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General
Cyrodiil, unter der Erde & ganz woanders
Malukhat saß mit lockerer Haltung auf dem großen Thron am Ende der Halle. Einen Ellenbogen auf die Lehne gestützt, strich er wie üblich nachdenklich über seinen Schnurrbart. Um ihn herum hatte sich ein Halbkreis an Toten gebildet, die ihn allesamt missbilligend anstarrten. Der Erzmagier meinte zu wissen, dass weniger sein Sitzen auf dem Thron sie böse stimmte, sondern eher der schlechte Einfluss Aurels. Die Geister schienen sich immer dem gängigen Trend zu unterwerfen, und momentan war der Bretone der Fluchträger, was nur bedeuten konnte, dass Malukhat in dieser Runde ein verdammt schlechtes Blatt auf der Hand hatte.
Alexius war der einzige, der sich an der Anwesenheit des Dunmers nicht störte. Er hatte sich neben dem Thron auf den Boden gesetzt und lehnte sich an dessen rechte Stütze. Entweder, so dachte Malukhat, bin ich nun vollkommen verrückt, oder seine Wunden scheinen tatsächlich zu heilen. Dabei war ihm vollkommen klar, dass ein Heilprozess bei Toten kaum möglich ist.
„Alexius – wie nett! Ich kann dein Gesicht wieder ansehen ohne dass mir übel wird“, sagte er und warf einen Seitenblick auf den Kaiserlichen. Grinsend wandte dieser ihm sein Antlitz zu.
„Nicht wahr?“, entgegnete er. „Ich fühle mich auch schon sehr viel besser. Aurel sei Dank.“
Malukhat zog eine Augenbraue hoch. „Wie kann ein Geist sich besser fühlen?“
„Denk’ mal scharf nach, was ich vor meinem Tod war.“
„Ich weiß: Bekloppter Lich. Ganz schlechte Berufswahl. Aber bei der heutigen Arbeitslage…“
Alexius warf den Kopf in den Nacken und lachte. Das gab den entscheidenden Ausschlag für Malukhat, sich endgültig verarscht vorzukommen. Der Kaiserliche hasste ihn nicht, ja er war nicht mal angefressen. Obwohl… über den Punkt ließ sich mit Sicherheit streiten.
„Was ist das für ein Spiel, das du hier spielst?“ Der Dunmer lehnte sich zur Seite und sah Varra eindringlich an. „Ich kenne dich gut genug um zu wissen, wie du Leuten begegnest, die dir irgendwas angetan haben. Wenn du wenigstens so tun könntest, als seiest du überhaupt in irgendeiner Weise gekränkt oder sauer.“
Alexius antwortete nicht. Stattdessen wandte er den Blick ab und starrte auf den Hallenboden. Das alles hier war eine ganz feine Angelegenheit und wenn Malukhat irgendetwas verstand, dann, dass Varra nicht sauer sein konnte, weil er den Dunmer als ersten verraten hatte. Diese Erkenntnis war interessant, fühlte sich aber nicht sonderlich gut an. Dass der Kaiserliche jetzt nichts sagte, konnte nur bedeuten, dass noch irgendetwas anderes im Spiel war. Etwas, von dem Malukhat nichts wissen sollte. Bis es zu spät war.
„Ich habe das alles hier von langer Hand geplant“, sagte Alexius nach langem Schweigen. „Octavo ist ein Urenkel der Schwester des Neffen meiner Tante dritten Grades. Das reichte gerade noch aus, um mit ihm in Verbindung treten und ihn bitten zu können, ein paar Irre zu finden, die sich tatsächlich hierher wagen. Aber es ging gar nicht mal um die Krone an sich, mein Freund, und auch nicht um Octavo. Es ging darum, mich zu töten. Meine Zeit war schon lange gekommen und in einem meiner wenigen halbwegs klaren Momente schaffte ich es, den Mann auf diese Spur zu bringen. Ich habe schon bessere Zeiten gesehen, mein Körper, Gott weiß, sowieso. Ich war und bin zu kaputt, um meine Träume Realität werden zu lassen.“
Alexius spielte in Gedanken versunken an dem Ring seiner Frau, den er am Zeigefinger seiner rechten Hand trug. Er zog ihn bis zur Fingerkuppe hoch, drehte ihn hin und her und starrte ihn dabei an wie ein Ertrinkender einen Rettungsring.
