Aurel musterte nachdenklich das Gesicht des ihm gegenübersitzenden Kaiserlichen. Nach all den Jahren in der Legion war ihm nie der Gedanke gekommen, dass man, wenn auch für Gold, Seite an Seite kämpfen könnte, ohne dabei Kameradschaft zu empfinden. Die Kameradschaft war in seinen Augen unerlässlich für das erfolgreiche Bestehen eines Kampfes, so dass ihn das Angebot seines Gegenübers doch ein wenig fassungslos machte, und er sich überlegte, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, die Legion zu verlassen, um sein Glück im Kaiserreich zu suchen.
Arcturius Octavo, sein potentieller Auftraggeber, lächelte ihn an.
„Ja, alter Soldat, Du hast richtig gehört. Ich möchte nicht, dass Du für mich das Artefakt besorgst, ich möchte, dass Du auf diejenigen aufpasst, die es besorgen sollen. Und Dein verdutztes Gesicht zeigt mir, dass es weise war, nach einem arbeitswilligen Ex-Soldaten suchen zu lassen, um diese Aufgabe zu übernehmen. Ihr denkt fast alle gleich, macht wohl die lange Dienstzeit bei den Stahlköpfen, Verzeihung, Legionären.“ Der Kaiserliche schaute Aurel beim letzten Satz breit grinsend an.
Aurel seufzte innerlich, er hatte wohl doch noch viel zu lernen, und der Mann hatte vielleicht nicht unrecht, denn die Legion ermöglichte nicht gerade ein Leben, das einen zum Menschenkenner machte. Die Kameraden, die ehrenhaften Feinde, die Verbrecher, die Wirte und die ••••n. Viel mehr lernte man nicht kennen als Soldat.
Er erwiderte den Blick des Kaiserlichen und grinste zurück.
„Mag sein, Herr Octavo, aber dennoch werden die Stahlköpfe, wie Ihr uns so nett bezeichnet habt, immer wieder benötigt. Denn den anderen Helfern, die Ihr benötigt, scheint Ihr wohl nicht trauen zu können.“
Aurels Gesicht wurde wieder ernst.
„Also, einverstanden, ich übernehme die Arbeit. Ich habe zwar eine kleine Abfindung bei meinem Austritt aus der Legion erhalten, aber ich benötige mehr Gold, und außerdem will ich mir hier einen Namen machen.“
Auf Arcturius Octavo’s Gesicht zeigte sich nun ein zufriedenes Lächeln, und er erhob sich, um Aurel die Hand zu reichen.
„Abgemacht, und Du wirst es nicht bereuen, in meine Dienste getreten zu sein. Deine Sachen kannst Du oben im Gesindequartier verstauen, wo Du eine kleine Schlafkammer erhalten wirst. Und nun lass uns zu Bett gehen, denn ich erwarte morgen Früh die ersten Bewerber betreffs meiner kleinen Schatzsuche. Gold wirkt so anziehend...“
Die beiden Männer tranken den schweren cyrodiilischen Branntwein in ihren Bechern aus und erhoben sich, was für den bereitstehenden Diener das Zeichen war, Aurel in die Bedienstetenquartiere zu seiner kleinen Kammer zu führen.

Oben angekommen und endlich alleine stellte Aurel erleichtert seinen Marschtornister, den Schutzschild, sowie Bogen und Köcher in der Kammer ab, schnallte sein Schwert vom Gürtel und entledigte sich aufseufzend der schweren Rüstung, die er den ganzen Tag nicht hatte ausziehen können. Ein einfacher Eisenhelm, sein alter Legionsharnisch, den er, der Rangabzeichen entledigt, hatte behalten dürfen und seine restlichen Rüstungsteile, welche mitsamt Schild orkischer Herkunft waren. Er liebte diese Kombination, gewährte sie beim Schwertkampf doch guten Schutz und garantierte beim Bogenschießen dank der beweglichen Panzerschuppen und –ringe der orkischen Komponenten ausreichende Bewegungsfreiheit.
Während er sich bettfertig machte, dachte Aurel über seinen ersten Tag in der Kaiserstadt nach. Der erste Eindruck war überwältigend gewesen. Hier war alles so anders, so groß. Staunend hatte er den Weißgoldturm angestarrt, den er nur aus Erzählungen seiner Kameraden und der Leute im Dorf während seiner Kindheit gekannt hatte. Schon vom Hafen aus, wo Aurel am frühen Morgen als Passagier einer den Silverfish River und den Niben befahrenden Handelskogge angekommen war, war das imposante Bauwerk einfach nur überwältigend in seiner Größe und Pracht, aber in der eigentlichen Stadt angekommen, hatte er einfach nur wie ein kleines Kind staunend den Turm anschauen können, bis ihn nach einer Viertelstunde ein Bettler aus seinen Gedanken gerissen und zurück in die Realität geholt hatte.
Aurel hatte sonst noch nicht viel von der Stadt gesehen. Er hatte sich ein bisschen im Marktviertel umgesehen, wo er in einer kleinen Taverne ein bescheidenes aber gutes Mittagsmahl genossen hatte, und war beim Durchforsten der Aushänge im Marktbezirk sofort auf die Anzeige seines neuen Dienstherren aufmerksam geworden, den er danach umgehend aufsuchte. Dank einiger hilfreicher Stadtwachen fand er, nachdem er sich beinahe verlaufen hatte, Arcturius Octavo’s Haus, wo er erst einmal lange warten musste, bis er vorgelassen wurde, um mit dem Kaiserlichen sprechen zu dürfen.
Tja, und nun erwartete ihn sein erstes Abenteuer in Cyrodiil, und er war begierig darauf, die Stadt und das Land kennen zu lernen.
Nachdem er seine Ausrüstung verstaut und sich umgezogen hatte, legte sich Aurel in das Bett, löschte die Kerze auf dem kleinen Nachttisch und schloss müde die Augen.
Welch ein Luxus hier in Cyrodiil, selbst das Bettzeug der Bediensteten ist mit Federn gestopft, war sein letzter Gedanke, bevor er in einen erholsamen Schlaf fiel.