Ich bin so einer, der sich nich festlegen kann. Das meiste davon lässt sich wunderbar singen, das chinesische ist sogar eigentlich ein Liedtext, dafür aber nicht weniger poetisch als ein Gedicht. Ich habe mir erlaubt, hier und da meine Eigenübersetzungen hinzuzufügen.
Ein vuhs zuo einem rappen sprach ...
Ein vuhs zuo einem rappen sprach
der hôch ûf einem boume saz
und truoc ein kæse in sînem snabel
her rappe, ir sint gar kluoc.
Sô schœnen vogel ich nie gesach,
nie lerche noch galander baz
gesang dan ir sus ich niht zabel,
ich hôrte es gerne gnouc.
Der rappe dur den valschen prîs
mit lûter stimme im sînen sanc erbôrte.
des viel der kæse im underz rîs
in krift der vuhs, den sanc er gerne hôrte.
Sus gent guot tœrscher herren vil
dur valschez lop, dur smeichen liegen triegen
wol fougt den affen tôren spil,
ez gent die narren gerne ir guot den giegen.
~der Kanzler, um 1300
Ein Fuchs zu einem Raben sprach,
Der hoch auf einem Baume saß
Und in seinem Schnabel einen Käse trug:
Herr Rabe, was Ihr seid gar klug.
Einen so schönen Vogel ich nie sah,
Weder Lerche noch Nachtigalle gar
Besser singen als Ihr da,
So zweifle ich nicht
Gern hörte ich genug davon fürbar.
Der Rabe, durch den falschen Preis,
Mit lauter Stimme seinen Sang emporte.
So fiel der Käse hinunter in den Reis,
Ihn griff der Fuchs; den Sang er gerne hörte.
So geht es wohl töricht Herren viel,
Durch falsches Lob, durch Schmeichelei und Lug, Intrigen
So geht es auch dem Toren, der mit dem Affen spielt,
Es geben die Narren gern ihr Gut den Gier'gen.
L'Attente
C’est la vie au ralenti,
c’est le cœur à rebours,
c’est une espérance et demie:
trop et trop peu à son tour.
C’est le train qui s’arrête en plein
chemin sans nulle station
et on entend le grillon
et on contemple en vain
penché à la portière,
d’un vent que l’on sent, agités
les prés fleuris, les prés
que l’arrêt rend imaginaires.
~Rainer Maria Rilke, 1926
Es ist das Leben außer Gange,
Es ist, was das Herz umgekehrt,
Es ist der Hoffnung stetig bange:
Mal gar zu wenig, mal noch mehr.
Es gleicht dem Zug, der hält
In der Prärie Nirgendwo
Und es horcht des Heimchens Liedlein schon
Und es schaut bedächtig alle Welt
Vergeblich, in die Tür gestemmt,
Im duftenden Winde sich wiegen
Die blühenden Wiesen, die Wiesen,
Die der Halt zu wildem Schein verschwämmt.
Demain dès l'Aube
Demain, dès l'aube, à l'heure où blanchit la campagne,
Je partirai. Enfin, où l’on m'attend.
J'irai par la forêt, j'irai par la montagne.
Je ne puis demeurer loin de vous plus longtemps.
Je marcherai les yeux fixés sur mes pensées,
Sans rien voir au dehors, sans entendre aucun bruit,
Seul, inconnu, le dos courbé, les mains croisées,
Triste, et le jour pour moi sera comme la nuit.
Je ne regarderai ni l'or du soir qui tombe,
Ni les voiles au loin descendant vers Harfleur,
Et quand j'arriverai, je mettrai sur vos tombe
Un bouquet de houx vert et de bruyère en fleur.
~Victor Hugo, 1856 (légèrement altéré par Vincent Goffart)
Morgen, ehe der Morgen graut, noch das Land verblasst,
Werde ich gehen. An den Ort, den ich erwählt.
Ich gehe durch Wälder, über Berge, ohne Rast,
Ertrage nicht länger die Ferne, die mich quält.
Ich wandle so weit ich kann, in Gedanken versenkt,
Ohne Wahrnehmung, nichts, das fühlt, nichts, das wacht
Allein, unbekannt, den Rücken gekrümmt, die Arme verschränkt –
In Trauer; an einem Tag für mich wie die Nacht.
Ich sehe weder das Gold das den Abend bettet,
Noch den Schleier, der in der Ferne gen Harfleur taucht,
Und wenn ich ankomme, lege ich auf eure Stätte
Einen grünen Strauß von Stechpalme und Heidekraut.
Veni, Veni, Emmanuel
Veni, Veni Emmanuel!
Captivum solve Israel!
