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Kämpfer
Balmora - Tempel
Sein körperlicher Schmerz war es nicht, der ihn innerlich aufrieb auch der Schmerz der Niederlage, des Versagens, war es nicht. Es war das Verlangen trotz dieser Schande sein Leben weiterführen zu wollen. Die Angst ließ ihn nicht mehr los. Er wollte leben. Wenn er weiterlebte konnte er Rache nehmen, alles besser machen, wieder gut machen.
Ja, das konnte er womöglich. Seine Schuld durch das Blut seiner Schuldiger und das seinige tilgen. Er würde kein erbarmen zeigen, niemals mehr. Er würde...
Allerdings genügte ein Einfaches "würde" nicht. Er fragte sich viel mehr was er tun "sollte". Er wusste was er tun wollte, doch war es auch das, was er tun sollte? Er war sich nicht mehr so sicher, wie er es einst immer war. Seine Selbstverachtung wuchs in diesen Zeiten der Zweifel. Er verfluchte sich dafür, keine Entscheidung treffen zu können. Er wünschte sich einen alten, weisen Berater herbei, der ihm einfach sagte was er zu tun hatte.
Leben oder Sterben.
Letztendlich hatte er durch seine Unentschlossenheit eine Entscheidung durch die Hand der Elfe herbei gebracht. Er schwieg, wehrte sich nicht, ließ seine Peinigerin ihm das Leben retten. Er hatte keine Wahl...
Wieder konnte er sich seinen Taten, seinem Handeln, nicht stellen. Er suchte Ausflüchte in seiner Hilflosigkeit. Er hätte sich ehrenvoll das Leben nehmen können. Die Zunge hätte er sich abbeißen können...wie viele mutige Krieger vor ihm. Wieso musste er sich nur Fürchten, wieso konnte er diesem unnützen Gefühl nicht einfach abschwören? Es war doch nicht so schwer...seine Überlebenschancen waren doch sowieso gering, auch mit Hilfe eines Priesters. Er würde ohnehin sterben...irgendwann. Also weshalb, weshalb konnte er sein Leben nicht einfach ehrenvoll beenden?
Hell gleißendes Licht umgab ihn. Sein Zögern war für die Halbelfe Antwort genug. Die Magie umhüllte ihn. Das unnatürliche Spiel mit den Elementen, die Fähigkeit der Teleportation. Es nährte immer noch seine Furcht. Schon damals und nun auch an diesem Tag. Es gab nicht viele Magieadepten aus seinem Volk. Selbst war er nur wenigen von ihnen begegnet. Zu mehr als die Magie eines magischen Gegenstandes zu nutzen, reichten seine magischen Kenntnisse nicht. Er fürchtete sich vor ihr...der Magie. Fürchtete sich vor dem, dass er nicht kannte. Fürchtete sich vor dem Tod.
Ein einziges Blinzeln genügte und man hatte ihn aus den Weidenebenen in einen Tempelvorhof gerissen. Der braune Sand vermischte sich langsam mit seinem Blut und gelangte in einige seiner kleineren Wunden. Er sehnte ihn herbei, den Gott des Todes, wer auch immer er war, wie auch immer er hieß.
Ihn war zu lachen zu Mute. So lange er lachte, musste er sich nicht stets in seinem Selbstmitleid ertränken. Solange er lachte entschwanden seine Gedanken. Solange er lachte, konnte er all dem Leid entfliehen. Doch nicht einmal dazu war er mehr imstande. Er schwieg, lag blutend auf den warmen Steinen, in einen scheinbar niemals endenden Kampf zwischen Leben und Tod.
Sein Selbsterhaltungstrieb zwängte ihm trotz allem seinen Willen auf. Nun war er schon so kurz vor der einzigen Chance, deren sich die Götter erbarmt hatten. Er sollte zwar einen hohen Preis für seine Rettung zahlen, doch konnte er ihn so zumindest später zurückzahlen. Er würde als Bastard unter den Kriegern wandeln, bis er sich letztendlich mit ihnen wieder gut stellte. Bis dahin...ja, bis dahin..."sollte" er für seine Niederlage leiden.
