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Ritter
The Dark - Das Dunkel 5. und letzter Teil
Das Dunkel.
Es braucht einen Menschen (eine Frau) und saugt dessen Liebe aus. Der betroffene Mensch merkt davon nichts, doch kann er sich nie mehr verlieben. Und wenn es sich genug mit Liebe vollgepumpt hat, braucht es ein Opfer, ein Opfer und dessen Blut um die Prophezeihung wahr werden zu lassen. Wenn sich die Prophezeihung erfüllt, John, hatte der Geist gesagt (John wusste nicht, ob es ein Geist war, doch er interpretierte ihn als solchen), dann erlangst du Unsterblichkeit. Die Welt wird dir gehören.
Das hatte der Geist zu John gesagt, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, als ihm sein Vater (Brad, du dummes Arschloch) das Dunkel geschenkt hatte, als das Dunkel John verändert hatte. John nahm die Veränderung hin, sie war ihm willkommen. Nun brauchte er nur noch eine Frau, und ein Opfer.
John jagte den Wagen über die nasse Strasse, der Regen peitschte heftig gegen die Windschutzscheibe. Jack sass zusammengesunken auf dem Beifahrersitz, eingetrocknetes Blut klebte ihm im Gesicht.
"Haha, Jackyboy!", schrie John und lachte wie ein Irrer. "Jetzt wird sich die Prophezeihung erfüllen!"
Jack hatte keine Ahnung von was für einer Prophezeihung John sprach (schrie), doch er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um darüber nachzudenken, wahrscheinlich hatte er es nicht einmal gehört.
John steurte den Wagen nur mit einer Hand, in der anderen hielt er das Dunkel, das rot in der Dunkelheit leuchtete.
Er schien gar nicht auf die Strasse zu schauen, seine Augen fixierten das Amulett. Deshalb sah er auch nicht den Mann, der plötzlich im Scheinwerferlicht auftauchte. Er hielt die Arme nach vorne ausgestreckt, so als wolle er das Auto mit blossen Händen bremsen. John blickte im letzten Moment doch noch auf. "Da will uns jemand aufhalten, Jackyboy", schrie John und Speichel flog aus seinem Mund. John stiess ein schreckliches, unmenschliches Lachen aus und drückte noch mehr aufs Gas.
Der Mann auf der Strasse war Morgan Goldwick, der Schwarze vom Einkaufszentrum.
Der Mercedes raste auf den Schwarzen zu. John lachte wie ein fröhliches Kind, aber wie ein völlig irres Kind. Jack starrte nur mit schreckgeweiteten Augen auf Morgan, der immer noch am gleichen Ort stand und die Arme ausgestreckt hatte.
"Brems!", schrie Jack in völliger Verzweiflung.
Doch sein Vater dachte nicht daran. Der Wagen hatte Morgan erreicht, gleich würde es krachen. Doch es passierte nichts dergleichen. Der Mercedes schien durch Morgan "hindurchzufahren". Es gab keinen Knall, kein Kreischen, kein Krachen. Morgan war einfach verschwunden. Nun gut, verschwunden war er nicht, den plötzlich legte sich eine Hand auf Jacks Schulter, eine schwarze Hand. Jack fuhr so heftig zusammen, das er sich beinahe den Kopf am Amaturenbrett gestossen hätte. Hinten im Wagen sass Morgan. Jacks Verstand, der in den letzten Stunden einiges erlebt hatte, war gar nicht mehr erstaunt. Aber normal war das nicht, das Morgan einfach so in ihrem Wagen sass und vorher gerade noch versucht hatte ihren Wagen zu stoppen. John hatte ihn auch bemerkt und das erste Mal an diesem Tag sah er irgendwie verdutzt aus, Unglauben spiegelte sich in seinem Gesicht. Doch dann verwandelte es sich in Wut.
"Was zur Hölle machst du in meinem Wagen, du Penner?", schrie John ausser sich vor Wut. Dicke Adern pochten an seinem Hals.
Jack hatte sich umgedreht und blickte Morgan an. Morgan lächelte Jack zu, dann sagte er ganz ruhig: "Ich weiss was du vorhast, John. Ich habe schon deinen Vater vor dem Dunkel gewarnt, doch er hat mich anscheinend nicht ernst genommen. Jetzt musst du es ausbaden."
