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Thema: Regen

  1. #1

    Regen

    Weiter Himmel. Wolken türmen sich wie riesige Monumente von aus Asche durchdrungener Watte auf, Grau und Schwer. Sie hängen ziemlich tief und ich warte auf den Regen. Direkt über mir ist alles noch blau und eher ereignislos.

    Ich atme ein.

    Gras, voll gesaugt mit dem morgendlichen Tau, der hier selbst im Sommer fällt. Hier ist immer alles irgendwie Nass.
    Eigentlich stand ich nie auf diesen Naturscheiß. Bis ich dann mal wirklich da war. Aber das ist ne andere Geschichte, die hier nichts zu suchen hat. Im Moment geht es um was anderes.

    Im Moment sehe ich zu, wie sich der Regen aufbäumt um die großen grauen Schwämme am Himmel zu verlassen. Der Wind geht jetzt stärker und auf meiner Haut ist ein leichtes Prickeln zu verspüren, ausgelöst von Millionen kleinen Partikeln, die von einer mir unbekannten Kraft durch die Welt geschleudert werden, und das auslösen, was man im allgemeinen „Wind“ nennt. Zu klein fürs Auge, aber spürbar. Die meisten Leute denken, dass ein Wind halt einfach da ist und dass sie ihn spüren, aber das ist nicht wahr. Wind ist ein eigenständiges Wesen, eine art Extelligenz, die irgendwo ausgelöst wird, sich mit anderen zusammenschließt und irgendwann unkontrollierbar durch die Welt zieht, um irgendwas zu tun. Wind trägt alles mit sich, was leicht genug ist, um von ihm mitgenommen zu werden, und das ist es, was wir spüren. Unzählige kleine Dinge, die an uns herangetragen werden, um an unserer Haut abzuprallen und Weiterzuziehen. Manche dieser Dinge sind so klein, das sie durch die Molekularstruktur unseres Körpers dringen und auf der anderen Seite wieder austreten. Sie bemerken uns wahrscheinlich nicht einmal, so schnell geht das. Mal davon abgesehen, dass sie keine Sinne haben, um überhaupt etwas bewusst wahrzunehmen.
    Trotzdem müssen sie irgendeinen Effekt haben. Die äußeren sind klar, wir spüren sie alle, wenn uns ein Luftzug streift. Aber was ist mit den inneren? Wir werden ständig durchdrungen von diesen kleinen Dingern, die so ziellos umherrasen. Einige sind angeblich sogar außerhalb der Zeit und andere tauchen einfach irgendwo aus dem nichts auf und verschwinden wieder. Ich hab diese Wissenschaftlichen Theorien immer als etwas verstanden, was nur im groben mit mir zu tun hat. Ich hab nie daran gedacht, dass sich ein Partikel in meinem inneren Manifestieren könnte, um dann einfach wieder zu verschwinden. Aber wenn ich hier draußen stehe, meine Augen auf die immer näher kommenden Wolken richte und spüre, wie alles mögliche in mir vorgeht, dann weiß ich, das ich niemals von der so genannten Außenwelt abgeschlossen bin.
    Ein Zittern liegt in der Luft. Die Wolken sind fast über mir und ich kann den ersten Tropfen spüren, der wie eine Wasserbombe auf meinem Gesicht aufschlägt, kleine Spritzer über meine Stirn schießen lässt und ein angenehmes Prickeln auslöst, als er sich wieder zu seiner eigenen Form aus Wasser zusammenzieht.

    Ich wische ihn weg, als er durch meine Augenbraue rinnt.

    Ich warte. Ich weiß nicht, worauf. Vermutlich darauf, das irgendetwas geschieht. Oder habe ich bereits aufgehört zu warten? Ich verspüre kein Verlangen, aber auch keinen Verlust. Die meisten Menschen warten auf irgendetwas. Sie sehen die Wolken, und warten auf den Regen. Wenn der Regen kommt, warten sie darauf, dass er wieder aufhört. Wenn er aufhört, warten sie darauf, dass sich die Wolken verziehen, und die Sonne herauskommt. Wenn die Sonne kommt, warten sie auf die Nacht, um sich schlafen legen zu können.

    Der Regen dröhnt über mir, als ich meine Kapuze über meinen Kopf ziehe. Eigentlich schon zu spät, mein Gesicht ist bereits vollkommen nass. Aber die Kapuze hält das Wasser aus meinen Augen, so dass ich weiter beobachten kann. Sehen. Das Licht durchdringt die sich über mir entladenen Wolken kaum noch, und ein leises, unregelmäßiges Dröhnen ist zu hören, als weit über mir kalte auf heiße Luft stößt und Elektrische Ladungen aufeinanderprallen. Das Dröhnen wird zum Donner, und lange violette Blitze zucken durch die Wolken. Ich schließe einen Moment lang die Augen und höre auf die Geräusche, die um mich herum die Welt verschlucken. Ich kann spüren, wie das Wasser meine Schuhe durchdringt, wie meine Hose an meinen Beinen klebt, und wie die Elektrizität jedes Haar auf meiner Haut zum Zittern bringt. Das Wasser steigt und ich kann fühlen wie es sich über mir verdichtet. Einen Moment lang stoppt der Wind und ich öffne meine Augen. Die Welt scheint nicht mehr da zu sein und doch kann ich sie schmecken wenn der Regen meine Lippen trifft und sehen, wenn Blitze grelle Schatten auf den Boden werfen. Jeder einzelne Grashalm scheint dann für sich allein zu stehen. Doch nur einen Augenblick, nichtmal eine Sekunde. Ich schließe meine Lider wieder und breite meine Arme aus. Verstecke mich nicht mehr, ich werd zum Wind, und atme aus.

