Ich werde erstmal nur hierauf eingehen. Scheint mir doch der entscheidene Punkt zu sein, wo sich die unterschiedlichen Sichtweisen darstellen.
Ja, es ist so, dass da G3 scheinbar weniger zu bieten hat, als die Vorgänger. Ich schreibe scheinbar, aber dazu gleich mehr.
Die Welt ist der Schlüssel, denn diese bietet dir an allen Ecken und Kanten an, die Geschichte von der Gothicwelt zu verstehen. Es sind die NPCs, die die Landstriche bevölkern, aber auch wie die Ortschaften und Landschaften zusammenstehen. Die Wendungen sind im Handeln der Völker versteckt.
War es für dich nicht eine überraschend, dass die Orks von Myrtana ein Volk sind, die eine gewisse Erhabenheit ausstrahlen. Wenn Du dir die Rebellen betrachtest, konntest Du da immer bedingungslos ihren Aufträgen folgen? Was ist mit den Assassinen, die erstmal als böse darstehen? Wenn Du in ihren Städten und Dörfern bist, findest Du nicht genügend Begründungen, warum ihr Handeln gerechtfertigt und nicht böse ist?
Das meine ich mit Aufsaugen! Du darfst eine Welt betrachten, die vom fernen schwarz weiß aussieht, wenn Du aber näher rankommst, erkennst Du eine Welt in der es kein schwarz weiß gibt. Grau ist allgegenwärtig in allen Facetten zeigen dir die NPCs, das jede Fraktion ihr Handeln und Tun als gerecht erklären könn(t)en.
Die Stränge, die abzulaufen sind, sind nur Leuchttürme, damit Du dich nicht verirrst. Alles andere bleibt dir und deiner Phantasie überlassen, sich der Dinge anzunehmen.
Du sagst, dass Du aus den Dialogen mit den NPCs nichts ziehen kannst, außer den Auftrag selbst.
Ich möchte von dir wissen, wie Du die jeweiligen Fraktionen aufgenommen hast? Was weißt Du über ihr handeln? Was weißt Du darüber, wie sie die Welt wahrnehmen. Eines der faszinierendensten Dinge in G3 war für mich, dass sie wirklich wie eigene Völker rüberkommen. Nicht, weil sie gute Stimmen hatten, sondern weil ihre Aussagen geprägt von ihrem Stamm sind.
Es ist kein leeres Buch. Das Buch ist voll von Begründungen, warum denn das eigene Volk die richtige Lebensweise hat und sich die anderen irren. Ich denke, Du suchst die große Geschichte in der Aufgabe selbst. Das habe ich nicht getan.
Ok, zu anfang schon, weil ich nicht wusste, wohin die Reise geht.
Sehr schnell, glaube es war als ich in Kap Dun angekommen war, fand ich wesentlich interessanter, rauszufinden, wie die jeweiligen Daseinsberechtigungen sind.
Die "epische Geschichte" verblasst da völlig im Hintergrund. Sie ist nur für den Wettlauf wichtig, aber nicht für den Rest.
Du müsstest mir in deinem 50 Stundentest sicher sagen können, warum welche Fraktion vor einer anderen Fraktion Angst hat. Wie sie sich selbst sehen. Welchen Kodex sie verfolgen. Warum sie dennoch mit bestimmten Fraktionen zusammenarbeiten und welchen eigentlichen Ziele sie verfolgen. Das auch noch abhängig von den jeweiligen Rängen in den Fraktionen.
Klar einige Dinge sind da Kaffeesatzleserei, wie man denn manche Aussagen aufgefasst hat. Erinnere mich an eine sehr spannende Diskussion im WoG über die politische Stellung der Orks zu den Assassinen.
Ich weiß nicht, wie ich es sonst sagen soll, aber die ganze Zeit beim Spielen habe ich über sowas nachgedacht. In Gothic gibt es keine Geschichten, die auf dem Silbertablett geliefert werden. Du selbst lieferst die Geschichte.
Könnte man natürlich sagen, ok, dann schaffe ich eine leere Welt und der Spieler lässt die komplette Geschichte seiner Phantasie entspringen. Dem möchte ich entgegenhalten, dass wenn die jeweiligen Fraktionen nicht so ausgeprägt dargestellt sein würden, wäre mir ein solches Auffassen der Gothicwelt ganz sicher nicht in den Sinn gekommen.
Um ehrlich zu sein: So in der Form habe ich das noch bei keinem anderen Spiel erlebt.
Am ehesten vielleicht noch bei BG2. Aber auch da nicht wirklich, weil auch die Lebendigkeit fehlt.
Gothic 3 lebt, das ist es wohl, was es für mich zum absoluten Spitzenspiel macht. Das schönste dabei ist für mich, dass ich sehr wohl weiß, was diese Welt noch für ein Potential hat.