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General
Cyrodiil, Kaiserstadt
Grimmig starrte Malukhat ihr hinterher. Also, das würde sie zurückkriegen. Aber mit Zins und Zinseszins. Wenn Ihr euch eine trockene Rüstung kaufen wollt – also wirklich! Daedrische Rüstungen sah man beileibe nicht an jeder Straßenecke, nicht mal hier im Kaiserreich. Man musste sie sich erkämpfen. Aber wie dem auch immer war und welcher Art Wut er auf diese Frau verspürte, sein Gemüt wart sofort besänftigt, als er über ihre Worte nachdachte. Okay, die Hälfte davon machte ihn immer wieder rasend – bis zu dem Punkt mit dem Ayleiden-Artefakt. Vor einigen Jahren (na ja, ein paar Jahrhunderten…) hatte er das letzte Mal eines zu Gesicht bekommen und war fasziniert gewesen. Nicht, dass diese Dinger besonders hübsch waren, aber sie waren doch wertvoll. Und schwierig zu bekommen. Nicht so ein Ramsch, wie man ihm wahrscheinlich in dem Laden anbieten würde, den die Frau ihm empfohlen hatte… Oh ja, das würde ein Nachspiel haben.
So würdevoll wie möglich versuchte der Erzmagier sich nun zu erheben, schaffte es aber nur, auf einer Wasserpfütze auszurutschen und abermals schwer zu Boden zu gehen. Er hörte ein Kichern hinter sich, ignorierte es aber komplett. Ja, was sollte es schon… eigentlich war er ja nur hergekommen, um ein Zimmer zu mieten, aber ein weiterer Gedanke nahm Gestalt an und ließ ihn fröhlich grinsen. Er würde herausfinden, wer die fremde Dame mit der großen Klappe war, und sie würde ihm seinen Urlaub in Cyrodiil spannend und wunderbar erfrischend gestalten. Von ihr aus gesehen würde das natürlich nicht unbedingt auf Gegenliebe beruhen oder auch nur auf freiwilliger Basis stattfinden, aber manche Leute musste man eben zu ihrem Glück zwingen. Oder halt zu seinem Glück. Ich meine, wieso nicht? Natürlich hatte er nicht mit Ranis Atrys eine Reise unternehmen wollen, aber war es wirklich so schlau, ohne sie abzustumpfen und bei seiner Rückkehr nach Morrowind erstmal wieder verdutzt zu sein, wenn sie mit einer ihren Spitzen kam. Die Frau war zwar zum Abgewöhnen, aber ihre ganzen Versuche, ihn zu diskreditieren, einfach nur herrlich. Und nun war ihm doch glatt eine Person über den Weg gelaufen, die ihren Ersatz spielen konnte.
Der Erzmagier erhob sich und bahnte sich seinen Weg in sein Zimmer. Dort räumte er erst einmal seine Sachen ein, streifte die Rüstung ab und legte sein prunkvoll verziertes Erzmagiergewand an. Und jetzt, dachte er sich, wird erstmal schön gegessen. Doch dazu kam es nicht, denn gleich, als er den Saal betrat, kam die kaiserlichen Besitzerin dieser hübschen Teilzeitresidenz auf ihn zu und überreichte ihm wortlos einen Zettel, bevor sie sich ruckartig umdrehte und wieder davon schlenderte. Okay… dass sie immer noch sauer war, konnte er nicht ganz nachvollziehen, immerhin war die Bezeichnung „Rundohr“ ja für einen Menschen eher beschreibend als beleidigend, oder etwa nicht?
