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Thema: Der höchst offizielle Lyrik-Thread (kein eigener Kram!)

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Das ist ja schon alt. Egal.
    Eines meiner absoluten Lieblingsgedichte:

    Paul Celan - Du liegst

    DU LIEGST im großen Gelausche,
    umbuscht, umflockt.
    Geh du zur Spree, geh zur Havel,
    geh zu den Fleischerhaken,
    zu den roten Äppelstaken
    aus Schweden -
    Es kommt der Tisch mit den Gaben,
    er biegt um ein Eden -
    Der Mann ward zum Sieb, die Frau
    mußte schwimmen, die Sau,
    für sich, für keinen, für jeden -
    Der Landwehrkanal wird nicht rauschen.
    Nichts
    stockt.


    Treibt mir fast Tränen in die Augen. Verzweifelter lässt sich Lyrik kaum formulieren:

    Friedrich Hölderlin - Hälfte des Lebens

    Mit gelben Birnen hänget
    Und voll mit wilden Rosen
    Das Land in den See,
    Ihr holden Schwäne,
    Und trunken von Küssen
    Tunkt ihr das Haupt
    Ins heilignüchterne Wasser.

    Weh mir, wo nehm' ich, wenn
    Es Winter ist, die Blumen, und wo
    Den Sonnenschein,
    Und Schatten der Erde?
    Die Mauern stehn
    Sprachlos und kalt, im Winde
    Klirren die Fahnen.


    Das hier ist dem Vorigen eigentlich recht ähnlich, sowohl vom Aufbau als auch von der Thematik her (nur wohl nicht ganz so biografisch angehaucht). Ich steh drauf.

    Georg Trakl - Verfall

    Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
    Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
    Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
    Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

    Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
    Träum ich nach ihren helleren Geschicken
    Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
    So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

    Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
    Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
    Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

    Indes wie blasser Kinder Todesreigen
    Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
    Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.


    Zuletzt noch zwei moderne Sachen:

    Charles Bukowski - To the whore who took my poems

    some say we should keep personal remorse from the
    poem,
    stay abstract, and there is some reason in this,
    but jezus;
    twelve poems gone and I don't keep carbons and you have
    my
    paintings too, my best ones; it's stifling:
    are you trying to crush me out like the rest of them?
    why didn't you take my money? they usually do
    from the sleeping drunken pants sick in the corner.
    next time take my left arm or a fifty
    but not my poems;
    I'm not Shakespeare
    but sometime simply
    there won't be any more, abstract or otherwise;
    there'll always be money and whores and drunkards
    down to the last bomb,
    but as God said,
    crossing his legs,
    I see where I have made plenty of poets
    but not so very much
    poetry.


    Charles Bukowski - Finish

    We are like roses that have never bothered to
    bloom when we should have bloomed and
    it is as if
    the sun has become disgusted with
    waiting.

  2. #2
    Jack Kerouac from Mexico City Blues
    211th Chorus


    The wheel of the quivering meat conception
    Turns in the void expelling human beings,
    Pigs, turtles, frogs, insects, nits
    Mice, lice, lizards, rats, roan
    Racinghorses, poxy bucolic pigtics,
    Horrible unnameable lice of vultures
    Murderous attacking dog-armies
    Of Africa, Rhinos roaming in the jungle,

    Vast boars and huge gigantic bull
    Elephants, rams, eagles, condors,
    Pones and Porcupines and Pills –
    All the endless conception of living beings
    Gnashing everywhere in Consciousness
    Throughout the ten directions of space
    Occupying all the quarters in & out,
    From supermicroscopic no-bug
    To huge Galaxy Lightyear Bowell
    Illuminating the sky of one Mind –
    Poor! I wish I was free
    Of that slaving meat wheel

    And safe in heaven dead

  3. #3
    Einer meiner Lieblinge, wenn auch recht "klassisch" :
    Ginkgo Biloba - Goethe 1819 (1815)
    Dieses Baumes Blatt, das von Osten
    Meinem Garten anvertraut,
    Giebt geheimen Sinn zu kosten,
    Wie's den Wissenden erbaut.

    Ist es ein lebendig Wesen,
    Das sich in sich selbst getrennt?
    Sind es zwei, die sich erlesen,
    Dass man sie als Eines kennt?