"Jack", schrie John. "Halte mal kurz das Lenkrad!"
Jack weigerte sich. Fluchend tratt John auf die Bremse. Der Mercedes kam mit quietschenden Reifen zum Stillstand. John drehte sich um.
"So, die Endstation für Nigger ist hier", kreischte John und versuchte, mit seiner Faust die Nase Morgans zu treffen, was ihm aber trotz des recht gross bemessenen Platzes im Wagen nicht gelang.
Morgan lächelte nur sein Lächeln. "Wo ist das Opfer, John?", fragte er.
Doch John war schon ausgestiegen und öffnete die Hintertür. "Komm raus du schwarzes Arschloch!", brüllte er und versuchte, mit beiden Händen die grauen Haare von Morgan zu fassen zu kriegen.
"Wo ist das Opfer?", fragte Morgan noch einmal. John gab ihm natürlich keine Antwort. "Dann eben auf die harte Tour", sagte John und zückte eine Pistole aus seinem Overall hervor. "Die brauche ich nicht oft, nur wenn ich muss. Und bei alten, stinkenden Niggern die einfach in mein Auto geflogen kommen, muss ich sie wohl benützen."
Morgan blickte in das schwarze Loch des kalten Laufes, der vor seinem Kopf auf- und abhüpfte.
Dann stieg er aus. Jack hatte das gar nicht richtig mitbekommen, er befand sich wie in einer Art Trance.
"Und nun verpiss dich!", schrie John Morgan an. "Das Opfer, John", sagte Morgan, als würde er sich mit einem kleinen Kind unterhalten, "Wo ist es?"
John hohlte aus und schlug Morgan den Lauf der Pistole an die Schläfe. Dickes Blut rann an Morgans Kopf herunter, doch er verzerrte nicht einmal die Mundwinkel. John blickte ihn einen Moment wieder mit diesem ungläubigen Gesichtsausdruck an, doch dann hatte er sich wieder gefasst.
Jack blickte durch die Heckscheibe und sah die beiden so verschiedenen Personen im Regen draussen, und sein Vater der zuschlug und Morgan der nur lächelte. Dann kam ihm trotz seines verwirrten, verängstigten Zustandes eine Idee.
John und Morgan standen genau hinter dem Wagen, John näher am Heck als Morgan. Jack war erst vierzehn, doch er wusste ungefähr, wie man ein Auto in Bewegung setzen konnte. Handbremse: Gelöst. Der Wagen lief noch, sein Vater hatte ihn nicht abgestellt. Nun musste er nur noch irgendwie den Rückwärtsgang einschalten. Mit zittrigen Händen fuhr Jack über den Schalthebel. Wo war nur der Rückwärtsgang?
Lass mich machen, sagte eine Stimme in Jacks Kopf, lass mich machen, Jacky. Es war die Stimme von Morgan und Jack liess ihn machen. Seine Hand bewegte sich wie von selbst und legte den Rückwärtsgang ein.
Dann trat der kleine Jacky auf das Pedal und der Wagen schoss wie von einer Tarantel gestochen nach hinten. Jack drehte sich nicht um, er wollte es nicht sehen, doch er hörte den dumpfen Aufprall zweier Körper.
Dann nahm er den Fuss vom Pedal, öffnete die Tür noch halb im Fahren und stieg aus. Auf dem Asphalt vor ihm lagen John und Morgan, in einer ziemlich grossen Lache Blut, dass sich schnell mit dem Regen vermischte und wie ein kleiner roter Bach die Strasse herunterlief.
Jack stolperte vorwärts, auf die beiden leblosen Körper zu. Beide tot, schoss es ihm durch den Kopf, du hast beide getötet.
Doch dann hob einer der beiden die Hand, Morgan. Gott sei Dank, er lebt noch, stöhnte Jack innerlich. Er ging auf Morgan zu und sank neben ihm auf die Knie. Tränen schossen ihm erneut in die Augen.
"Er ist tot", Morgans Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. "Er ist tot, Jacky. Aber du musst das Dunkel vernichten und das Opfer finden, erst dann ist es vorbei."
Jack nahm Morgans Hand und spürte, wie die Lebenskraft aus ihr wich. "Wo finde ich das ... das Opfer und wie soll ich das Amulett zerstören?", fragte Jack weinend.