Qui gemit in exsilio,
Privatus Dei Filio.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Veni, O Jesse virgula,
Ex hostis tuos ungula,
De specu tuos tartari
Educ et antro barathri.
Veni, Veni O Oriens!
Solare nos adveniens,
Noctis depelle nebulas,
Dirasque noctis tenebras.
Veni, Clavis Davidica,
Regna reclude caelica,
Fac iter tutum superum,
Et claude vias inferum.
Veni, Veni Adonai!
Qui populo in Sinai
Legem dedisti vertice,
In Majestate gloriae.
Veni, O Sapientia,
Quae hic disponis omnia,
Veni, viam prudentiae
Ut doceas et gloriae.
Veni, Veni, Rex gentium,
veni, Redemptor omnium,
Ut salvas tuos famulos
Peccati sibi conscios.
~ anonym, n.bek.
Oyfn veg shteyt a boym
אױפן װעג שטײט א בױם
Oyfn veg shteyt a boym,
Shteyt er ayngeboygn,
Ale feygl funem boym
Zaynen zikh tsefloygn.
Dray keyn mizrekh, dray keyn mayrev,
Un der resht - keyn dorem,
Un dem boym gelozt aleyn
Hefker far dem shturem.
Zog ikh tsu der mamen: her,
Zolst mir nor nit shtern,
Vel ikh, mame, eyns un tsvey
Bald a foygl vern...
Ikh vel zitsn oyfn boym
Un vel im farvign
Ibern vinter mit a treyst
Mit a sheynem nign.
Zogt di mame: nite, kind...
Un zi veynt mit trern:
Vest kholile oyfn boym
Mir far froyrn vern.
Zog ikh: mame, s'iz a shod
Dayne sheyne oygn
Un eyder vos un eyder ven,
Bin ikh mir a foygl.
Veynt di mame: ltsik, kroyn,
Ze, um gotes viln,
Nem zikh mit a shalikl,
Kenst zikh nokh farkiln.
Di kaloshn tu zikh on,
S'geyt a sharfer vinter
Un di kutshme nem oykh mit;
Vey iz mir un vind mir...
Un dos vinter-laybl nem,
Tu es on, du shovte,
Oyb du vilst nit zayn keyn gast
Tsvishn ale toyte...
Kh'heyb di fligl, s'iz mir shver,
Tsu fil, tsu fil zakhn,
Hot di mame ongeton
Ir feygele, dem shvakhn.
Kuk ikh troyerik mir arayn
In mayn mames oygn,
S'hot ir libshaft nit gelozt
Vern mir a foygl...
Oyfn veg shteyt a boym,
Shteyt her ayngebogen,
Ale feygl funem boym
Zaynen zikh tsefloygn...
~Itzik Manger, n.a.
חופים
חופים הם לפעמים געגועים לנחל
ראיתי פעם חוף שנחל עזבו
עם לב שבור של חול ואבן
והאדם והאדם
הוא לפעמים גם כן יכול
להישאר נטוש ובלי כוחות
ממש כמו חוף
גם הצדפים כמו חופים כמו הרוח
גם הצדפים הם לפעמים געגועים
לבית שתמיד אהבנו
אשר היה ורק הים
שר לבדו שם את שיריו
כך בין צדפי ליבו של האדם
שרים לו נעוריו
Chofim
Chofim hem lif'amim ga'aguim lenachal
Raiti pa'am chof shenachal azavo
Im lev shavour shel chol va'even
Ve-ha'adam, ve-ha'adam
U'lifamim gam ken yakhol
Lehisha'er natush uvli kochot
Mamash k'mo chof
Gam hatzdafim kemo chofim kemo haruach
Gam hatzdafim hem lif'amim ga'aguim
Levahit shetamid ahavnu
Asher haya verak hayam
Shar levado sham et shirav
Kakh bein tzidfei libo shel ha'adam
Sharim lo ne'urav
~Nathan Jonathan, n.a.
Strände
Manchmal sehnen sich die Strände nach den Flüssen.
Einmal sah ich einen Strand, den der Fluss verlassen hatte,
Mit einem gebrochenen Herzen aus Sand und Stein.
Und der Mensch, der Mensch
Kann ebenso enden -
Verlassen und kraftlos
Ganz so wie der Strand.
Auch die Muscheln, wie der Strand und der Wind,
Auch die Muscheln vermissen oft
Die Heimat, die wir stets liebten,
Als sie noch war. Und nur die See
Singt allein ihr Lied.
Und so, zwischen Muscheln, das Herz des Menschen
Singt ihm von seiner Jugend...
