Die Sonne ging langsam unter und der Vampir spürte, wie er sich besser fühlte, denn die Nacht war sein Freund – damit hatte er sich zwischenzeitlich abgefunden. Unauffällig ging er durch die Straßen der Kaiserstadt zum Tiber Septim-Hotel, da ihn niemand als Vampir erkennen konnte, sofern er ihn nicht genauer betrachte. Draven betrat das Hotel und ging geradewegs die Treppe hinauf zum Zimmer Malukhats, innerlich schwer darüber nachdenkend, wie er seinen Auftritt möglichst überraschend für den Erzmagier gestalten konnte. Sehr schade, dass Bilder malen so lange dauerte, denn sonst hätte er einen der oftmals für einen kurzen Moment verdatterten Gesichtsausdrücke des Erzmagiers – danach wurden sie häufig ärgerlich – gerne auf einem Bild festgehalten. Wer weiß, vielleicht würde ja irgendwann mal ein Apparat erfunden, mit dem man in sekundenschnelle Bilder machen könnte. Draven wäre wohl aus vorgenanntem Grund der erste Käufer für so was. Und Zeit hätte es eigentlich auch noch, denn Malukhat als Dunmer würde noch sehr alt werden, Draven sowieso, wenn er nicht gerade den Kopf verlieren oder sich für ein ausgiebiges Sonnenbad am Strand entscheiden würde. Vor der Tür des Erzmagiers ärgerte er sich, weil er sich immer noch nichts für seinen Auftritt überlegt hatte, doch dann erstarrte er. Malukhat schien nicht alleine zu sein, mit seinen geschärften Vampirsinnen hörte er ihn in seinem Zimmer mit einer Frau sprechen. Mit einer Frau alleine in seinem Zimmer? Was hatte er gerade gehört? Prüfung bestanden?! Er hätte nicht gedacht, dass der Erzmagier so rangehen würde, wenngleich er überhaupt nichts über Liebschaften Malukhats wusste. Eine der wenigen Seiten von ihm, die Draven gänzlich unbekannt waren. Der Vampir wich zurück und verließ das Hotel wieder, während er darüber nachdachte, ob Malukhat diese Frau verführt oder bezahlt haben könnte, wenngleich er eigentlich gar nichts näheres darüber wissen wollte. Allein die Vorstellung war ihm unangenehm und er wünschte sich von seinem ganzen untoten Herzen, dass diese Vorstellung von der kühlen Nachtluft sofort aus seinem Kopf geblasen werden möge.

In der Tat, die kühle Briese zwischen den alten Häusern der Kaiserstadt tat ihm gut, aber ein ganz anderes Gefühl lenkte ihn ab: Hunger. Der Hunger, den es unbedingt zu stillen galt, wenn er nicht eine unkontrolliert mordende Bestie werden wollte. Der Virus des Vampirismus hatte ihn verändert, in seinem Inneren war ein Tier, das Blut verlangte, zumindest fühlte es sich für den Vampir so an. Lautlos schlich er in den Tempelbezirk und versteckte sich in einer Gasse. Viele Passanten waren nicht unterwegs, was einerseits gut war, andererseits aber natürlich auch die Zahl der potentiellen Opfer verringerte. In der Dunkelheit zwischen zwei der hohen Häuser horchte Draven nach wandelnden Blutbehältern, von denen er sich unbemerkt nähren konnte. Immer wieder überfielen ihn in solchen Momenten Gedanken über seine eigene Existenz. Er war im Grunde genommen nichts weiter als ein dreckiger Parasit, der Blut von anderen trinken musste, um sein eigenes Leben erhalten zu können. Vielleicht wäre es am einfachsten für ihn, sich wieder in dreckige Kanäle zu verziehen und von Ratten zu ernähren oder sich gleich Nachts irgendwo festzubinden, um sich von der Sonne am nächsten Morgen verbrennen zu lassen. Die schiere Angst seiner Opfer quälte ihn, obwohl er sie nicht einmal tötete, zumindest nicht mehr. Er hatte keinen Lehrgang über Trinken von Blut, demnach erging es seinen ersten Opfern nicht so gut. Allerdings bekam der Bretone dies nicht richtig mit, da er vor Blutdurst keine wirkliche Kontrolle über seinen Körper mehr hatte. Er war zwar ein Telvanni gewesen und demnach eigentlich nicht unbedingt die mitfühlendste Person auf Nirn, aber in seinem tiefen Inneren war er doch ein aufrechter Mensch gewesen, unter der Hülle eines leicht arrogant agierenden Erzmagisters, immerhin hatte er sogar als einer der wenigen Telvanni keine Sklaven in seinem Turm.

Ein leichtes Schnarchen riss ihn aus seinen Gedanken – ein Opfer. Langsam und ohne Geräusche von sich zu geben, schlich er in die Hinterhöfe und entdeckte in einer Ecke die Ursache für diese Geräusche. Alle Gedanken waren fort, das Tier in ihm forderte ihn geradezu auf, es zu füttern. Der Durst wurde stärker, es war immer so, dass in solchen Momenten alles andere egal wurde, als wenn ein Schwall von rotem Blut alle Gedankengänge ertränkt. Der schnarchende Bettler war scheinbar ein Kaiserlicher und hatte sich nicht gerührt, er schien tief und fest zu schlafen. Draven sah sich um und konnte niemanden ausmachen, er beugte sich langsam herunter auf die Knie, der Biss in den Hals ging jedoch sehr schnell vonstatten. Seine beiden spitzen Eckzähne bohrten sich in das Fleisch des Bettlers und warmes Blut ergoss sich in seinen Rachen. Ein Wohlgefühl, welches alle anderen Genüsse der Welt übertraf, auch wenn dies wohl nur Vampire verstehen konnten. Wie das Blut aus dem Körper des Bettlers wich, so spürte Draven auch das Leben entweichen. Nun musste er sich mit all seiner vorhandenen Kraft dazu überwinden, aufzuhören. Und wie schwer das ist, werden ebenso nur Vampire verstehen können, viele schaffen es nicht, andere versuchen es gar nicht erst. Ruckartig riss der Bretone seinen Kopf zurück und ein Fauchen entrann seiner Kehle, ein Geräusch nichtmenschlicher Natur, das Geräusch einer Bestie. Bedächtig richtete er sich auf und wischte sich den Mund ab. Das Blut eines Bettlers schmeckte merkwürdigerweise weniger gut als beispielsweise das Blut eines Adeligen. Aber jemand, der sich lange von Ratten ernährt hatte, konnte dennoch damit zufrieden sein. Der Hunger flaute langsam ab, das Tier war vorerst zufrieden gestellt. Der Vampir legte eine Münze neben den Beutel des Bettlers, setzte die Kapuze seines Umhangs auf und verschwand lautlos in der Dunkelheit...