„Aurel wird sich jetzt darum kümmern. Er glaubt tatsächlich, er sei der neue Herr dieser Seelen, aber das ist nicht wahr. Das ist meine Welt, ich habe sie erschaffen. Der Bretone hat hier nichts zu suchen. Schon gar nicht als Herrscher. Aber jetzt brauche ich ihn, um meine Ziele verwirklichen zu können. Eine Kostprobe der Macht, die ihn erwartet, habe ich ihm bereits gegeben, und mit der Zeit werde ich ihn mit immer mehr versorgen. Zusätzlich speise ich seinen Geist mit Wahnvorstellungen. Irgendwann wird er tatsächlich glauben, unbezwingbar zu sein, aber das stimmt natürlich nicht. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er sehr schnell draufgehen wird.“
Bevor Malukhat sich auf die Zunge beißen konnte, sagte er: „Aurel ist vielleicht stärker als du denkst.“
Alexius schnaubte ein verächtliches Lachen. „Auch der stärkste Mann kann sich dem Einfluss meiner Krone nicht entziehen, das weiß ich selbst nur zu gut.“
„Du hast dir da wirklich einen dunklen Plan zusammen geschustert“, sagte Malukhat. „Wenn Aurel stirbt, suchst du dir einfach den nächsten. Irgendjemand wird so dumm sein und die Krone an sich nehmen. Und umso mehr dieser Leute sterben, desto mehr Seelen sammeln sich hier an und desto größer wird deine Macht.“ Er schloss die Augen und lächelte. „Wenn es soweit erstmal gekommen ist ist, dann hast du dein Ziel erreicht, alter Freund. Dann bist du unsterblich. Nimm’ es mir aber nicht übel, wenn ich dir Steine in den Weg werfe.“
Auch Alexius lächelte. „Das habe ich nicht anders erwartet. Du wärst nicht Malukhat, wenn du dich nicht allen möglichen Leuten in den Weg werfen würdest. Das ist einfach ein Teil von dir. Nimm’ du es mir also im Gegenzug nicht übel, dass auch ich daran arbeite, deine Steine ganz schnell weg zu räumen und neue vor dir zu platzieren.“
„Kein Problem“, sagte Malukhat, „damit komme ich klar.“
Malukhat erhob sich aus dem Thron und machte sich daran, einen anderen Teil der großen Halle zu betreten. Wenn das hier wirklich ein illusionistischer Nachbau der Ayleiden-Ruine war, dann würde er hier unten sicherlich irgendwo sein altes Zimmer finden. Die verstümmelten Geister machten lange Gesichter, stellten sich ihm allerdings nicht in den Weg. Sie stoben vor ihm auseinander wie vom Wind gepeitschte Blätter.
Tatsächlich fand er am anderen der Halle eine Tür. Diese führte in ein wahres Labyrinth an Gängen, doch Malukhat kannte sich aus. Den richtigen Weg zu finden war nicht schwer und schon bald fand er sich in dem Raum wieder, den er vor über siebenhundert Jahren bezogen hatte. Alles sah so aus wie damals und der Erzmagier musste darüber schmunzeln, als Totenbeschwörer derart penibel Ordnung gehalten zu haben.
Rechts von ihm stand ein Schreibtisch an der Wand, direkt daneben ein kleiner Tisch mit seinen Alchemie-Utensilien. Dahinter befand sich ein viereckiges Loch in der Wand; er hatte es hineingeschlagen, um einen direkten Durchgang zum nebenan gelegenen Raum zu haben, und seine Gefährten hatten kräftig mit angepackt. Er hatte ihm als Lagerraum gedient, und so fanden sich dort viele Kisten, Truhen und Säcke mit allerlei Gegenständen: Von Alchemiezutaten über Bücher bis hin zu Kleidungsstücken.
Der Erzmagier ging auf das Bett zu, welches gegenüber der Tür lag, fuhr mit der Hand über das Holz und setzte sich nieder, um das Bücherregal zu betrachten. Es waren an der Zahl nicht viele, insgesamt fünfzehn Bände, und er hatte jeden einzelnen mehr als einmal gelesen.
Erinnerungen stürmten auf ihn ein und er kam zu dem Schluss, dass die Zeit damals doch nicht so schlecht war und das zurückgezogene Leben eines Totenbeschwörers den ein oder anderen Vorteil bot. Mit einem abwesenden Lächeln erhob er sich von dem Bett und ging auf den Spiegel zu, den er auf der linken Seite des Zimmers angebracht hatte. Hier unten galt er als einziger Beweis für seine Eitelkeit. Er riskierte einen Blick hinein und zuckte vor Schreck zusammen.
„Grundgütiger!“, rief er aus. Mit großen Augen starrte er auf das Gesicht im Spiegel, welches mit ebenso großen Augen zurückstarrte. Um die Augen im Spiegel aber hatten sich keine Falten gesammelt, die Haut war glatt und jung. Auch seine Frisur hatte sich geändert. Das heißt, er hatte nun wieder eine Frisur, nämlich lange schwarze Haare, die auf seinem Rücken zu einem Zopf gebunden waren. Wie um sich davon zu überzeugen, dass dies die Wirklichkeit war (oder wenigstens so sehr Wirklichkeit wie es eingesperrt in der Welt eines wahnsinnigen Lichs möglich war), griff er nach hinten und – Tatsache: Er fühlte dichtes, schwarzes Haar zwischen den Fingern.
Es interessierte ihn nicht, was Alexius möglicherweise von ihm denken würde. Er stürzte zurück in die Halle, ignorierte die böswilligen Blicke und machte direkt vor Varra halt, der betont desinteressiert seine Fingernägel begutachtete.