    Solche Frage zu erwidern,
    Fand ich wohl den rechten Sinn,
    Fühlst du nicht an meinen Liedern,
    Dass ich Eins und doppelt bin?


    Möwenlied - Morgenstern
    Die Möwen sehen alle aus,
    als ob sie Emma hießen.
    Sie tragen einen weißen Flaus
    und sind mit Schrot zu schießen.

    Ich schieße keine Möwe tot,
    Ich laß sie lieber leben -
    und füttre sie mit Roggenbrot
    und rötlichen Zibeben.

    O Mensch, du wirst nie nebenbei
    der Möwe Flug erreichen.
    Wofern du Emma heißest, sei
    zufrieden, ihr zu gleichen.


    Weltende - Else Lasker-Schüler
    Es ist ein Weinen in der Welt,
    Als ob der liebe Gott gestorben wär,
    Und der bleierne Schatten, der niederfällt,
    Lastet grabesschwer.

    Komm, wir wollen uns näher verbergen…
    Das Leben liegt in aller Herzen
    Wie in Särgen.

    Du! wir wollen uns tief küssen -
    Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
    An der wir sterben müssen.


    Tiger - Alfred Wolfenstein

    Die große Sonne scheint in seine Zelle
    Und zieht auf seinem bunt gestreiften Felle
    noch andre Striche: schwarzer Stäbe Schatten.

    Er blinzt hinauf mit wütendem Verlangen:
    Das Licht durchbricht doch die zerbißnen Stangen!
    Es legt sich innen zu ihm auf die Matten!

    Kann sich die Sonne nicht mit ihm zusammen
    Aufs Gitter werfen? Schmelzen heiße Flammen
    Aus ihrer beider Rachen nicht die Platten?

    Die Sonne ist nicht heiß, wie er sie kannte,
    Als sie im fernen freien Himmel brannte-
    Auch sie gefangen, malt hier Kerkerschatten.


    Städter - Alfred Wolfenstein
    Dicht wie die Löcher eines Siebes stehn
    Fenster beieinander, drängend fassen
    Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
    Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

    Ineinander dicht hineingehakt
    Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
    Leute, ihre nahen Blicke baden
    Ineinander, ohne Scheu befragt.

    Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
    Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
    Unser Flüstern, Denken ... wird Gegröle ...

    - Und wie still in dick verschlossner Höhle
    Ganz ungerührt und ungeschaut
    Steht ein jeder fern und fühlt: alleine


    Der römische Brunnen - Conrad Ferdinand Meyer
    Auf steigt der Strahl, und fallend gießt
    Er voll der Marmorschale Rund,
    Die, sich verschleiernd, überfließt
    In einer zweiten Schale Grund;

    Die zweite gibt, sie wird zu reich,
    Der dritten wallend ihre Flut,
    Und jede nimmt und gibt zugleich
    Und strömt und ruht."


    Sonst mag ich Poe, speziell "The Raven" und "The Bell", auch gern, aber die wurden ja schon genannt.

  4. #4
    Ich mag genau in diesem Moment Hanna Leybrand sehr.

    Liebeskasuistik

    Wie Liebster kommst du
    nur darauf du könntest
    häßlich sein
    ist doch das Gegenteil
    der Fall da ich
    dich liebe

    Wie denn kannst du
    da du geliebt wirst
    häßlich sein
    wie Liebster könntest
    häßlich du
    mir so gefallen


    Nicht sicher

    Es ist nicht sicher Bruder
    daß wir uns finden
    die wir uns suchen
    daß wir uns sehen
    wenn wir uns begegnen
    daß wir uns erkennen
    wenn wir uns lieben
    daß wir uns wiedererkennen
    anderntags


    Der mit mir spielte

    Der mit mir spielte
    krönte mich mit
    einer Zackenkrone
    aus Papier
    der baute mir
    auf Kugellagern
    eine Staatskarosse
    bettete auf
    Buntlaub mich
    und frisches Heu
    im Schloß
    aus Kistenbrettern
    der schmückte mich
    mit lila Phlox
    im Kinderland
    als seine Königin

    Was nur
    erfände der
    der heute
    mit mir spielte

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