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Evil Mastermind
Ethan Knight
Der 13. September 2003, der Tag an welchem mein Lebenslicht versiegte. Gestorben, um wieder Aufzuerstehen und die Schattenseite der Welt kennen zu lernen, welche seit Urzeiten durch die von der Camarilla durchgesetzte Maskerade vor den Augen der Sterblichen verborgen war. Doch von alledem wusste ich nichts, als ich am besagten Tage – oder vielmehr nach Einbruch der Nacht – aus den wohl merkwürdigsten Albträumen meines Lebens erwachte. Es waren unterschiedlichste Szenarien, welche sich im Inneren meines Geistes abspielten, aber eins war allen gemein: Ströme aus Blut ergossen sich und ich genoss diesen Anblick, als sei diese rote Flüssigkeit das Wichtigste auf der ganzen Welt. Heute ist mir der Grund dafür natürlich klar, damals jedoch erwachte ich nur verwirrt in einem großen Bett und verdrängte die Träume sofort, weil ich nicht wusste, wo ich mich überhaupt befand. Und als ob dies nicht schon schlimm genug gewesen wäre, ich hatte scheinbar ebenso jegliche Erinnerungen an den Vorabend verloren. Mühevoll ertastete ich eine Nachtti••••••••, welche das Zimmer in Sekundenbruchteilen in ein gruseliges Dämmerlicht tauchte. Hektisch sah ich mich um, aber ich war allein. Kein Fenster befand sich in diesem Schlafzimmer, sonst jedoch wirkte es gewöhnlich eingerichtet, soweit man es zumindest in dem spärlichen Licht erkennen konnte, das durch die kleine Lampe gespendet wurde. Ein paar Kleidungsstücke, welche definitiv nicht mir gehörten, lagen auf dem Boden verstreut, ansonsten sah alles ordentlich aus. Zwei Türen führten aus dem Raum hinaus und an einer der Wände befand sich ein großer Schrank mit einer Schiebetür. Ein kalt wirkender Ledersessel befand sich in der Nähe des Bettes, über welchem einige Bilder hingen, die größtenteils in rot gehalten waren und irgendwie grotesk wirkten, was aber vielleicht auch nur an der schlechten Beleuchtung lag. Es war sowieso nicht von Belang, denn mich interessierte eigentlich nur, warum ich mich an diesem Ort befand und wie ich dorthin gekommen war.
Ich setzte mich gerade auf und versuchte noch einmal mit aller Kraft, mich an den Abend davor zu erinnern. Wollte ich nicht ins Asylum gehen und schauen, was dort so abging? Ich war zu dem Zeitpunkt erst ein paar Tage in Santa Monica und nicht sehr gut betucht, so dass ich mir das wahrscheinlich billigste Zimmer von ganz L.A. gemietet hatte, welches sich aber immerhin in der Nähe zu diesem Etablissement befand. Ich hatte gehofft, dort die eine oder andere junge Dame kennen zu lernen, um einen schönen Abend zu haben, immerhin stand ich mit Mitte Zwanzig doch in der Blüte meines Lebens und zudem – ohne jetzt arrogant klingen zu wollen – sah ich auch recht gut aus. Aber was war danach passiert? Träume von Blut und die Realität schienen sich zu vermischen oder meine Erinnerungen schienen mich zu trügen, denn ich sah vor meinem geistigen Auge einen Mann in einem roten Hemd, welcher eine junge Frau auf den Hals küsste. Doch an ihrem Hals erkannte ich trotz der schlechten Beleuchtung ein paar Tropfen Blut und der Mann schien es wie ein gieriger Blutegel in sich hineinzusaugen. Welch grässliche Vorstellung, kann dies wirklich die Wahrheit gewesen sein? Die Leere in meinem Kopf schien immer mehr zu weichen, denn plötzlich konnte ich mich an einiges erinnern. Der Mann hatte mich gesehen, wie ich ihn beobachtete. Ja, immer noch am Hals der Frau saugend sah er zu mir auf und ich hatte das Gefühl, als hätten seine Augen merkwürdig gefunkelt. Womöglich war es nur ein Lichtreflex der Scheinwerferanlage, aber es hatte ausgereicht, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Ich hatte Angst und wollte nur noch verschwinden, fast hätte ich sogar die Bezahlung meines Getränks beim Wirt vergessen, als ich mich in die kühle Nacht in Richtung meines „prachtvollen“ Appartements aufmachte. Ich fühlte mich verfolgt, ja, ich konnte sogar in dem Moment der Erinnerung auf dem Bett wieder die Angstgefühle aufkeimen fühlen, welche mich zu dem Zeitpunkt befallen hatten. Mein Gedächtnis war ein leeres Buch, welches sich nun Zeile für Zeile wieder mit Worten füllte, auch wenn diese Erinnerungen immer grotesker und widerwärtiger wurden. Der Mann war bei mir eingebrochen und hatte mich ... vergewaltigt? Nein, zumindest nicht direkt, aber er hatte sich auf mich gestürzt, mir wie dieser Frau in den Hals gebissen und sich an meinem Blut gelabt, während ich fühlte, wie das Leben aus meinem Körper wich, unfähig mich gegen ihn zu wehren.