"Um vier Uhr am heutigen Tag, hat sich der Selbstzerstörungsmechanismus in Gang gesetzt", sagte Morgan. "Vier Stunden später zerstört es sich selber, also heute Abend um acht. Deshalb hat dich deine Mutter auch um vier nach Hause gebeten, sie wollte sich selbst opfern, indem sie das Dunkel in ihrem Magen explodieren lassen wollte."
Um acht? Das war in einer Viertelstunde.
"Das Opfer, Morgan, wo ist es? Weisst du es?", fragte Jack verzweifelt und brach fast zusammen.
"Ich weiss es leider nicht Jacky", sagte Morgan traurig. "Wenn das Dunkel nicht mehr ist, sirbt auch das Opfer."
Eine Viertelstunde um das Opfer zu finden, das Opfer, das überall sein konnte? Unmöglich, schlicht unmöglich.
Jack war schon lange am Ende und verzweifelt, doch das gab ihm den Rest. Er heulte los und wollte nur noch sterben. "Geh, Jacky", flüsterte Morgan. "Mach dich auf den Weg, es ist noch nicht zu spät."
Jack stand ganz langsam auf und liess Morgans Hand los. Morgan war zu schwach und seine Hand fiel zurück auf den blutigen Asphalt.
Der Körper von John zuckte ein paar Mal, die Pistole lag neben dem ausgestreckten Arm. Gib ihm den Rest, flüsterte Morgan in Jacks Kopf und seine Stimmer wurde immer schwächer, gib diesem Arschloch den Rest.
Jack ging auf den Körper seines Vaters zu und nahm die Pistole zur Hand. Er hatte keine Ahnung von Pistolen, andererseits auch nichts zu verlieren.
Er ziehlte auf den Kopf seines Vaters und drückte entschlossen ab. In einem Regen von Knochensplittern und Gehirnteilen löste sich Johns Leben in Luft auf. John hielt das Amulett immer noch in der Hand und schnell nahm es Jack an sich. Jack liess die Pistole fallen und rannte davon, er rannte einfach davon, getrieben von all dem Grauen und den Schrecken die er am heutigen Tag erlebt hatte.
Das Opfer schlug die Augen auf.
Es blickte wild umher, schliesslich hatte es jemand betäubt und es war erst jetzt aufgewacht und wusste nicht wo es war. Dann entdeckte es den kleinen Jungen, der in der Ecke des Raumes sass und zu ihm herüberblickte. "Ich bin Jack", sagte dieser Junge. "Ich helfe dir."
Das Opfer verstand nicht, es staunte nur, der Junge tat etwas. Ein rotes pulsierendes Etwas sass in seiner Hand. Und dann ... das Opfer traute seinen Augen nicht. Das rote pulsierende Etwas schien den Jungen "aufzufressen". Das pulsierende Ding frass sich am Arm des Jungen nach oben, entblätterte die Haut, die in fauligen Streifen zu Boden fiel, frass das Fleisch, das zu bruzeln und zu verbrennen schien. Dann war es vorbei. Ein Haufen Asche und schwarzer Knochen blieb brennend am Boden liegen.
Das Opfer stand auf, stolperte nach vorne, starrte auf den brennenden Punkt, an dem gerade noch der Junge gehockt hatte.
Dann verliess das Opfer diesen Ort und ging in den Rest des Tages hinaus, der nun freundlich und schön war. Das Opfer hatte keine Ahnung von dieser Geschichte, doch es wusste, das dieser kleine Junge für es gestorben war.
Der kleine Junge hatte sich geopfert. Das Opfer blickte hinauf in den Himmel, der langsam dunkel wurde, und wusste, das nun alles gut war.
Am 23. Oktober 1994 ging ein kleiner Junge namens Jack Crawford die Jackson Street entlang und dachte über seinen Vater nach, über seine Mutter und über Morgan. Er ging an einen Ort, an einen Ort, der besser sein würde als hier. Jemand hatte ihm ein Ultimatum gestellt, heute lief es ab. Ein Jahr war es her, seit er das Dunkel zerstört hatte, der Zerstörer des Dunkels hat ein Jahr, ein Jahr in dem er noch leben und atmen kann. Doch nun würde es vorbei sein. Jack Crawford ging die Strasse entlang, ein Lächeln im Gesicht, und er ging um zu sterben.
ENDE DER GESCHICHTE
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