  2. #2
    GÄHN!

    Keine Handlung, keine Aussage, keine Spannung. Hab die ganze Zeit darauf gewartet, dass irgendetwas passiert, aber da steht einfach nur ein Kerl im Regen rum, der versucht, die Tatsache, dass es regnet, in möglichst viele Worte zu kleiden.

  3. #3
    Aussage würd ich schon sehen, allen voran hier...
    Zitat Zitat
    Die meisten Menschen warten auf irgendetwas. Sie sehen die Wolken, und warten auf den Regen. Wenn der Regen kommt, warten sie darauf, dass er wieder aufhört. Wenn er aufhört, warten sie darauf, dass sich die Wolken verziehen, und die Sonne herauskommt. Wenn die Sonne kommt, warten sie auf die Nacht, um sich schlafen legen zu können.
    ...durch. Sozusagen wieder das alte Taoismusprinzip. xD'' Alles hat seine Richtigkeit, und nichts ist unfair, alles gehört dazu, jede Sekunde, der Kram halt, so versteh ich es jedenfalls. Auch wenn ich mich da anschließen kann (meinem eigenen Verständnis, geil ne?), find ich die Art und Weise, wie dus rübergebracht hast, zu ausschweifend. Ich kann mir zwar denken, welchen Sinn die ganze Wissenschaftlichkeit hat, aber es kommt trotzdem übertrieben. (Und nervt einfach ein wenig )

    Und weil der Schreibstil aber trotzdem schön zu lesen ist und das Ganze höchstwahrscheinlich viel mehr emotional ist, brech ich jegliche Kritik an der Stelle ab. ^^''

  4. #4
    Jetzt weiß ich woher das Zeug in diesen Kalendern... ich denke ihr wisst welche ich meine. Trotzdem gefällt mir das Geschriebene ausgesprochen gut und die von Cipo zitierte Stelle finde ich bemerkenswert professionell formuliert. Man beachte; nicht gut oder schön,sondern professionell. Sehr abgeklärt, wortgewandt und sicher.
    Auch ich habe die Emotionalität entdeckt die darin steckt und will nicht weiter kritisieren, das Ding könnten genauso gut Gedankengänge in einem Tagebuch sein. Natürlich dann in entsprechender Form.
    Finde es mutig von dir so einen "esoterischen" Text hier zu posten. Viele haben ja andere Ansprüche, siehe Liferipper.

  5. #5
    Zitat Zitat von Hänsel Beitrag anzeigen
    Jetzt weiß ich woher das Zeug in diesen Kalendern... ich denke ihr wisst welche ich meine. Trotzdem gefällt mir das Geschriebene ausgesprochen gut und die von Cipo zitierte Stelle finde ich bemerkenswert professionell formuliert. Man beachte; nicht gut oder schön,sondern professionell. Sehr abgeklärt, wortgewandt und sicher.
    Auch ich habe die Emotionalität entdeckt die darin steckt und will nicht weiter kritisieren, das Ding könnten genauso gut Gedankengänge in einem Tagebuch sein. Natürlich dann in entsprechender Form.
    Finde es mutig von dir so einen "esoterischen" Text hier zu posten. Viele haben ja andere Ansprüche, siehe Liferipper.
    gut...ich hab versucht eine gewisse "professionalität" zu wahren, aber trotzdem das emotionale im rest des textes zu bewahren. zu lifripper: ich versteh ihn, auch wenn ich nicht übereinstimme. ist klar, ich hab das geschrieben. ich denke, das eine geschichte nicht zwangsläufig nach gewissen erzählerischen regeln erzählt werden muss. entweder es funktioniert für jemanden, oder es funktioniert nicht.

    Zitat Zitat
    Finde es mutig von dir so einen "esoterischen" Text hier zu posten.
    ich denke nicht, das mut dazu gehört. entweder man steht zu dem, was man fühlt und tut, oder man steht nicht dazu. stilistisch habe ich sicher noch zu lernen, aber ich denke, das ich ziemlich sicher bin, was ich wie herüberbringen will. einiges ist nicht zu verstehen, wenn man die erfahrung nicht selber gemacht hat. aber das ist in ordnung, niemand ist dazu gezwungen, meinen kram zu mögen. wäre ja auch schlimm
    Zitat Zitat
    Auch wenn ich mich da anschließen kann (meinem eigenen Verständnis, geil ne?), find ich die Art und Weise, wie dus rübergebracht hast, zu ausschweifend.
    versteh ich...hab lange überlegt, ob ich ein paar stellen kürzen sollte, ist aber trotzdem nicht zu ändern, nicht in diesem fall ;-) kanns nicht erklären...

  6. #6
    Hi es,

    vorab ein kleines Sorry an alle: Ich würde nur zu gern meinen Senf zu all den neuen Geschichten geben, nur leider sieht das mein Erzfeind T-Online anders. Dafür nutze ich meine knappe Online-Zeit um mir wenigstens alle neuen Geschichten herunterzuladen und zu lesen - immerhin was.

    Zu deiner Geschichte:
    Ich finde sie ebenfalls aufgrund der schon angesprochenen sprachlichen Ästhetik schön und meine auch, dass der Text zwischen den Zeilen eine weitere, interpretative Schicht haben soll - hat er aber leider nur teilweise. Die meisten Stellen sind viel zu konkret beschrieben, um metaphorisch zu wirken. Zudem kann ich kaum einen roten Faden entdecken, bzw. ist der hier sehr dünn. Der Prot weiß anscheinend auch gar nicht genau, worauf er eigentlich hinaus will. Aber wie gesagt, stilistisch sehr lecker

    Grüße aus dem Offline-Land,
    Neo

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