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Abenteurer
3. Sara beobachtete die Waffenübungen der Soldaten mit einem geringschätzigen Blick. Zwar mochten sich die Männer im Moment stark fühlen durch die Klinge und den Schild in ihrer Hand, aber in ein paar Wochen würde eine Priesterin sie durch den Einsatz von ein paar Illusionszaubern mit der Magie bekannt machen.
Nachdem Sara einen letzten Blick auf den großen Übungsplatz geworfen hatte, drehte sie sich vom Sims weg und folgte weiter dem Steingang. Der Krieger Derash hatte seine kämpferische Eignung bereits in mehreren Konflikten mit den Menschen bewiesen und dabei auch erfolgreich deren Magie widerstanden. Allerdings würde das allein bei der ihm bevorstehenden Aufgabe zu wenig sein. Um das Gebiet der Waldelfen zu erreichen, musste er durch die Länder der Menschen reisen. Es zu umgehen wäre ein unnötiger Umweg.
Sara folgte dem durch Fackeln erhellten Gang in stillere Regionen der Kaserne. Manchmal hörte sie aus angrenzenden Räumen, wo Trainingskämpfe ausgetragen wurden, das Klirren von Waffen. Ihr Volk musste immer mehr Ressourcen aufbieten, um den Menschen zu widerstehen. Wenn die Priesterinnen nicht so verschwenderisch mit dem Leben der Kämpfer umgehen würden, wäre das auch gar kein Problem. Aber sie liebten es, ihre Macht zu demonstrieren, wenn sie den Soldaten den Kampf gegen Magie lehrten. Leider starben dabei viele oder wurden verwundet.
Leise murmelnd wob sie ein Netz um sich, welches einem unaufmerksamen Beobachter ihre Anwesenheit verbarg. Derash würde es sicher nicht täuschen, aber das war auch nicht ihre Absicht. Sie wollte wissen, ob er ihre Anwesenheit durch seine normalen, physischen Sinne wahrnahm oder ihre Magie spürte.
Als die Hohepriesterin die Höhle betrat, erwartete Derash sie bereits. Er konnte also auch ohne magieverstärkte Rüstung ihre Gegenwart wahrnehmen. Interessant, denn nicht einmal jede durchschnittliche Adeptin vermochte dies und Derash war nur genauso gut in der Kunst des Zauberns ausgebildet wie alle anderen Kämpfer.
„Mach weiter mit dem, was du getan hattest!" Mit einem kurzen Nicken nahm der Krieger eine wachsame Defensivstellung ein und begann damit, seine Klinge langsam kreisen zu lassen, während er sich geschmeidig, beinahe katzenhaft, durch den ovalen Raum bewegte.
Während er seinen unsichtbaren Gegner umkreiste, beobachtete Derash die Hohepriesterin. Sie war gekleidet wie eine Adeptin, aber sie war keine, das konnte er deutlich an ihrer starken Aura erkennen. Die Frau trug ein unauffälliges, graues Gewand, das nur zeigte, dass sie ziemlich klein war. Ansonsten war alles an ihr anonym, nichts sagend. Die über ihren Kopf gezogene Kapuze wirkte zu groß, wahrscheinlich sollte sie jedes Erkennen unmöglich machen. Derash fragte sich, ob diese hier wusste, dass er ihre Tarnung durchschaut hatte. Auf jeden Fall wollte sie ihn testen, sonst hätte sie nicht diesen stümperhaften Täuschungszauber angewandt.
Die ganze Angelegenheit begann ihn sowieso zu verwirren. Sicher, die gestellte Aufgabe war so klar, wie sie sein konnte, was eigentlich nicht wirklich viel war. Aber er glaubte der Matriarchin, wenn sie sagte, dass sie nicht mehr wisse. Allerdings, fragte er sich, was hatte er mit der Sache zu tun? Sein Shara'dim hatte ihn vom Dienst freigestellt, widerwillig, was darauf hindeutete, dass die Anweisung dazu von der Priesterschaft kam. Und dann das Gespräch, nein der Monolog, bei der Matriarchin.