Er zuckt die Achseln und las den Zettel. Hierin bat jemand um Audienz. Irgendwie hoffte er, dass es die Person war, die bei seinem Ausrutscher gekichert hatte, wusste aber nicht, ob er sie einwandfrei identifizieren konnte, wenn sie vor ihm stand. Aber während er so las… ja, irgendwie fügte sich das alles doch wunderbar zusammen. Ein Bild nahm in seinem Geiste Gestalt an und sein Mund nahm ein unverhohlen boshaftes Grinsen an. Er rannte auf sein Zimmer, zückte Papier, Tinte und Feder und begann zu schreiben:
„Kiara…“ Nee, das war schlecht. „Verehrte Kiara“ Sehr viel besser! „Eure Nachricht ereilte…“ Hm… „Ich erhielt Eure Nachricht“ Oder… „Eure Nachricht erfüllte mich mit größter Freude“ Bei den Neun, auf gar keinen Fall! Lassen wir das einfach raus. „natürlich bin ich bereit, Euch jede Frage zu beantworten, die Euch auf dem Herzen liegt. Allerdings habe auch ich etwas auf dem Herzen und hoffe, dass Ihr meine Zweifel diesbezüglich zerstreuen und mir eine…“ Eine… äh… ah. „helfende Hand reichen könnt.“ Na, also das hörte sich mal bescheuert an. Hilfe? Er brauchte keine Hilfe. Er wollte nur jemanden, der seine Puppe im epischen Drama der Kaiserstadt spielte. „und hoffe, dass Ihr meine Zweifel diesbezüglich zerstreuen und mir einen Gefallen tun könnt, den Ihr mir gewiss schuldig sein werdet.“ Er hielt es nicht für nötig zu erwähnen, dass seine Hilfe eigentlich viel mehr wert war und sie sich freuen sollte, dass diese Bitte ihr gegenüber zum Einen so schlicht war und zum Anderen vom Erzmagier selbst ausgeschrieben wurde, der sich auch einen kleinen Lehrling der Magiergilde hätte schnappen können. Aber das Leben wäre ja langweilig und auf Dauer würde es auffallen, wenn er immer seine eigenen Leute als Schwertfutter benutzte. „Kommt zum Hause Arcturius Octavos. Er wohnt…“ Erm… „Er wohnt im…“ Gottchen, das war schwer. Wo wohnte der Kerl eigentlich? Sein Ranis-Ersatz war nicht so freundlich gewesen, ihm das mitzuteilen. Er würde diesen Kaiserlichen, dem er sein ach so tolle Artefakt abluchsen würde, auch erst suchen müssen. Nur sollte das Fräulein das natürlich nicht wissen. Wäre irgendwie peinlich und… entwürdigend. Malukhat dachte kurz nach, dann grinste er glücklich. „Sucht und findet ihn, dies wird Eure erste Prüfung an Euch sein, um Eure Weitsicht, Eure Wortgewandtheit und Euer Vertrauen auf die Probe zu stellen. Worum genau es sich handelt, teile ich Euch dort mit. Aber bitte erst morgen früh.“ Der Spruch saß. Ohne eine Floskel des Grußes unterzeichnete er das Dokument, verließ sein Zimmer und ließ die Nachricht für Kiara bei dem griesgrämigen Rundohr an der Theke. Er machte ein düsteres Gesicht, vollführte innerlich jedoch Saltos, als er einen Apfel von einem der Tische fischte und sich damit auf sein Zimmer zurückzog.
Noch früh am Morgen erwachte der Erzmagier und bekam einen gehörigen Schrecken, als er sich auf die Seite wälzte und Draven dort auf einem Stuhl sitzen sah. Malukhat grummelte ein paar unverständliche Worte in seiner Heimatsprache, die gewiss nicht sehr freundlich waren, und kam dann in die Gänge. Sie wechselten ein paar Grunzer, in denen es unter anderem um Arcturius Octavo ging, dann ging der Bretone wieder. Wenn Malukhat es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass die ganze Aktion mit dem Vampirdasein ihm irgendwie nicht gut bekam. Er war seither ziemlich… gestört. Daneben. Verkorkst. Geistig umnachtet. All so was. Ihr wisst schon. Als der Dunmers ich aber zum wiederholten Male vorstellte, es hätte ihn erwischt – und das hätte sehr gut sein können – und er hätte in diesen verdreckten Tunneln gesessen und Ratten gefressen, kam er zu dem Schluss, dass Dravens Reaktion nachvollziehbar war.
Damals, in der Vampirburg, hatte Draven nur eine einzige Möglichkeit gesehen, also, mal davon abgesehen, Malukhat sterben zu lassen. Keiner hätte geglaubt, dass er zu so was fähig war, nicht mal der Erzmagier selbst. Warum auch? Er selbst hätte es nicht getan und den anderen seinem Schicksal überlassen. Man möchte meinen, ein telvannischer Erzmagister sähe das noch eine Spur egoistischer, aber so war es nicht. Draven war nie ein richtiger Telvanni gewesen, da hätte Malukhat sich in dem Amt nur so vom Wesen her besser gemacht. Und genauso hatten sie auch gehandelt – während Malukhat keine Möglichkeit gehabt hatte, aus der Todesfalle zu entkommen, hatte Draven seine Fluchtmöglichkeit aufgegeben, war ihm zu Hilfe geeilt und… aber das war Geschichte. Sie waren quitt. Draven hatte ihm das Leben gerettet, er hatte Draven das untote Leben gerettet. Ende der Diskussion. Wenn der Mann nur endlich wieder anfangen würde, ein kleines bisschen normaler zu sein!
