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General
Cyrodiil, Ringstraße um die Kaiserstadt
Aurel schritt aufgeregt neben Kiara her. Sie mussten sich beeilen, wenn sie Malukhat retten und Aurel somit hoffentlich von dem Fluch erlösen wollten. Gut, dass die Bosmer an die Schaufel gedacht hatte. Er hatte in der Eile gar nicht daran gedacht, dass es etwas mühselig sein könnte, den Erzmagier mit bloßen Händen, wieder einmal unter Zuhilfenahme des Helmes, auszugraben.
Der Himmel färbte sich bereits rötlich, und Aurel hoffte, dass sie den Schrein von Clavicus Vile noch bei Helligkeit erreichen würden. Er blickte in Richtung der tiefstehenden Sonne...
... und diese war von Rauchschwaden verdunkelt. Feuer brannten überall auf dem Schlachtfeld um ihn herum, wo die Geschosse der Katapulte aufgeschlagen waren. Schreie erfüllten die Luft, die Schreie von sterbenden Männern und Frauen, das Kampfgeschrei der aufeinander zustürmenden Heere, die Befehle von Offizieren und Befehlshabern. Und das ohrenbetäubende Klirren von Waffen und Rüstungen, wo die Formationen der Truppen aufeinander trafen.
Aurel ritt an der Spitze seiner Reiterei, die sich in Keilformation durch die Reihen der Feinde bewegte wie ein Dolch durch Fleisch auf dem Weg zum Herzen. Zum Herzen der feindlichen Truppen, wo der gegnerische Feldherr sich zu verbergen versuchte.
Aurels Helm wurde durch einen Stoß von seinem Kopf gefegt, aber es störte ihn nicht. Unaufhaltsam näherte er sich mit seinen Reitern dem Zentrum des feindlichen Heeres. Nichts konnte sie aufhalten... nichts konnte ihn aufhalten. Wie die Sense des Bauern das Korn mähten Aurel und seine Truppen den Feind nieder. Aurel lachte. Das war der Tag, auf den er gewartet hatte. Der Tag des absoluten Triumphes. Sein Tag!
Er schaute nach links und rechts, wo seine Bannerträger neben ihm ritten. Die Banner flatterten knatternd. Er würde sie auf dem höchsten Turm der Stadt des Feindes anbringen lassen, auf dass sie ganz Tamriel seinen Sieg zeigen würden. Der schwarze Totenkopf und die Krone auf rotem Grund... die Symbole des siegreichen Feldherren, nein, des neuen Kaisers!
Hinter sich hörte Aurel das Lachen Kiaras. Sie war bei ihm, schnitt sich ebenfalls den Weg durch den Feind, half, den Truppen den Weg zu ebnen und den Keil in den Gegner zu treiben. Seine Kiara... seine Kaiserin!
Aber da war schlagartig ein anderes Gefühl, das sich in Aurel ausbreiten wollte. Da war etwas, was ihm zuflüsterte, dass etwas falsch war. Dass er etwas anderes tun sollte, statt hier auf dem Schlachtfeld zu sein. Etwas... woanders...
Und dann geschah das Unerwartete. Ein Reiter erschien wie aus dem Nichts aus den Reihen des Gegners. Er schien regelrecht über die Köpfe des Feindes hinwegzufliegen, Aurel und Kiara an der Spitze ihres Heeres entgegen. Und Aurel erkannte, dass nicht er das Ziel des Reiters war. Er flog auf Kiara zu.
Aurel wollte ihn aufhalten, und ein Schrei entfuhr seiner Kehle, fast unmenschlich klingend aus purer Verzweiflung, denn er merkte, dass er den Reiter nicht erreichen konnte. Er riss sein Pferd herum, stieß mit aller Kraft mit seiner Lanze in Richtung des Berittenen... und sah Kiara unter dem Hieb des Feindes fallen.
Wieder erklang sein unmenschlicher Schrei, und das Schlachtfeld war plötzlich wie leergefegt. Aurel kniete inmitten von Toten und hatte seine Kiara im Arm. Er wollte schreien, aber kein Wort verließ seinen Mund, er wollte weinen, aber die Tränen wollten nicht fließen. Da war nur der Schmerz in seinem Herzen, als wenn es mit einer glühenden Schneide durchbohrt worden sei.
„So muss es nicht sein!“
Aurel blickte überrascht in die Richtung, aus der dieser Satz erklungen war.
Eine Frau stand da vor ihm und schaute auf ihn herab. Nein, keine Frau, eine Göttin.
Sie trug einen schimmernden Schuppenpanzer, und ein Helm mit Adlerflügeln bedeckte ihr goldenes Haar. Die Gestalt strahlte ein Licht aus, das nicht nur durch die Reflektion der letzten Sonnenstrahlen an ihrer Rüstung entstehen konnte, das Leuchten kam aus der Frau selbst. Sie lächelte ihn an, und dieses Lächeln strahlte eine Wärme aus, wie sie kein lebendes Wesen verbreiten konnte.
Sie wiederholte den Satz.
„So muss es nicht sein!“
Und fügte nach kurzer Pause hinzu:
„Mein Aurel, höre nicht auf das Finstere in dir. Das bist nicht du. Du weißt, wer diese Finsternis in dir verursacht.“
Aurel traf wie ein Schlag die Erkenntnis. Er starrte die Erscheinung an, und über seine Lippen kam nur ein einziges Wort:
„Ravanna!“
Die Frau lächelte ihn noch wärmer an.
„Du hast deine neue Ravanna längst gefunden. Nein, deine Kiara! Lasse es nicht so geschehen. Du weißt, was du tun musst... So muss es nicht sein.“
Und mit der erneuten Wiederholung ihres ersten Satzes verschwand die Erscheinung,
so schnell, wie sie aufgetaucht war.
„So muss es nicht sein.“
Aurel murmelte diese Worte vor sich hin... und sah in das leblose Gesicht Kiaras, die vor ihm auf dem Boden der Ringstraße um die Kaiserstadt lag. Sein Schild lag neben ihr, und er realisierte, dass er die Schaufel wie ein Lanze hielt.
Bei Talos! Er hatte in seinem Wahn Kiara niedergestreckt.
Voller Sorge kniete sich Aurel nieder und streichelte über Kiaras Stirn und Wangen. Die Haut war warm, und Aurel sah, dass die Bosmer atmete. Sie war nur ohnmächtig, und er konnte keine ernsthaften Verletzungen feststellen. Er trug sie abseits des Weges und bettete ihren Körper in das weiche Gras. Schnell zog er seinen Helm aus, rannte zum Ufer des Rumare-Sees, schöpfte mit dem Kopfschutz Wasser und beförderte es, so schnell es hing, ohne es zu verschütten, zu Kiara.
Aurel riss ein Stück seines Hemdärmels ab, tunkte das Tuch in das Wasser und begann, sanft Kiaras Stirn zu kühlen.
„Nein Ravanna, das muss nicht so sein. Und es wird nicht so sein!“
Eine Entschlossenheit, wie er sie noch nie erlebt hatte, überkam Aurel. Er würde Malukhat retten, und er würde mit seiner Hilfe den Fluch brechen.
„Es wird nicht so sein!“, sagte Aurel noch einmal und wartete darauf, dass Kiara wieder zu sich kam.
...
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