Arwen konnte kaum fassen, wie der große Dunmer auf ihre gleich doppelte Landung auf ihm reagierte. Der Mann hatte ja Humor. Und konnte freundlich sein. Hatte sie ihn vielleicht falsch eingeschätzt? Sie hatte schon viele Leute getroffen, aber niemals zuvor hatte ihr jemand soviele Rätsel aufgegeben wie dieser Erzmiel. Zuerst hatte sie ihn lediglich für einen unfreundlichen, arroganten Kerl gehalten, danach tendierte ihre Meinung zu einem mächtigen, arroganten, unfreundlichen Kerl. Nun aber war sie sich lediglich noch über das "mächtig" sicher. Auf jeden Fall war er interessant; dennoch war sie noch nicht bereit, ihm wirklich zu trauen. Er hatte zuviele Gesichter. Sie würde mehr herausfinden müssen.

Dann war das Intermezzo vorbei und die Gruppe begab sich zur Ruine. Arwen tat es immer leid, wenn sie den Verfall vergangener Schönheit, Pracht und meisterlicher Baukunst sah. Gern stellte sie sich die alte Zeit vor, und fragte sich, was die Ayleiden, die hier durch die damals noch intakten Hallen gegangen waren, gefühlt hatten. Wieviel Liebe, Leid, Hass, Wut, Schmerz mussten diese Mauern schon gesehen haben. Sie fühlte es fast wie ein Echo von den Wänden nachhallen. Ein stiller, doch unüberhörbarer Schrei, welcher bis in die Gegenwart reichte. Mahnung und Erinnerung zugleich. Irgendwie war Arwen sicher, dass Elfen, egal ob Dunmer, Bosmer oder Altmer (letztere sogar ganz besonders) dieses Echo wesentlich stärker wahrnahmen als andere Völker. Bei anderen Völkern war sie sogar eigentlich ziemlich sicher, dass diese gar nichts davon bemerkten. Doch wie sah es mit Bretonen aus? Die trugen elfisches Blut in sich. Sie wollte gerade neugierig Germain mustern, als ihr auffiel, dass "Erzmiel" einen Lichtbehälter näher untersuchte. Sie grinste. Mit Sicherheit war dem Mann klar, dass das Teil da eine bis heute wirksame Falle sein konnte. Aber diese Tatsache ignorierte er mit einer Lässigkeit, von der Arwen nicht sagen konnte, ob es Mut, Lebensmüdigkeit, Gleichgültigkeit oder Provokation war. Und natürlich reagierte der Paladin so vorhersehbar mit seinem Warnruf. Und ebenso vorhersehbar ignorierte der Dunmer diesen.

Doch dann krachte es, Steinplatten verschoben sich, senkten sich, trieben nach rechts und schaurige Laute ertönten. Bei allen daedrischen Höllen, auch das noch. Geister. Drei Stück. Na ja, wenns nicht mehr war. Arwen konzentrierte sich sofort auf ihren Feuersturm-Zauber und jagte ihn einem Geist entgegen. Geister mochten kein Feuer. Dieser hier unterschied sich kein bißchen von allen anderen. Er mochte es auch nicht. Sicherheitshalber jagte Arwen in den angegrillten Geist noch einen Feuerball hinterher. Um sie herum kämpften auch die Gefährten. Aber es war ein schneller Kampf. Geübte Kämpfer allesamt, nur drei Geister. So war alles schneller vorüber als es begonnen hatte.
Sie sah sich um und bemerkte das Fehlen des Bretonen. "Wo ist Germain?" rief sie erstaunt. Sie sah, dass "Erzmiel" sich suchend umblickte, ein paar Schritte vorwärts ging und den Helm des Paladins aufhob. „Er hat sich vom Acker gemacht. Wusste ich doch, dass ihm nicht zu trauen ist!“ hörte sie ihn dann sprechen. Fassungslos sah sie auf den Helm, dann auf den Dunmer und wieder auf den Helm. Nein, das konnte sie nicht glauben. Nicht der Paladin. Der war viel zu anständig für sowas.

"Das glaube ich nicht", meinte sie langsam. "Da ist irgendwas passiert, was ihn von uns getrennt hat. Aber ein Paladin verschwindet nicht einfach. Die sind so anständig, dass man davon einen Juckreiz kriegen könnte. Wir sollten uns aufteilen und ihn suchen." Doch dann kam ihr ein fieser Gedanke. "Oder wir schnappen uns das Artefakt, schauen, was es wert ist und verschwinden damit", sagte sie langsam. Und hoffte, das man ihr nicht ansah, dass sie gerade überlegte, wie man die meisten anderen der Gruppe vielleicht ebenfalls loswerden konnte. Hmm, das Artefakt mochte wertvoll genug sein, um einen großen Erlös zu bringen. Einen Erlös, der man durch zwei Dunmer teilen konnte. Ein böses Licht glomm in ihren Augen auf, als sie darüber weiter nachdachte.