Ein eiskalter Wind fegte durch die Stadt, welche unter vielen anderen Gebäuden das Rathaus des Fürstenhauses Telvanni beherbergte. Die Sonne war hinter einem dichten und grauen Wolkenband gänzlich verborgen. Statt wärmenden Strahlen des großen Himmelskörpers prasselten kalte Regentropfen durch dünne Nebelschwaden auf den Boden der mit großen Steinen gepflasterten Straße, welche sich einmal um den großen in der Mitte stehendem Turm von Neloth durch die ebenfalls aus Pilzen erwachsene Stadt wand. Die typische Bauart der Telvannistädte, welche ihre Städte im wörtlichen Sinne mit Hilfe von Magie wachsen ließen und nicht aus Stein erbauten wie die anderen Fürstenhäuser oder das Kaiserreich. Die am Rande der Stadt stehende kaiserliche Festung Wolfenhalle wirkte deplatziert zwischen den organisch geschwungenen Formen der Telvannigebäude, aber dennoch mächtig. Die Stimmung der Stadt war spürbar bedrückt und auch ängstlich, dies konnte jeder der drei Gefährten merken, während sie die Straßen durchquerten, um zu Tel Naga vorzudringen.

Die Haare von Draven waren durchnässt und das Wasser lief ihm das bretonische Gesicht herunter, als sie endlich die Pforte des großen Pilzturmes hinter sich gelassen hatten und im Trockenen standen. Abgesehen von ihm, dem Erzmagister des Fürstenhauses Telvanni, waren noch das Ratsmitglied Zareg, welcher ebenfalls ein Bretone war, und der Erzmagier der Magiergilde Vvardenfells anwesend, der Dunmer Malukhat. Letzterer nicht wirklich auf den Wunsch Dravens hin und er wusste immer noch nicht genau, was die Motive des Erzmagiers für sein Mitkommen waren. Wollte er einfach nur Spaß und Abwechslung, um seine Langeweile zu überwinden? Seine Worte hatten so geklungen und dass ihm das Fürstenhaus Telvanni etwas bedeuten könnte, schloss Draven aus. Ebenso, dass er aus reiner Gutherzigkeit handelte, denn dies schien nicht zu ihm zu passen, so weit der Erzmagister dies beurteilen konnte. Nun gut, er kannte ihn auch erst seit ungefähr einer Stunde, aber als freundschaftlich konnte man das Verhältnis der beiden nun wirklich nicht beschreiben. Gegenseitige Abneigung traf es wohl besser, dementsprechend war Dravens Laune auch, dass er diesen Malukhat nun mitschleppen musste. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, denn der schnellste Transport von Balmora nach Sadrith Mora war nun mal der Teleport in der Magiergilde. Und dies war das Reich von Malukhat, was ihm als wunderbares Druckmittel gedient hatte.

Weit oben in den Turm waren sie inzwischen geführt worden, in die Gemächer von Neloth, dem Herrn von Tel Naga und damit auch Sadrith Mora. Dem Telvanni, mit dem Draven nie so gerne zu tun hatte. Immerhin hatte er den damals noch jungen Sprecher von Aryon böse ausgenutzt. Sehr viel Überzeugungsarbeit war notwendig gewesen, die Robe für ihn zu besorgen, die er auch am heutigen Tage trug und die Belohnung damals waren zehn läppische Draken, und dies war nur eins der Beispiele. Seit dieser Zeit hatte der Bretone ihn gemieden und auch als Erzmagister nur selten mit ihm zu tun gehabt, nämlich wenn es nötig war. Aber nun hatte Neloth offiziell um Hilfe gebeten, weil er mit der momentanen Situation nicht klarkommen konnte. Der Magier konnte nicht verhehlen, dass er grad etwas Genugtuung verspürte, denn der sonst immer gereizte und unhöfliche Neloth war nun stinkfreundlich, als er seinen Erzmagister samt Begleiter willkommen hieß. Als er erfuhr, dass der ihm unbekannte Dunmer der neue Erzmagier war und helfen wollte, hatte er einen merkwürdig verwirrten Gesichtsausdruck, sagte aber nichts dazu. In Dravens Augen ein Zeichen dafür, wie groß die momentane Bedrohung war.

In aller Ausführlichkeit erzählte Neloth von den Vorfällen. Zunächst seien nur ein paar Leute vermisst gewesen, doch dann wurden Tage später die ersten bestialisch zugerichteten Leichen in der Nähe der Stadt aufgefunden, meist blutleer und mit Bisswunden. Alles eindeutige Indizien für Vampire, wie der Bote von Neloth bereits erzählt hatte, der elende Schleimer, den Draven vor der Ratstaverne in Balmora getroffen hatte. Der Herr Tel Nagas erzählte weiter, er hatte Wachen geschickt, aber ihnen erging es nicht besser als den anderen. Entweder man sie niemals wieder oder man fand ihre blutleeren Kadaver. Sogar Vampirjäger hatte er angeheuert, die besten die er finden konnte. Immer dasselbe Ergebnis, der Kopf des Dunkelelfen war während der Erzählung immer rötlicher geworden und er hatte die Faust bereits lange zur Faust geballt. Es war seine Stadt, aber er konnte überhaupt nichts tun, seine Wut war nur verständlich. Er war es definitiv nicht gewohnt, eine „Opferrolle“ zu spielen, entweder war er selbst ein Befehlender, der andere herumkommandieren konnte oder aber ihn interessierte nichts, eine sehr beliebte Einstellung bei den hohen Telvanni.

Die gesamte Schilderung der Situation, welche unter anderem von den letzten Leichenfunden berichtete, hatte den halben Nachmittag über gedauert. Als die drei wieder ins Freie traten, hatte der Regen glücklicherweise aufgehört, auch wenn die Sonne immer noch hinter dichten grauen Wolken verborgen lag. Nebel war noch stellenweise vorhanden und der Wind war immer noch kalt.

„Wir sollten erst einmal in eine warme Taverne gehen und unser weiteres Vorgehen in dieser Sache besprechen, vielleicht sogar ein paar Gerüchte aufschnappen“, schlug Draven seinen beiden Begleitern vor. Neloth hatte ihnen angeboten, Wachen zur Unterstützung mitzuschicken, aber der Erzmagister verwies ihn auf später, erst mal müssten sie immerhin herausfinden, wo sich die Vampire versteckt halten könnten. Dafür war keine Armee erforderlich. Dies war nun das Reich von Draven, die Stadtbewohner kannten den Erzmagier und auch Zareg war kein Unbekannter. Doch trotz aller Höflichkeit konnte man die Angst in ihren Augen sehen, die Angst vor der Gefahr, welche ihr Unwesen trieb. Die Gefahr, welche es nun zu beseitigen galt.

Angenehm warme Luft schlug den dreien entgegen, als sie in die Taverne traten...