Der Erzmagier ging zu seinem Schrank und bedachte seine Kleiderauswahl mit einem forschenden Blick. Da war einmal seine lilafarbene Erzmagierrobe mit den goldenen Verzierungen und der fetten Kette, und dann noch seine persönliche schwarzrote Tunika mit dem Zeichen der Magiergilde auf der Brust. Beides war nicht geeignet, um zu tun, was er tun wollte. Fräulein Kiara würde er schon einschärfen, dass sie nicht preiszugeben hatte, dass er der Erzmagier Vvardenfells war. Alles andere wäre total kontraproduktiv. Was sollte er denn auch auf die Frage antworten, was er denn bitte mit einem solchen Auftrag wolle? „Ich bin Erzmagier, aber ich brauche das Geld.“? Oder vielleicht gleich: „Ach, wisst Ihr, ich habe da so eine untote Braut und weil unsere Beziehung in Morrowind nicht geduldet wird, will ich das Einkommen aus dieser Mission nutzen, um mit ihr nach Akavir durchzubrennen.“? Er schüttelte nachdrücklich den Kopf und somit die Gedanken ab. Er war nicht so der große Planer und ließ die Dinge lieber auf ihn zukommen. Oh, das würde richtig lustig werden, ganz sicher. Er jedenfalls würde aus seine – trockene! – daedrische Rüstung nicht verzichten.
Der Erzmagier frühstückte ausgiebig, bevor er sich auf den Weg machte. In jenen zwei Stunden seiner Suche erkannte er genau zwei Dinge: Erstens war die Kaiserstadt groß und zweitens waren Bettler nicht ganz so vertrauenswürdig, wie er es sich gedacht hatte. War eh armselig, in Morrowind gab es nicht einen einzigen Bettler, irgendwas hatten alle zu tun, irgendein Dach hatte jeder über dem Kopf – ob es nun das Dach eines Bürgerlichen, Reichen oder Sklaven war, spielte dabei keine Rolle. Die Bettler hier aber hoben ihm die dreckigen Hände entgegen und erwarteten auch noch Geld für so eine winzige Information. Nachdem er an mehrere verschiedenen Türen geklopft und Leute unterschiedlichster Rasse belästigt hatte, entschied er sich doch, mal eine der Wachen zu fragen, die ihn prompt an einen Zettel verwies, der überall in der Kaiserstadt aufgehängt worden war. Fassungslos starrte der Erzmagier auf das Stück Papier, dann riss er es ab, zerknüllte es und schwor sich, dass er dem ersten Bettler, der ihm auf dem Weg zur angegebenen Adresse begegnete, jenen Zettel in den Rachen stopfen würde. Die Bettler schienen das irgendwie zu spüren und hielten sich demonstrativ, aber wahrscheinlich nicht ohne einen Hauch von Schadenfreude, von ihm fern, bis er den Ort seiner Begierde erreicht hatte.
Vor dem Haus standen ganze drei Personen, und sie alle weckten die unterschiedlichsten Gefühle in ihm. Seine dunmerische Landsschwester entlockte ihm ein breites Lächeln, doch schaffte er es nicht, dieses auch weniger linkisch als eher freundlich aussehen zu lassen. Dann war da noch ein Bretone, dessen Augenbrauen sich über der Nase zu vereinigen suchten, als Malukhat sich näherte. Sein strenger Blick, das kurz geschorene Haar, und nicht zuletzt der interessante Mix kaiserlicher und orkischer Rüstungsteile ließen ihn wie einen eingerosteten Türsteher aus der Zweiten Ära erscheinen. Der Kaiserliche am Kopf der Versammlung machte einen selbstzufriedenen und gönnerhaften Eindruck, und dem Erzmagier war sofort klar, dass dies der Auftraggeber sein musste. Ohne ein Wort zu sagen gesellte er sich zu den dreien und verschränkte die Arme vor der Brust.
Der Kaiserliche brach das Schweigen als erster. „Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?“
„Ihr seid Arcturius Octavo.“
„Ja.“
„Und Ihr wollt, dass ich Euch ein Ayleiden-Artefakt besorge.“ Malukhat bemerkte, dass die Dunmer und der Bretone ihm einen Blick zuwarfen, der ganz genau klarstellte, wer zuerst hier gewesen war.
„Eigentlich möchte ich, dass eine Gruppe Abenteurer diese Aufgabe übernimmt, und nicht nur einer“, erklärte Octavo bestimmt.
Malukhat zuckte mit den Schultern. „Ich halte nicht viel von Gruppendynamik.“
„Das habt Ihr wohl kaum zu entscheiden“, mischte sich der Bretone ein.
Malukhat zuckte abermals mit den Schultern, dann warf er einen Blick in den Himmel und pfiff ein fröhliches Lied.
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