Seine Augen fixierten die Tür der Tempelanlage. Es war nicht weit. Gerade einmal ein paar Meter. Doch selbst diese kleinste aller Hürden sollte für ihn ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Die kleine hölzerne Tür, kein Tor, zwar dick beschlagen, doch nicht hoch, trennte Sieg von Niederlage, Leben von Tod. Er befand sich unweigerlich auf der falschen, auf der Verlierer Seite. Er rollte seinen Kopf zur Seite. Das Mischlingsweib saß gebeugt an seiner Seite. Allein ihr Anblick, ihr ach so schöner Anblick, entflammte sein Tod geglaubtes Herz und tauchte es aufs neu in Hass. Sie trug an allem Schuld. Sie war es, die es zu bezwingen galt; nicht den Tod. Er würde seine Rache nehmen für das was Geschehen. Und am Tag ihres Todes durch sein Schwert würde er ein einziges Mal sein menschliches Wesen vergessen und sie wortwörtlich in Stücke reißen.
"Move...Move...Move...Move...Move...Move...Move..."
Seine Muskeln waren erschlafft, an einigen Stellen sogar zerrissen. Sein kleines Mantra war vergebens. Nichts auf der Welt konnte seinen Körper mehr zum aufstehen bewegen...wirklich...nichts.
Sein Leib bebte, erzitterte unter den Willen seines Geistes. Sein Blut wies die Kälte ab und begann erneut an zu köcheln. Sein Gesicht verzerrte sich zu einem unmenschlichen Ausdruck aus Pein und Hass. Nein, in diesem Moment war er kein Mensch mehr. Er hatte all das Böse in der Seele des Menschen heraufbeschworen und war zu dem geworden, den alle Wesen zugleich fürchteten. Ein Berserker. Ein Dämon im menschlichen Leib, der nicht zwischen gut und böse, Freund und Feind, zu unterscheiden wusste. Eine Existenz die sich dem Verstehen selbst der weisesten Magier entzog.
Das Blut spross aus seinen Wunden, als würde es sein Körper mit allen Mitteln abstoßen wollen. Aus hunderten vereinzelten kleinen Wunden, sowie den wenigen großen Verletzungen schoss ein Strahl aus roter Flüssigkeit und verwandelten den Redguard in einen lebenden Springbrunnen. Es war als ob es über ihn hereinfiel, als ob es auf ihn herab regnete, jedes bisschen Körperfläche rot färbte und den Sand hinwegschwemmte. Zitternd stieß er sich mithilfe seiner Arme vom Boden ab. Er ging auf in dem Meer aus Flammen.
War es sein Lachen, sein breites Grinsen, das ihn vor dem Schmerz bewahrte?
War es sein Hass, seine Wut, die ihn die Grenzen des menschlichen Daseins zu überschreiten ermöglichte?
War es die Furcht, die ihn dazu trieb?
Er erkannte weder schwarz noch weiß, nur grau. Das Ziel, das er sich zuvor in den Verstand gebrannt hatte, die Tür, sie war das Grau. Allein die Zerstörung der Tür gab seinem Dasein einen Sinn, machte ihm Freude, ließ ihn leben. Nur die Tür konnte sein Augenlicht erhellen. Es war alles und nichts.
Seine milchig trüb gewordenen Augen konnten ihren Blick nicht mehr davon abwenden. Eine neue Flut aus schwarzem Blut wich aus seinem linken Unterschenkel, als er sich endlich aufrichtete. Es floss in strömen, ließ ihn als eine vage Fantasie, eine surreale Begebenheit dastehen. Es war nicht möglich, nicht auf dieser Welt, und doch tat er es. Es raubte dem Verstand den letzten Nerv. Er befand das Gesehen als Lüge. Doch das Auge log nicht.
Seine zerschlissenen Muskeln spannten sich. Er lief. Langsam. Schritt für Schritt. Mit jedem weiteren verkürzte er sein Leben um Jahre. Unter unsäglichen Schmerzen. Dem Überleben entgegen. Der Vergebung, der Buße entgegen.
