Viel Spaß beim Lesen


[font=times new roman]Xenosaga Episode II: Jenseits von Gut und Böse[/font]

[font=arial]Die Story[/font]
Eine spielbare Rückblende führt uns nach Old Miltia während der Zeit des mysteriösen Konfliktes vor vierzehn Jahren. Ein von der Firma Vector geschaffener und speziell konfigurierter Realian namens Canaan und chaos müssen auf dem gefährlich gewordenen Planeten eine streng geheime Mission erfüllen. Sie sollen die U.R.T.V.-Einheiten zurückholen und in Sicherheit bringen, bei denen es sich um menschliche, biologische Waffen handelt, deren Funktion es ist, das mächtige, in Wellenform existierende Wesen U-DO zu bekämpfen. Im Laufe ihrer Untersuchung treffen die beiden auf Jin Uzuki, Shions älteren Bruder, welcher wenig später einen Schwertkampf mit dem U-TIC-Agenten Margulis zu bestreiten hat.
Wieder in der Gegenwart des Spielgeschehens macht die zweite Episode genau dort weiter, wo die erste aufgehört hat. Endlich landet die Elsa auf Second Miltia. Nach den Strapazen der beschwerlichen Reise geht die kleine Gruppe zunächst getrennte Wege, es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd mit ein paar unangenehmen Ormus-Schergen und zu einem unplanmäßigen Wiedersehen mit alten Bekannten. Bald darauf sollen im U.M.N. Control Center die Y-Dateien analysiert werden, die MOMO nach wie vor in sich trägt, doch aufgrund einer Falle von Albedo, der einem schon im ersten Teil das Leben schwer machte, schlägt die Prozedur fürchterlich fehl. Um MOMO zu retten, muss die erneut zusammengetrommelte Party über das Encephalon in ihr Unterbewusstsein eintauchen. Diese Welt besteht aus Erinnerungen von Sakura, jener Tochter von Juli und Joachim Mizrahi, nach deren Vorbild MOMO einst erschaffen wurde. Hier sieht sich Jr. mit seiner Vergangenheit konfrontiert und durchlebt noch einmal die Geschichte hinter den U.R.T.V.s, die insbesondere ihn, Gaignun und Albedo betrifft. Letzterer setzt sodann sein Vorhaben in die Tat um, den verlorenen Pfad nach Old Miltia, wo der wahre Zohar verborgen liegen soll, wieder zugänglich zu machen. Das nächste Ziel der Truppe um Shion, welche inzwischen auch von Jin und Canaan unterstützt wird, steht damit fest!
Die Story von Episode II kann aus diversen Gründen nicht so recht mit der des Vorgängers mithalten. Fanden sich in Episode I noch zahlreiche ruhige Szenen, die die Persönlichkeit der einzelnen Charaktere beleuchteten, sind diese in der vorliegenden Fortsetzung teilweise Actionsequenzen gewichen, die zum reinen Selbstzweck vorhanden zu sein scheinen.
Die Handlung konzentriert sich ganz und gar auf Jr., Albedo und im weitesten Sinne auch auf MOMO, was an sich keine üble Sache ist. Jr. und vor allem den Antagonisten Albedo wird man nach diesem Spiel mit ganz anderen Augen sehen können, besagte Figuren bekommen einen Hintergrund und gewinnen massiv an Tiefe. Der weitaus größere Teil der Party, und dazu gehören so wesentliche Charaktere wie beispielsweise Shion oder KOS-MOS, über die man gerne endlich mehr erfahren hätte, wird hingegen hoffnungslos vernachlässigt. Die Gnosis, die zuvor noch eine allgegenwärtige Bedrohung darstellten, spielen hier auf einmal überhaupt keine Rolle mehr und werden allenfalls am Rande erwähnt.
Darüber hinaus werden praktisch keine der vielen essentiellen Fragen aus der ersten Episode beantwortet, und sei es nur andeutungsweise. Lediglich ein paar Nebensächlichkeiten werden genauer erläutert und unter die Lupe genommen, auf der anderen Seite allerdings so einige neue Rätsel gestellt, welche ebenfalls vorerst ungelöst bleiben. So verwundert es auch nicht, dass sich das Spiel in Details verheddert, während die eigentliche Haupthandlung nur marginal weitergeführt wird. Bereits „Der Wille zur Macht“ war nicht gerade das umfangreichste RPG auf der PS2, doch „Jenseits von Gut und Böse“ ist noch bedeutend kürzer ausgefallen. Das wirkt sich auch negativ auf die Story aus, denn in allzu kurzer Zeit wird einfach zu wenig geboten. Wenn die Dauer des Spielinhalts schon so begrenzt ist, hätte man lieber auf zentralere Aspekte der Saga hinarbeiten sollen.
Dies alles heißt nun aber nicht, dass die Geschichte tatsächlich nicht zu gebrauchen wäre. Immerhin handelt es sich um die legitime Fortsetzung des Abenteuers, die spektakulär inszeniert jene Welt erweitert, die mit dem ersten Teil eingeführt wurde. Nur ist das Erzähltempo nicht optimal und die Schwerpunkte wurden definitiv an der falschen Stelle gesetzt.

