OK, nach einer längeren Beschäftigung mit der neuen SR Version kann ich einwandfrei sagen, sie haben die World of Darkness abgekupfert, und das haben sie gut gemacht.


Aber fangen wir vorne an. Für alle, die es noch nicht wissen, die vierte Version spielt um 2070 rum, und in der Zwischenzeit gab es einen Zweiten Matrixcrash. Wo wir bei der ersten storytechnischen Änderung wären, sämtliche Decker sind keine Decker mehr sondern Hacker. Denn Decks und Kabel gehören der Vergangenheit an, die neue Matrix ist ganz im Stil der Zeit kabellos. Der Crash hat auch die Otaku, die Kinder der Matrix, ein klein wenig verändert. Sie heißen jetzt Technomancer, müssen nicht mehr zwanghaft Kinder sein, können "Matrixgeister" (Sprites) programmieren, beschwören (whatever...) und sind längst kein Gerücht mehr, sondern in den Wurzeln verankert und einwandfrei spielbar.

Das neue Grundregelwerk ist eine spielerschafferische Meisterleistung. (Geiles Wort, ich weiß) Neben den üblichen Sachen findet man nun auch endlich Bioware, einige nützliche Drohnen, mehr Cyberware und (WEIß GOTT ENDLICH) auch Idole, also nicht krampfhafte auf Natur getrimmte Totems in den Grundregeln, neben vielen nützlichen Neuerungen.

Mein größtes Problem: 4.0 sieht scheiße aus, aber so richtig. Die Illustrationen sind zwar durchweg gut (endlich Waffenbildchen aus Arsenal 2060), und auch die Archetypen rocken ordentlich, aber das Design an sich ist grauenhaft. Irgendjemand, der was zu sagen hatte, war offensichtlich ein großer Fan der Matrix-Filme, denn das Ganze präsentiert in nervigem Giftgrün, wodurch es überhaupt gar nichtmehr cyberpunkig wirkt, die Kapitelübersichten sind auch hässlich, und vom Cover will ich gar nicht erst reden.

Regeltechnisch ist die vierte Version - simpel gesagt - das White Wolf System (World of Darknes, Exalted) mit winzigen Veränderungen. Der Spieler hat 4 körperliche und 4 geistige Attribute, die zusammen mit einer Fertigkeit (bzw in Ausnahmefällen mit einem anderen Attribut) den Würfelpool ergeben. Dieser stellt die Anzahl an Würfeln dar, die man würfeln darf. Und ab 4.01 ist ab jetzt jede 5 und jede 6 ein Erfolg. Intelligenter Weise sind sie wenigstens nicht auf die 3-Attributschienen-Logik von WoD umgestiegen, denn geistig und sozial in einem ist für Shadowrun doch ganz angebracht.
Wenn man jetzt mal ganz davon weggeht, dass es ein recht dreistes Plagiat ist, funktioniert das System einwandfrei. Die nicht vorhandenen Mindestwürfe machen das Ganze wunderbar einfach, und auch sonst hat man die Regeln an allen Enden und Ecken abgespeckt (auch die Matrix!!!111elf : O ), was nur die wirklich schlimmsten Nerds ärgern dürfte. Alle anderen erfreuen sich daran, dass nicht nur der Spielleiter einen einigermaßen Überblick über Matrix, Riggen und Magie hat. Dafür also Daumen gewaltig hoch.
Die einzige Stelle, wo man in einem Anfall von Kreativität nicht von White Wolf geklaut hat, ist die Charaktererschaffung. Die klappt jetzt ganz mit einem Punktesystem, wie schon im Kompendium der letzten Edition vorgestellt, und lässt damit wesentlich mehr Raum offen. Die Vor- und Nachteile sind ebenfalls in den Grundregeln implementiert.


Schlussendlich kann man sagen, dass 4.0 wirklich gut ist. Der einzige Grund, dass ich nicht augenblicklich umsteige, sind die noch fehlenden Regelwerke. Aber eigentlich sind die gar nichtmehr so notwendig, und Schattenmagie, das einzige, das durch Initation und Geasa wohl wieder so richtig interessant wird, ist bereits auf dem Weg auf den deutschen Markt... Der Rest findet sich wenigstens in Grundzügen schon im Hauptregelwerk.

Also Daumen hoch für White Wolf... und WizKids.