沙漠
我睡在你眼睛的沙漠里
想用我所有温存了解你
我潜入你眼睛的深海里
探索那令人好奇的秘密
总要时刻去防备
害怕会变成那缩成一团的刺猬
一不小心就伤悲
害怕会变成那四处躲藏的海龟
其实心有灵犀只是一场误会
别分错与对
谁在寂寞之后不需要安慰
不管谁爱谁
我走在你眼睛的森林里
想用我所有关怀温暖你
我跳入你眼睛的深渊里
寻找那令人向往的身影
总要时刻去防备
害怕会变成那缩成一团的刺猬
一不小心就伤悲
害怕会变成那四处躲藏的海龟
其实心有灵犀只是一场误会
别分错与对
谁在寂寞之后不需要安慰
不管谁爱谁
也许天长地久已经觉得疲累
谁也挽不回
事到终结之后再讨论是非
分不清是谁
是谁
shā mò
wǒ shuì zài nǐ yǎn jing de shā mò lǐ
xiǎng yòng wǒ suǒ yǒu wēn cún liǎo jiě nǐ
wǒ qián rù nǐ yǎn jing de shēn hǎi lǐ
tàn suǒ nà lìng rén hào qí de mì mì
zǒng yào shí kè qù fáng bèi
hài pà huì biàn chéng nà suō chéng de cì wèi
yī bù xiǎo xīn jiù shāng bēi
hài pà huì biàn chéng nà sì chù duǒ cáng de hǎi guī
qí shí xīn yǒu líng xī zhǐ shì yī chǎng wù huì
biè fēn cuò yǔ duì
shéi zài jì mò zhī hòu bù xū yào ān wèi
bù guǎn shéi ài shéi
wǒ zǒu zài nǐ yǎn jing de sēn lín lǐ
xiǎng yòng wǒ suǒ yǒu guān huái wēn nuǎn nǐ
wǒ tiào rù nǐ yǎn jing de shēn yuān lǐ
xún zhǎo nà lìng rén xiàng wǎng de shēn yǐng
zǒng yào shí kè qù fáng bèi
hài pà huì biàn chéng nà suō chéng de cì wèi
yī bù xiǎo xīn jiù shāng bēi
hài pà huì biàn chéng nà sì chù duǒ cáng de hǎi guī
qí shí xīn yǒu líng xī zhǐ shì yī chǎng wù huì
biè fēn cuò yǔ duì
shéi zài jì mò zhī hòu bù xū yào ān wèi
bù guǎn shéi ài shéi
yě xǔ tiān cháng dì jiǔ yǐ jīng jué de pí lèi
shéi yě wǎn bù huí
shì dào zhōng jié zhī hòu zài tǎo lùn shì fēi
fēn bù qīng shì shéi
shì shéi
~Yu Fei Men, vermutl. 2007
Wüste
Ich schlafe inmitten der Wüste deines Auges
Ich wünschte, dich begreifen zu können
Ich versinke inmitten des tiefen Wassers deines Auges
Begierig, jenes Geheimnis zu entdecken
Und doch den Moment zu wahren
Voller Angst [zwischen den Stacheln] des Igels zu versinken
Völlig anteilnahmslos den Schmerz der Wunde[n spüren]
Voller Angst sich überall vor der Schildkröte verkriechen zu müssen
Für das Herz gibt es lediglich den Raum des Missverständnisses, um still zu lieben
Den Unterschied zwischen einem Fehler und dem Beisammensein ausmachen
Der unnützen Trost in der Einsamkeit darauf spendet
Ganz gleich wer wem etwas bedeutet
Ich laufe inmitten des Waldes deines Auges
Ich wünschte, dich wärmen zu können
Ich werfe mich in den Abgrund deines Auges
Um zu machen, dass du dich nach [meiner] Silhouette sehnst
Und doch den Moment zu wahren
Voller Angst [zwischen den Stacheln] des Igels zu versinken
Völlig anteilnahmslos den Schmerz der Wunde[n spüren]
Voller Angst sich überall vor der Schildkröte verkriechen zu müssen
Für das Herz gibt es lediglich den Raum des Missverständnisses, um still zu lieben
Den Unterschied zwischen einem Fehler und dem Beisammensein ausmachen
Der unnützen Trost in der Einsamkeit darauf spendet
Ganz gleich wer wem etwas bedeutet
Vielleicht fühlt man bereits ermüdende Eintönigkeit
Aus der es wiederum kein Zurück gibt
Und man endet erneut im Streit über Richtig und Falsch
Es bleibt unklar, was es ist
was es ist
Im Übrigen hatten wir so einen Thread schonmal, aber den hier find ich legitimer.