[font=arial]Das Spiel[/font]
Die Grafik von Episode II haben die Entwickler komplett umgekrempelt, insbesondere was das Charakterdesign angeht. Waren in der ersten Folge vor allem typisch japanische, an Anime erinnernde Figuren mit großen Kulleraugen anzutreffen, so wurden diese nun durch Charaktere mit realistischen Proportionen ersetzt. Ob das vergleichsweise gut oder schlecht zu bewerten ist, hängt wahrscheinlich vom Geschmack des jeweiligen Spielers ab, allerdings tragen die neuen Charaktermodelle in manchen Szenen zur Ernsthaftigkeit des Spielgeschehens bei, während sie in anderen deutlich ausdrucksschwächer wirken als zuvor. Was hierbei etwas negativ auffällt, sind die hässlichen Block-Hände der Figuren, die zum Teil eher nach einem RPG der vergangenen Konsolengeneration aussehen. Eine Kleinigkeit zwar, aber eine störende, die auf der PlayStation 2 heute eigentlich nicht mehr vorkommen sollte. Außerdem ist es schade, dass die meisten Kampfeffekte nicht mehr so spektakulär anmuten wie noch in Episode I (man denke nur mal an KOS-MOS’ X-Buster). Andererseits sind diese Probleme sofort vergessen, sobald die nächsten Bombast-Videosequenzen über den Bildschirm flimmern und auch die futuristischen Umgebungen können sich wirklich sehen lassen.
Das Kampfsystem basiert in seinen Grundzügen auf dem Vorgänger, aber die genaue Funktionsweise wurde stark abgeändert. Wieder dabei sind der Event Slot, durch den man in den einzelnen Runden verschiedene Boni bekommt, und die Boost-Leiste, welche für zusätzliche Spielzüge sorgt. Bei letzterem Feature haben die Charaktere neuerdings nicht mehr ihre eigene Anzeige, stattdessen gibt es nur noch einen einzigen Boost-Balken für die gesamte Party. Die Tasten des PlayStation-Controllers (Quadrat, Dreieck und Kreis) entsprechen bestimmten Zonen der Gegner; durch die Kombination der Attacken muss man den Schwachpunkt der Feinde herausfinden. Bei der richtigen Abfolge von Angriffen werden die Widersacher in den sogenannten Break-Status befördert, in dem man ihnen größeren Schaden zufügen kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sie in die Luft oder auf den Boden zu schleudern, was ähnliche Auswirkungen hat. Charaktere dürfen jetzt mitten im Kampf ausgetauscht werden. Danach ist jedoch die Runde vorbei, weshalb ein schneller, fliegender Wechsel wie in Final Fantasy X leider nicht durchführbar ist. Ansonsten gibt es die neuen Double Attacks, an denen zwei Spielfiguren gleichzeitig beteiligt sind, und anstelle von AGWS-Mechs wurden die imposanteren E.S.s eingebaut, mit denen man im Laufe der Geschichte spezielle Abschnitte absolviert, in welchen auch die Kämpfe entsprechend etwas anders ablaufen.
In der Theorie hat das Kampfsystem viel mehr Tiefe als das von Episode I, gerade auch aufgrund der Tatsache, dass man Angriffe aufsparen und im nächsten Zug einsetzen kann, was in Verbindung mit der Boost-Funktion verdammt lange Combos ermöglicht, die dank den Schwachpunkt-Zonen der Gegner oft sehr effektiv sind. Wie gesagt, in der Theorie. Zwei indirekte aber schwerwiegende Angelegenheiten verhindern, dass das Vermöbeln der Fieslinge wirklich Spaß macht. Erstens müssen vor jedem einzelnen Kampf unglaubliche acht bis zehn Sekunden Ladezeit ertragen werden. Bei der Warterei kann einem schonmal die Lust vergehen, denn für ein Rollenspiel dieser Art ist das eindeutig zu lang. Zweitens ist das System einfach zu komplex für ein dermaßen kurzes Abenteuer. Eine gewisse Eingewöhnungsphase wird benötigt, sodass man in einem normalen Durchlauf kaum die Gelegenheit hat, alle dargebotenen Feinheiten zu verinnerlichen.
Im krassen Gegensatz dazu steht das extrem simple und langweilige Abilitysystem. Nach den Kämpfen bekommt man Punkte, mit denen man diverse Fähigkeiten aus einer Liste freischalten kann. Dabei unterscheidet sich das Repertoire nicht von Charakter zu Charakter, jeder kann sämtliche Skills erlernen. Mag sein, dass die verschiedenen Punktesorten und Optionen aus dem ersten Teil vieles unübersichtlich gestaltet haben, aber das ist noch lange kein Grund dafür, in dieser Fortsetzung alles so radikal abzuschaffen. Doch auch damit könnte man leben, würde die Einschränkung des Gameplays hier aufhören. Tut sie aber nicht. Was auch immer sich Monolith Soft dabei gedacht hat: Geld und damit jegliche Form von Läden wurden ebenfalls komplett beseitigt. Selbst wenn es eine Währung gäbe, enthält das Spiel weder Waffen, noch Rüstungen oder Accessoires, die man in diesem Falle für die Party kaufen könnte.
Minigames lassen sich keine mehr finden, stattdessen gibt es eine umfangreiche Kampagne mit 36 größtenteils eher eintönigen Nebenaufgaben. Allerdings sind die roten Segment Address Türen wieder da, man darf sich also auf Schatzsuche begeben. Abgesehen davon entschädigen drei Bonusdungeons, die erst nach Beendigung des Hauptspieles zur Verfügung stehen, sowie manche optionale Bossgegner ein bisschen für die kurze Spielzeit. Eine der nützlichsten Errungenschaften des Vorgängers fehlt übrigens - die Database, in der man Erläuterungen zu Begriffen und Sachverhalten nachlesen konnte, wurde in Episode II nicht übernommen.
Auch was den Soundtrack angeht gab es tiefgreifende Veränderungen. Komponist Mitsuda Yasunori ist nicht länger daran beteiligt. Das ist insofern problematisch, als dadurch wiederkehrende musikalische Themen bzw. ein Titelthema für die storytechnisch so eng zusammenhängende Serie unmöglich gemacht werden, obwohl so einige Stücke aus Episode I dafür in Frage gekommen wären. Wie viel so etwas ausmachen kann, sollte unter anderem John Williams in den Star-Wars-Filmen unter Beweis gestellt haben. Während die bereits für die Musik in diversen Anime-Serien wie Noir oder .hack//SIGN verantwortliche Kajiura Yuki die Zwischensequenzen vertonte, kümmerte sich ein gewisser Hosoe Shinji um die soundtechnische Untermalung des restlichen Spiels. Kajiuras mystische Klänge sind packend, das belanglose Gedudel des völlig talentfreien Hosoe hingegen, welches die meiste Zeit über zu hören ist, geht schnell auf die Nerven und ist kaum der Rede wert. Das scheinen die Verantwortlichen im Nachhinein ähnlich zu sehen, denn der in Japan separat erhältliche Soundtrack zum Spiel beinhaltet nur die Kompositionen von Kajiura. Auf der anderen Seite wurde im ersten Teil oft überhaupt keine Musik gespielt, sodass fraglich bleibt, was hier die bessere Alternative darstellt. Die eigentlich recht gute Sprachausgabe gestaltet sich nicht minder heikel. Für die US-Fassung wurden teilweise andere Sprecher als zuvor verpflichtet, weshalb man sich daran gewöhnen muss, dass ein paar zentrale Figuren neue Stimmen bekommen haben.

