Aurel wollte schreien, aber er konnte nicht. Der verdammte, heimtückische Dunmer hatte ihn mit einem Stillezauber belegt, und so kam kein Laut aus seiner Kehle, als er in die Dunkelheit stürzte. Aurels Fassungslosigkeit ob der Niedertracht des Dunkelelfen wich schnell einem anderen Gefühl… Panik. Das war also das Ende, nicht heroisch im Zweikampf, nicht friedlich im Kreis der Familie, die er nie hatte gründen können, sondern elend zerschmettert in einem Loch in einer finsteren, alten Ruine, wo die Ratten seine Knochen abnagen würden. Sein Leben zog rasend schnell noch einmal an seinem inneren Auge vorbei, die Kindheit, Ansgar der Schmied, die Legion, all die Kämpfe, die Kameraden… und seltsamerweise tauchte plötzlich das Gesicht Kiaras in seinen Gedanken auf, aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er nahm ein Glitzern aus der Richtung wahr, in die er fiel. Verflucht, er würde auf einem Metallboden aufschlagen, wo er wie ein Käfer vom Stiefel eines Mannes zermalmt werden würde. Der Boden kam schnell näher, und Aurel schickte ein letztes, kurzes Gebet zu den Neun. „Nimm mich gnädig auf, Talos“, war sein letzter Gedanke vor dem Aufprall, und…
… er durchschlug die Wasseroberfläche. Aurel war kurz davor ohnmächtig zu werden, aber das eiskalte Wasser verhinderte dies. Wasser! Das war kein Metall, sondern verdammtes Wasser, was er da gesehen hatte. Ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung durchströmte Aurel. Er würde leben, er würde vielleicht doch eine Familie haben können, er würde die Sonne wiedersehen, er würde… sich an Erzmiel rächen können, er… Luft! Er bekam keine Luft mehr. Die schwere Rüstung zog ihn zum Grund des kleinen unterirdischen Sees, so sehr er sich anstrengte, er hatte keine Chance aufzutauchen. Und da war wieder die Todesangst, die kurzzeitig der Erleichterung gewichen war. In seiner Panik tastete er auf dem Grund um sich, als könnte er dort Rettung finden. Er griff in die Klinge seines Schwertes, welches während des Sturzes seiner Hand entglitten war, und der Schmerz, als er sich an seiner eigenen Waffe schnitt, brachte seinen Verstand wieder zum arbeiten. Rüstung abschnallen…nein, zu langsam. Sein Gepäck! Mit zitternden Fingern schnallte Aurel den Tornister vom Rücken. Langsam, vom Wasserwiderstand gebremst gingen die Bewegungen vonstatten. Seine Lungen brannten, verlangten nach Sauerstoff, und Aurel musste alle Willenskraft aufbringen, um seine Hände dazu zu bringen, die Verschlüsse des Rucksacks zu öffnen. Er tastete in seinem Gepäck, bis er das Gesuchte fand. Ein Ring. Er entglitt seinen Fingern und drohte auf den schlammigen Seegrund zu sinken, aber Aurel konnte ihn mit der anderen Hand gerade noch auffangen. Der Schmerz war nahezu unerträglich geworden, sein ganzer Körper schrie nach Luft, als Aurel sich den Ring über einen Finger streifte, während er die verbrauchte Atemluft ausstieß, woraufhin sich seine Lungen mit Wasser füllten.

Der Skelettkrieger stapfte mit ungelenken Bewegungen zum Rand des Sees. Er hatte mit seinen übernatürlichen Sinnen Geräusche wahrgenommen, aber auf der Seeoberfläche waren nur ein paar Luftblasen zu sehen, woraufhin das Wasser sich wieder schnell glättete. Nichts, kein Geräusch, keine Bewegung war mehr zu bemerken. Hätte der untote Kämpfer fühlen können, hätte er sich gewundert, aber zu Empfindungen war die zu ewiger Unruhe verdammte Seele in dem zerfallenen Körper schon lange nicht mehr fähig. Das Skelett wollte sich wieder abwenden, um weiter im Auftrag seiner ebenfalls längst toten Herren die Gänge der Höhle unter der Ruine zu bewachen, als plötzlich etwas die Wasseroberfläche durchbrach. Es war ein Mensch, ein bis auf einen Helm schwer gepanzerter Ritter, der langsam durch das Wasser auf den Untoten zuwatete, wobei sein Körper, je mehr er sich dem Ufer näherte, immer weiter aus dem Wasser kam. In seiner rechten Hand hielt er ein Schwert, am linken Arm war ein Schild befestigt, und auf dem Rücken trug er einen Marschtornister, als sei es das Normalste der Welt, unter Wasser zu marschieren. Der Ritter hielt dem Skelett seine Schwerthand entgegen, woraufhin dieses ein Zischen von sich gab, als es die Waffe identifizieren konnte, Silber, das heilige Metall, noch dazu von einem schwachen magischen Glimmen umgeben.
„Schau dir dieses Kleinod an, diesen unscheinbaren Ring. Eigentlich potthässlich, aber mit einem Wasseratmungszauber belegt ein unschätzbarer kleiner Freund“, sprach der Mensch, dem das Wasser in Strömen aus der Rüstung lief.
„Ach ja, und hallo. Du kommst genau richtig. Du glaubst nicht, was ich gerade durchgemacht habe, und wie sehr es mich freut, dich zu sehen“, fügte der Kämpfer hinzu und ging mit immer schneller werdenden Schritten auf den Skelettkrieger zu.
Der Untote bemerkte den Blick des Mannes und den Zorn in dessen Augen, und was er da ablesen konnte, ließ das Unmögliche geschehen, er empfand plötzlich wieder etwas… Angst, und langsam wich er vor dem Gepanzerten zurück.