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Evil Mastermind
Ethan Knight
Mein Erschaffer wiegelte sofort ab, als ich ihn auf seine beiden ersten erschaffenen Vampire ansprach und wirkte zudem sehr gereizt deswegen. Ich beschloss daher, seinem Wunsch zu folgen und dieses Thema fallen zu lassen, obwohl es mich zugegebenermaßen ein wenig interessierte. Ob er sich vielleicht die Schuld daran gab, die falschen Menschen für ein ewiges Leben in der Dunkelheit ausgewählt zu haben? Oder war er sogar Schuld an ihrer folgenschweren Entscheidung gewesen? Nein, so wenig ich Jermaine bisher auch kannte, so etwas konnte ich ihm beim besten Willen spontan nicht zutrauen, obwohl ich eigentlich von Natur aus grundsätzlich immer ein wenig skeptisch allem gegenüber war. Es musste an ihnen selbst gelegen haben und vielleicht würde ich es ja auch eines Tages etwas genauer erfahren. Es war auf der einen Seite nicht wirklich wichtig für mich, aber auf der anderen Seite war ich eben trotzdem neugierig. Sollte ich Jeanette vielleicht noch einmal deswegen befragen? Nein, diese heutige Nacht reichte mir aus, so schnell musste ich sie wirklich nicht wiedersehen.
Schweigend verfolgten Jermaine und ich die Nachrichten, es war wirklich eine Menge in L.A. passiert, auch vieles, was eigentlich die Kainskinder betraf, wie mein Meister mir erklärte. Die Sethskinder haben gar keine Ahnung, wie sie von den Unsterblichen manipuliert und gesteuert werden, Bauern im Schachspiel der Unsterblichen. Warum glaubt heutzutage keiner an Vampire, Werwölfe und ähnliches? Ganz einfach, weil die Vampire sich nicht offen zeigen, sich hinter ihrer Maskerade verstecken und zudem den Unglauben der Sterblichen mit aller Kraft unterstützen. Jermaine erzählte mir noch ein wenig mehr von LaCroix, welchem ich mich in der nächsten Nacht vorstellen müsste. Der Prinz der Camarilla hatte in Downtown einen riesigen Turm, von welchem aus er über die Stadt wachte, getarnt als gewöhnliches Unternehmen und mit Wachpersonal, welches ebenfalls keine Ahnung davon hat, dass ihr Chef der oberste Vampir der Camarilla von ganz Los Angeles ist. Auch die Anarchen schienen trotz ihrer Freiheit die Diskretion zu bevorzugen, weil es einfach im Sinne der Sache war, möglichst unerkannt unter den Sterblichen zu wandeln. Sie hatten ihr „Hauptquartier“ in einer Bar namens „Last Round“ in Downtown, sogar ganz in der Nähe des großen Ventrue-Komplexes von Lacroix. Auch ein Gildenhaus der Tremere konnte man in Downtown finden, warum auch immer dieser Bereich von L.A. so beliebt war. Aber zurück zu der Maskerade und ihrem Sinn. Wenn die Existenz der Kainskinder tatsächlich bekannt werden würde, dann würden die Menschen wahrscheinlich eine Hetzjagd veranstalten und uns ausrotten. Natürlich sind wir ihnen einzeln überlegen, aber gegen eine Übermacht von ihnen würden wir nicht bestehen können. Nur der Sabbat war anders veranlagt als die anderen beiden Gruppierungen und gab sich keine Mühe, sich zu verstecken. Ihrer Ideologie nach waren die Vampire den Menschen überlegen und hätten keinen Grund, sich in den Schatten der Nächte zu verbergen. Vielmehr sollten sie herrschen. Der Sabbat benutzte auch viele Sethskinder für seine Zwecke, meistens hirnlose Schläger, welche stolz waren, für Vampire arbeiten zu können. Die Camarilla hatte große Mühe damit, Sabbatanschläge innerhalb ihrer Domänen zu vertuschen, indem sie dies der Öffentlichkeit als „normale“ Terroranschläge drogensüchtiger Junkies verkaufte, aber glücklicherweise klappte dies schon seit Jahrhunderten hervorragend, ohne dass die Sterblichen etwas davon ahnten. Zumindest dachte ich so, aber Jermaine erklärte mir weiter, dass es tatsächlich einige Sterbliche gäbe, welche sich der Hetzjagd auf Vampire verschreiben hätten, aber diese kirchliche Organisation, genannt Leopoldsgesellschaft, wurde wie die Existenz der Vampire der Öffentlichkeit vorgehalten und wurde wahrscheinlich nirgends schriftlich erwähnt, nicht einmal in den tiefsten Katakomben des Vatikan. Wieder einmal hörte ich den ganze Erklärungen Claytons aufmerksam zu und sog das neue Wissen geradewegs in mich auf, es war wirklich hochinteressant für mich. Jermaine war auch – wie schon vorher – in Erzähllaune und er schien sich auch darüber zu freuen, dass ich das neue Wissen so begierig und interessiert aufnahm, zumindest war dies mein Eindruck. Diesmal war ich auch nicht so häufig gedanklich abwesend wie noch bei seinen ersten Erklärungen, da ich nun immer mehr begriff und meine Existenz als Kainskind akzeptiert hatte. Natürlich wären andere in dieser Situation vielleicht noch länger ungläubig gewesen und würden alles als Lügen abtun, womöglich sogar für einen Traum halten, aber ich war Realist genug. Alles, was Jermaine mir in dieser Nacht gezeigt hatte und die spitzen Zähne in meinem Mund war überzeugend genug, weshalb also zweifeln? Nichtsdestotrotz war und blieb es noch einige Zeit lang ein merkwürdiges Gefühl, das konnte man natürlich nicht verleugnen.
Jermaine blieb noch einige Zeit vor dem Fernseher sitzen, während ich mich in das total finstere Schlafzimmer begab, wo ich am Tage sicher vor dem für uns Vampire tödlichen Sonnenlicht war, und mich schlafen legte. Einschlafen konnte ich nicht sofort, da ich noch einmal alles Erlebte rekapitulierte und verarbeitete, aber nicht sehr viel später überwältigte mich dann doch die Erschöpfung und ich schlief ein. Meine Träume waren ein weiteres Mal von Blut dominiert, aber wen wunderte dies schon?
Als ich in der nächsten Nacht erwachte, saß mein Erschaffer wieder wie die Nacht zuvor in dem Ledersessel in meinem Zimmer, während er mich mit seinen dunklen Augen fixierte, so dass es mir fast wie ein déjà-vu vorkam.
„Na mein Küken, hast du gut geschlafen?“
„Ja, danke.“
Ich richtete mich auf und reckte mich, menschliche Gewohnheit.
„Dann zieh dich an. Ich möchte dir draußen etwas zeigen“, sagte Jermaine und begab sich zur Zimmertür.
„Moment“, sagte ich, während ich meine Kleidungsstücke vom Boden aufsammelte (wenn man zu Lebzeiten kein ordentlicher Mensch ist, dann ändert auch der Kuss eines Unsterblichen nichts daran). „Wieso bist du denn schon wach?“
Jermaine blieb in der offenen Tür stehen und drehte seinen Kopf leicht zu mir herum, so dass ich sein Profil sehen konnte.
„Wenn du älter wirst, brauchst du nicht mehr so viel Schlaf und erwachst automatisch früher. Das wirst du auch bald merken, so in ein, zwei Jahrhunderten.“
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und er verließ das Zimmer. Ich zog mich schnell an und folgte ihm dann nach draußen, wo meine Überraschung auf mich wartete. Gespannt, um was es sich dabei wohl handeln würde...
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