[font=arial]Interpretation[/font]
Der Untertitel Jenseits von Gut und Böse bezieht sich auf ein Werk von Philosoph Friedrich Nietzsche, welches die traditionelle Ethik hinter sich lässt und in dem universelle Moralvorstellungen, die für alle menschlichen Wesen gültig sein sollen, abgelehnt werden. Obwohl das Spiel nicht direkt auf die komplexen wissenschaftlichen Gedanken aus dem Buch aufbaut, so finden sich bei genauerem Hinsehen doch einige passende Zusammenhänge. Generell wird auch in der Xenosaga aufgezeigt, dass weder Gut noch Böse tatsächlich existieren, sondern lediglich vom Menschen geschaffene Begriffe darstellen, die grundsätzlich von der Moral abhängig sind.

[font=arial]Fazit[/font]
Durch das vollständige Ausklammern von wichtigen Charakteren der Party sowie anderen wesentlichen Elementen der bisherigen Handlung kann hier das von Episode I vorgegebene hohe Niveau der Story trotz einiger interessanter Einblicke leider nicht gehalten werden. Auch Design, Spielsystem und Musik des überaus kurzen RPGs kommen nicht ohne mehr oder minder gewichtige Schönheitsfehler aus. Ungeachtet dieser Mängel werden es sich die Spieler des ersten Teils zu Recht nicht nehmen lassen, endlich zu erfahren, wie es weitergeht.

Story............3/5
Grafik............4/5
Gameplay.......2/5
Sound...........3/5

[font=arial]Wissenswertes[/font]
Xenosaga Episode II: Jenseits von Gut und Böse wurde von Monolith Soft für die PlayStation 2 entwickelt und am 24.06.2004 von Namco in Japan veröffentlicht. Die US-Version erschien am 15.02.2005 und überraschenderweise kam es diesmal auch zu einem PAL-Release, der am 04.11.2005 erfolgte, obwohl es die erste Episode nie offiziell nach Europa geschafft hat.
Im Laufe der Entwicklung des Spiels gab es einige Probleme aufgrund von Personalwechseln und Umstrukturierungen bei Monolith Soft, so waren manche ursprünglich geplante Szenen nicht im fertigen Produkt enthalten. Im Vorfeld der Veröffentlichung tauchte im Internet eine Reihe von spektakulären Trailern auf. Letztenendes verkaufte sich Xenosaga Episode II aber alles andere als gut - die Umsätze blieben weit hinter den Erwartungen zurück.