Sofort und reflexartig fasste ich mir mit der rechten Hand an den Hals und suchte nach dieser Bisswunde, jedoch war die Haut glatt und unversehrt. Natürlich war sie das, diese Geschichte konnte einfach nicht wahr gewesen sein, so was konnte es nicht geben. Was dachte ich mir nur dabei, mir einzubilden, dass Graf Dracula persönlich bei mir einbricht und mich beißt? Ich musste es nur geträumt haben oder vielleicht stand ich sogar unter Drogen, das Asylum wirkte sowieso wie ein eher zwielichtiger Ort. Aber wie zur Hölle kam ich dann in dieses Zimmer, von dem ich nicht wusste, wo es sich befand? Mutlos ließ ich mich in die Kissen zurücksinken, doch eine Stimme ließ mich sofort wieder hochschrecken.
„Na, sind wir ein wenig verwirrt, Küken?“
Ich drehte mich hektisch in Richtung des Ledersessels und eine Person saß darin. Um genau zu sein diese Person, welche mich gestern in meiner Wohnung aufgesucht hatte. Die Lampe auf dem kleinen hölzernen Nachtschränkchen bestrahlte sein Gesicht, offenbarte feine Züge und fahle, blasse Haut ohne jeglichen Makel. Gekleidet war er ganz in schwarz und saß lasziv auf dem Sessel, während er mich ansah. Die Erinnerungen an die letzte Nacht kamen zurück und ließen mich erstarren, doch ich hätte sowieso nicht fliehen können, zumal ich nicht einmal wusste, wo ich war.
„W... Was wollen Sie von mir und woher kommen Sie so plötzlich? Ich... Ich habe Sie nicht kommen sehen.“, sagte ich zögerlich und auch ein wenig angsterfüllt. Ich war gewiss kein Schwächling – für menschliche Verhältnisse wohlgemerkt -, aber seine Gegenwart schien mich zu lähmen ich wusste noch von letzter Nacht, wie stark er war. Er jedoch antwortete mit ruhiger Stimme und saß weiterhin entspannt da, ohne sich groß zu bewegen.
„Du konntest mich nicht sehen und doch war ich die ganze Zeit hier.“
Sein Mund formte ein breites Lächeln und offenbarte zwei spitze Zähne, welche vorher verdeckt gewesen waren. Wahrscheinlich zeigte er sie mir absichtlich und wartete innerlich gespannt auf meine Reaktion darauf.
„Ich bin Jermaine“, sprach er weiter, meine nun offen gezeigte Angst vollkommen ignorierend, „Jermaine Clayton.“
Der Name jedoch war mir vollkommen egal, denn die Zähne zogen meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Das konnte nicht sein. Es gab keine Vampire! Wo war ich da nur hereingeraten? Wahrscheinlich handelte es sich bei diesem Clayton um einen irren Serienkiller mit einer Vampirmasche, um die Opfer vorher noch schön zu quälen. Ich spürte dennoch, wie die Angst ein wenig wich und sich mein Verstand einschaltete, warum auch immer. Glücklicherweise hatte ich es in meinem bisherigen Leben schon immer geschafft, Angstzustände in Gefahrensituationen zu überwinden und einen einigermaßen kühlen Kopf zu bewahren, wo andere nur panisch reagierten und unfähig waren, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen.
„Machen Sie sich keine Hoffnungen, ich bin arm und keiner wird ein Lösegeld oder so was zahlen. Wenn sie mich töten wollen, dann tun Sie das sofort oder lassen mich gehen!“
Es waren mutige Worte und gleich darauf versuchte ich wieder aufkommende Angst so gut wie möglich zu unterdrücken. Seine Antwort darauf hielt ich zunächst für weitere Psychospielchen eines durchgeknallten Irren, denn er sagte schlicht und einfach: „Du bist schon tot, mein Junge.“
Das war zuviel, alle Alarmglocken meines Körpers meldeten sich zu Worte, ich musste einfach verschwinden. Ich wollte losrennen, am besten sofort, nur leider war mein Körper zu schwerfällig und so stand ich nur langsam auf. Jermaine aber blieb ganz ruhig sitzen und regte sich nicht, vielmehr schien er mich interessiert zu beobachten, ähnlich einem Wissenschaftler mit seinem Versuchskaninchen. Hatte er eine Waffe in der Hand? Würde er mich erschießen, wenn ich nun einfach das Zimmer verließe? Ich weiß heute noch nicht, woher ich den Mut nahm, aber ich ließ es einfach darauf ankommen, zumindest hatte ich das vor. Kaum hatte ich das Bett verlassen und stand auf beiden Füßen, da begann der gesamte Raum sich vor meinen Augen zu drehen. Stand ich immer noch unter Drogen? Dumpf hörte ich meinen eigenen Körper auf den harten Parkettboden aufschlagen, ohne Schmerzen zu spüren und zunächst unfähig, mich groß zu bewegen.
Ohne dass ich es gemerkt hatte, stand Jermaine plötzlich vor mir, wobei ich aus meiner liegenden Position nur seine dunklen Lederstiefel und seine Hosenbeine sehen konnte.
„Du bist schwach, du musst etwas trinken, sonst wirst du nirgendwo hingehen“, sagte er mir und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass ich ihm vollkommen ausgeliefert war. Ich wusste nicht, was mit meinem Körper nicht stimmte, nur dass er sich anders anfühlte. Einzig und allein Jermaine, mein dunkler Erschaffer, schien die Antwort zu kennen, also musste ich ihm vertrauen, eine andere Wahl blieb mir nicht. So verließen wir beide gemeinsam die Skyline Appartements und betraten die nächtlichen Straßen von Downtown.
Mein altes Leben lag nun hinter mir und die erste Nacht als ein Wesen der Dunkelheit wartete auf mich...
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