenfells war – und ihr somit die Chance geben, ihn hinters Licht zu führen, zu verraten und zu benutzen, wie es ihr gefiel. Ob sie ihm wohl den Plan unterbreiten würde, die anderen beiden Artefaktjäger auch aus dem Weg zu räumen? Er würde mitspielen. Und wenn sie ihm tatsächlich in den Rücken fallen sollte, würde er sauer werden. Verraten zu werden gefiel ihm nicht, dann wurde er fuchsteufelswild; dann würde er alles tun, um sie zu kriegen; dann würde er sie vernichten. Das war es, und es war auch das einzige, was er seinem Leben noch abgewinnen konnte. Er war zu alt, um daran zu glauben, dass es jemals überhaupt irgendeinen einen Sinn gehabt hatte.
„Wer nach ihm suchen will, bitte, der soll gehen“, sagte Malukhat. „Aber das ist purer Schwachsinn. Ob Aurel sich nun aus dem Staub gemacht hat oder durch irgendeinen Zufall von uns getrennt wurde, spielt dabei keine Rolle. Er wird versuchen, zu dem Artefakt zu gelangen, also ist es am Wahrscheinlichsten, dass wir ihn dort auch finden. Und wenn wir ihn nicht finden…“ Er ließ den Satz für einen Moment in der Luft hängen, bevor er weiter sprach: „Tja, dann braucht er unsere Hilfe sowieso nicht mehr.“
Keiner kommentierte diesen kurzen Vortrag. Arwen nicht, weil die Blicke, die die beiden Dunmer unbemerkt ausgetauscht hatten, mehr Planung beinhalteten als es tausend Worte vermocht hätten. Kiara nicht, weil… das wusste der Erzmagier auch nicht. Dass sie ein wenig bedrückt wirkte, konnte sie kaum verstecken, aber umso entschlossener schien sie zu sein, dieses Abenteuer zu überleben. Er musste ein Auge auf sie haben. Nicht, dass sie sich von der Gruppe trennte, um einen Pfeil in seinen Hinterkopf zu bohren. Und der andere Mann? Es fiel Malukhat schwer, ihn einzuschätzen. Ein fähiger Kämpfer schien er zu sein, aber was steckte hinter dieser Fassade? Noch ein unbekannter Faktor, aber nicht dergestalt wie Arwen, denn den Mann würde er so gut im Auge behalten, wie es ihm möglich war.
Der Erzmagier schob das Schwert in die Scheide an seiner rechten, dann drehte er sich um und ging. Arwen folgte ihm sofort, die anderen beiden zögerten, besannen sich dann aber wohl darauf, dass sie zur Not eine Möglichkeit finden würden, die beiden Dunmer aus diesem Leben scheiden zu lassen. Malukhat hätte lieber hinter ihnen gehen können. Die Situation war merklich angespannt und es empfahl sich nicht, die Spitzenposition einzunehmen.
Es ging am Ende das Raumes durch eine schmale Tür, dann weiter in eine Halle, von der aus sie mehrere Möglichkeiten hatten. Malukhat, der sich sogar bei einer 50/50-Chance im Weg irrte – selbst, wenn er drei Versuche hätte – entschied sich für die Tür direkt gegenüber, und er tat es mit einer Souveränität, die die anderen glauben ließ, er wusste, was er tat. Wäre Draven hier gewesen, er hätte den Erzmagier schief von der Seite angesehen, seine spitzen Zähne raushängen lassen und darum gebeten, entweder die Tür rechts oder links zu nehmen. Es wäre ein Einwurf gewesen, den Malukhat genauso gekonnt ignoriert hätte wie alles andere auch. Wer konnte schon wissen, ob er diesmal nicht einen guten Weg wählen würde?
Und so gingen sie durch die Halle, bis auf den Erzmagier gemessenen Schrittes, aber eine weitere Falle tauchte nicht auf. Geister gab es auch keine. Nicht mal ein paar angriffslustige Tunnelratten. Hätte Malukhat Intuition, Obacht oder wenigstens einen Hauch Feingefühl aufweisen können, die Sache wäre ihm komisch vorgekommen.
Der folgende Raum war in Sachen Wächter genauso einfallslos, aber eine architektonische Glanzleistung, die aus jeder Fuge im Gestein nach Falle stank. Grob geschätzt war der Raum ungefähr zwanzig Mal so lang, wie Malukhat groß war, und bestimmt zehn Mal so breit. Die Tür, die von der Halle hier hineinführte, brachte die ungebetenen Besucher direkt auf eine Steinterrasse, die die Breite des Raumes komplett ausfüllte, in der Länge allerdings kaum Platz für die vier Personen bot. In der Mitte führte eine schmale, geländerlose Brücke auf eine um einiges breitere Insel. Das wirklich faszinierende und gleichsam offensichtliche war aber nicht die Dunkelheit, die eine Einschätzung der Tiefe, die man fallen würde, unmöglich machte, und auch nicht die merkwürdige Anordnung der Steinplatten – es war das, was sich auf der Insel befand. Die einzelnen Steinplatten waren mit Eisenfliesen belegt worden, die allesamt nach oben gewölbt waren und so den Blick auf das freigaben, was sie mit dem Gestein verband: Dünne Eisenstangen waren in den Boden gehauen und die Fliesen darauf befestigt worden. Insgesamt waren es zwanzig Platten in der Läge und in der Breite. An den äußeren Rändern rechts und links standen Steinblöcke. Es wechselten sich solche mit einem großen Loch mit solchen ab, die mehrere kleinere in sich trugen. Nur allzu offensichtlich eine Falle vom Typ „Drauftreten und Erde fressen“. Sogar er war bereit, umzukehren, doch als Kiara den Raum betreten hatte, fiel die Tür ins Schloss; ein Tor aus eisernen Speeren krachte hinab und versperrte den Fluchtweg.
Nun ja, der Erzmagier jedenfalls würde nicht der erste sein, der herausfand, welche Überraschungen die Steinblöcke auszuspucken hatten…
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