Ich kenne sowas, allerdings anders herum. Okay, auch ich fange mal ganz von vorne an und mit denselben Worten wie unsere Feldmaus: Ich bin ein Scheidungskind. Wobei ich im Alter von zwei Jahren nicht wirklich was davon mitbekommen habe. Man munkelt, mein Vater sei zum Geburtstag meines Bruders sturzbetrunken nach Hause gekommen (wieder mal) und da hätte es meiner Mutter gereicht.

Früher hat mein Vater mir noch Geschenke zum Geburtstag geschickt - mein Bruder ist immer leer ausgegangen. Weder zu seinem Geburtstag noch zu Weihnachten hat mein Vater es für nötig gehalten ihm auch nur 'ne Karte zu schicken. Dass er von meinem Vater niemals akzeptiert wurde, hat ganz schön an ihm gefressen. Und auch, dass ich von ihm bevorzugt wurde. Als ich älter wurde, hörte das Geschenke schicken auf und ich lernte meinen Vater in seiner reinsten Form kennen: Durch Anwaltsschreiben. In denen er unter anderem schrieb, ich käme ja wahrscheinlich von einem anderen Mann und sei nicht im Entferntesten mit ihm verwandt. Wen wundert es, dass ich ihn das erste Mal bei Gericht zu Gesicht bekam? Er hat eine Schau abgezogen, bei der ich am Liebsten in lautes Lachen ausgebrochen wäre. Aber das nur nebenbei.

Schließlich nahm ich dann irgendwann E-Mail-Kontakt zu ihm auf. Das lief auch ne Weile ganz in Ordnung, bis ein Anwaltsschreiben von ihm eintrudelte, in dem er meinen Bruder aufs Derbste nieder machte. Da hat es mir schlussendlich gereicht. Meine Mail war nicht lang, aber die Wut darin durchaus zu erkennen. Als Antwort kam von ihm, ich sei ein "genetischer Fehler", irgendeiner unserer Ahnen müsse da wohl gepfuscht haben. Diese Mail blieb von meiner Seite aus unbeantwortet... Mit so einem Menschen will ich nichts weiter zu tun haben.

Insgesamt gesehen habe ich zu kaum einem Mitglied unserer Familie ein wirklich gutes Verhältnis. Den meisten ist meine bloße Existenz aus Gründen peinlich, die ich hier nicht weiter ausführen werde. Jedenfalls hasse ich es, wenn mir bei Feiern ein gesundes, freundliches und harmonischen Familienverhältnis vorgegaukelt wird, weil sie alle zu feige sind, mir ins Gesicht zu sagen, was sie von mir halten. Das ist der Grund, aus dem ich es vermeide, an derartigen Feiern teilzunehmen. Nur meine Mutter, meinen Stiefvater und meinen Bruder besuche ich ab und an; im letzten halben Jahr drei Mal.

Um Majeds Vorschlag mal aufzugreifen: Ich denke, dass eine klare Aussprache gar keine schlechte Sache ist. Wenn man nicht redet, tritt man auf einer Stelle und alle fühlen sich ungerecht behandelt. Wer weiß, Agamemnon, vielleicht ist es wirklich das, was dein Vater mal gebrauchen könnte. Ich habe meinen Leuten den Rücken zugekehrt und das stört mich nicht sonderlich, aber wenn man deinen Post liest, fällt auf, dass es bei dir so nicht weitergehen kann. Majeds und Tikis Vorschläge sind heikel, aber anders geht's manchmal eben nicht. Es gibt zwei Wege: Entweder dein Vater sieht seine Fehler ein oder aber er bricht mit dir. Aber ich denke, dass beides besser wäre, als sich weiterhin auf diese Art und Weise demütigen zu lassen.