„Ich fühle mich auch viel besser“, sagte er trocken. „Aurel oder Alexius sei Dank, was schätzt du?“
„Malukhat sei Dank, würde ich sagen“, lächelte Alexius. Die Verwirrung des Erzmagiers schien ihn zu amüsieren. „Die da“ – er wies auf die Geister – „die haben hier keinerlei Macht. Aber du schon. Du bist ein Teil des Zaubers. Ich hätte, ehrlich gesagt, gerne darauf verzichtet, dir das zu offenbaren, aber da du es nun selbst gemerkt hast...“
Malukhat pfiff durch die Zähne. „Ich habe für einen Moment darüber nachgedacht, doch hier zu bleiben. Ehrlich, das werde ich vermissen.“
Und ebenso ehrlich würde er dieses Wissen nun gegen Varra einsetzen. Aurel ist hier nicht der Herr und Meister? Aber Malukhat, in gewisser Weise jedenfalls, schon? Der Bretone hatte eine Verbindung zu dieser Krone, wie sie persönlicher und direkter nicht sein konnte. War es also möglich…? Ausprobieren! Aber nicht hier. Alexius wusste zwar ohnehin, dass Malukhat irgendeine Gemeinheit ausheckte, würde aber wohl nichts dagegen unternehmen. Er war schon immer ein seltsamer Mann gewesen und wieder fragte der Erzmagier sich, ob es nicht noch ein weiteres Hintertürchen aus dem Fluch heraus gab, und ob dieser für ihn zu einem Problem werden könnte.
Er ging zurück in sein Zimmer und stellte sich vor den Spiegel. Einen besseren Einfall hatte er nicht. Gut, Aurel, dachte er, dann komm’ mal her.
Sein Spiegelbild sah ihn erwartungsvoll an. Puh… wahrscheinlich musste er sich stärker konzentrieren, obwohl er gehofft hatte, diese Angelegenheit würde sich ähnlich unkompliziert gestalten wie der plötzliche Jungbrunnen.
Er kniff die Lider zusammen und konzentrierte sich.
Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel, Aurel.
Vorsichtig riskierte er einen Blick auf das Ergebnis. Nichts.
Großartig. Einfach großartig. Vielleicht war er zu blöd dazu. Vielleicht war es auch überhaupt nicht möglich. Vielleicht aber hatte Alexius ihm nur einen Streich gespielt und er besaß in Wirklichkeit nicht mal die Andeutung von Macht über diese Scheinwelt. Enttäuscht und wütend zugleich schlug er mit der flachen Hand gegen die Wand, als er bemerkte, dass sich doch etwas verändert hatte. Er betrachtete es genauer: Ein blasser Schatten, überlagert von seinem eigenen Spiegelbild. Allmählich verschwand er wieder.
Malukhat war nicht bereit, sich diese Chance durch die Lappen gehen zu lassen. Er war sich einfach sicher, dass er durch die Oberfläche hindurch nach dem Schatten greifen konnte, und dass dieser Schatten niemand anders sein konnte als Aurel. Eine andere Schlussfolgerung ließ die Zeitnot nicht zu. Mit den Händen drang er durch das Glas, das Holz und die dahinter liegende Wand als war all das nur Luft. Er spürte Masse zwischen den Fingern und riss daran. Mit einem gewaltigen Ruck zog er einen Menschen zu sich heran, der mit dem gesamten Unterkörper noch irgendwo anders steckte.
„Aurel, mein Herz, ich habe ganz wunderbare Neuigkeiten für dich“, sagte er grimmig und packte die Schultern des anderen nur noch fester. „Und das sind wirklich richtig tolle Neuigkeiten. Dagegen wird dir die Fluch-Sache vorkommen wie ein Sommerurlaub. Ich weiß jetzt wieder…“ Für einen Moment hielt er inne. Mit Verwunderung in den Augen sah Aurel ihn an, und auf ähnliche Weise musterte der Erzmagier ihn. Die Gestalt unter seinen Händen verlor langsam an Kontur; Malukhat sah bereits den Hintergrund durchschimmern. So ein Mist aber auch. Jetzt musste er sich kurz fassen, dabei hatte er doch einen so ausgeprägten Sinn für Dramatik. „Nur ich kann die Krone zerstören. Leider bin ich gerade am Sterben. Das heißt, mein Körper liegt in einem Sarg irgendwo unter der Erde. Ich ersticke also fröhlich vor mich hin, während meine Seele schon zu einem großen Teil in der Krone steckt. Grab’ mich aus oder wir zwei haben ein Problem. Und, Aurel…“ Malukhats Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an, während der Bretone langsam unter seinen Fingern verschwand. „Schau, was für ein hübscher Kerl ich mal war, das ist Mondzucker für mein Ego. Also beeil dich, bevor ich es mir anders überlege. – Aber eines sei gesagt: Wenn du mir nicht verdammt noch mal das Leben rettest, werde ich dir den Rest deines Lebens von dieser Krone aus zur Hölle machen, darauf kannst du dich verlassen. Und glaube mal, dass selbst Alexius dann sein Haupt vor mir neigt.“
Aurel war verschwunden. Und Malukhat hoffte inbrünstig, die Nachricht hatte ihren Empfänger erreicht.
Geändert von Katan (24.04.2007 um 06:33 Uhr)
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