Derash führte einen raschen Schritt zur Seite durch, um einem Schlag seines imaginären Gegners auszuweichen, drehte sich schnell nach rechts und warf dabei der Hohepriesterin einen raschen Blick zu. Sie schien jede seiner Bewegungen zu verfolgen, aber er hatte das Gefühl, dass sie den Weg seiner Gedanken erkennen wollte. Es gab Gerüchte, dass einige besonders fähige Priesterinnen dazu in der Lage seien. Bei ihm sollte sie allerdings kein Glück haben. Vordergründig stellte er sich einen feindlichen Krieger vor, dessen Bewegungen und dessen Strategie. Eine solche Art des Übungskampfes, neben dem normalen Zweikampf, hatte sich bewährt, denn so trainierte er, die Bewegungen von echten Gegnern zu erahnen. Er sah sozusagen mit den Augen seines Feindes.
Wieder schaute er kurz auf die Frau am Eingang der kleinen Höhle. Die Priesterinnen konnten meistens nur schwer den Drang unterdrücken, die Übungen der Soldaten durch kleine Täuschungen oder andere Zauber zu stören, um so ihre Autorität zu unterstreichen. Er nahm an, dass Hohepriesterinnen solche Zurschaustellungen nicht benötigten, aber andererseits würden sie sich normalerweise auch nicht freiwillig mit Männern als Soldaten abgeben.
„Was ist nun Hohepriesterin, wollt ihr mir noch lange beim Trainieren zusehen oder fangen wir irgendwann mit den mentalen Übungen an?" Ganz kurz nur nahm Derash einen Hauch von Überraschung wahr, der aus ihrer Richtung zu ihm hinübervibrierte. Sie nickte ihm anerkennend zu und antwortete: „Suche mich in den Steingärten auf, wenn der Mond über die östlichen großen Berggipfel steigt. Sei ausgeruht und konzentriert. Lass deine Waffen, deine Rüstung und andere magische Gegenstände in deinem Quartier. Am besten packst du hier deine Sachen zusammen und suchst deine Wohnhöhle auf. Du wirst die Kaserne vor deiner Abreise ins Gebiet der Menschen nicht mehr aufsuchen."
Nach einem langen Blick in Derashs Richtung verließ sie ihn. Er spürte noch, wie sich ihr magisches Netz verstärkte. So würde niemand sie sehen und er konnte ebenfalls sofort aufbrechen, ohne Verdacht zu erregen.
Derash hatte sich von niemandem in der Kaserne verabschiedet. Zwar hatte er Freunde dort, aber er glaubte nicht, dass es gut wäre, wenn jemand erführe, dass er vor hatte zu gehen. Dafür war am Tag seiner Abreise bestimmt noch Zeit. Also hatte er nur seine Sachen zusammengepackt und war auf dem kürzesten Weg nach Hause geeilt.
Zuhause war für ihn, wo er seit 33 Jahren die Nächte verbrachte, wenn er sich nicht in einem der Außenposten befand. Sein Quartier lag in der Nähe der Kaserne. Nah genug, um in kürzester Zeit dorthin zu gelangen, aber nicht so nah, dass er die Ausbilder die angehenden Kämpfer anbrüllen hörte. Das war ein guter Abstand. Viele seiner Kameraden lebten ebenfalls in der Gegend und er hoffte, es würde sich nicht zu schnell herumsprechen, dass er nicht mehr zum Dienst erschien.
Der Krieger verstaute die Waffen neben seinem Bett, gut erreichbar, sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen. Seine Stiefel stellte er am Fußende ab, seine restliche Kleidung behielt er an, ebenso beließ er den vergifteten Dolch an seinem linken Handgelenk.
Derash öffnete den Holzschrank, einen der wenigen Luxusartikel in seinem Heim und seinem Leben, und nahm einen Laib altbackenes Brot sowie ein Stück Schinken heraus. Er legte beides auf den Steintisch gegenüber der Tür und schnitt von jedem eine dicke Scheibe ab. Er setzte sich nicht, während er schnell aß, denn es würde nicht lange dauern, ehe er zu den Steingärten aufbrechen musste und er wollte sich vorher noch etwas ausruhen.
Nachdem er gegessen hatte, legte er das restliche Brot zusammen mit dem Schinken wieder in den Schrank und schloss diesen.
Er schaute sich in seiner kargen Behausung um und konzentrierte sich kurz auf die Luft oberhalb der Kerze am Kopfende seines Bettes. Die Luft wurde an dieser Stelle plötzlich sehr heiß, bis sie sich schließlich entzündete. Ein angenehmer, warmer Duft verbreitete sich im Raum. Derash legte sich so auf sein Lager, dass sein Kopf bei der Kerze lag, und begann damit, seine Gedanken zu beruhigen.
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