Der bebende Leib flehte, flehte seinen Schmerz zu lindern, ihn ihm zu nehmen. Er sehnte gegen den Willen seines Meisters den Tod herbei. Und er litt. Es schien als ob ihm der Schmerz die Kraft, den Willen, gab noch mehr Schmerz auf ihn heraufzubeschwören. Er war erblindet. Konnte nicht mehr sein Leid erkennen. Konnte nicht mehr sich selbst erkennen. Nur die Tür war ihm noch sichtbar, vor der er nun stand. Sie musste entfernt, zerstört, werden. Sie musste verschwinden. Sie war die letzte Hürde. Aus dieser verzweifelten Überzeugung heraus hatte er die Kraft geschöpft, ihn zu wecken. Und so würde er ihm gehorchen...vorerst. Er würde die Pforte niederreißen, auf das sie den Weg zu dem Meer aus Blut ebnete, das er so sehr begehrte.
Das Grün seiner Augen war nun gänzlich verschwunden. Seine Augäpfel hatten sich verdreht, sahen nun die schwarze Leere im Inneren ihres Herrn. Das Weiß seiner Zähne war verwaschen, vergessen. Schwarzes Rot bedeckte ihre einst so glanzvolle Farbe. Sein herzhaftes Lächeln hatte sich dem verzerrten Grinsen, das drohte seine Mundwinkel zu zerbersten, ergeben, als er jede einzelne Muskelfaser seiner Arme anspannte, ob gerissen oder lediglich erschöpft. Der Schmerz nährte seine Rage, seine Rage seine Kraft. Fäuste schnallten nach vorne, hieben auf ein und dieselbe Stelle ein. Das Holz erzitterte unter den Hass seiner Fäuste. Es wich zurück, versuchte Schutz, Rettung, in den heiligen Hallen zu finden; doch vergebens.
Das Knacken seiner Fäuste, seine gebrochenen Fingerknöchel, erfüllte ihn mit Stolz, mit Leidenschaft. Unaufhörlich lud er seinen Leib weitere Schmerzen auf. Doch das Holz gab nach. Es fürchtete ihn. Selbst Wesen ohne Geist, ohne Seele, ohne Leben fürchteten seine Präsenz. Denn er war die Furcht selbst. Aus ihr geboren, in ihr lebend und mit ihr sterbend.
Ein weiterer Schlag seines rechten Arms. Er gab nach. Der Körper ertrug den Schmerz nicht länger und ein lautes, markerschütterndes Knacken ertönte, als seine Elle nach unten abknickte und ihn somit nutzlos machte. Nicht einmal ein winzig kleines Zucken, kein Zögern, folgte auf das Versagen seiner Knochen. Sein Linker Arm schlug einfach weiter auf sie ein, bis auch er dem Widerstand des stabilen Holzes zum Opfer fiel. Den ausgekugelten Arm konnte er nun auch nicht mehr gebrauchen. Stimmen drangen an sein Ohr. Wütend, verängstigt, verwundert und drohend. Er verstand sie nicht. Sie waren unwichtig für ihn. Allein das Holz war es, das sein Blut in Wallung brachte.
Blind vor Eifer nahm er Schulter und Kopf zur Hilfe. Die Verankerungen des Gebildes gerieten aus den Fugen, bebten bei jedem erneuten Aufschlag des halbtoten Leibs. Sie spürten seinen Hass.
Das kalte Eisen gefror. Das warme Holz gefror. Der Tempel gefror. Der Sand gefror. Der Mensch gefror. Als ein letzter Schlag seiner Schädeldecke die Tür zu fall brachte und die Sicht auf die versammelte, kampfbereite, Priesterschaft ermöglichte. Entsetzt wichen sie zurück, als sie in das Gesicht des Berserkers sahen. Er hatte seine Aufgabe erfüllt.
"Wir sehen uns..."
Das Blut floss seinen schlaffen Armen herab, als die Zeit drohte stillzustehen. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb sein Herz stehen und er sah sein Reich. Doch er dürstete nach mehr und sein brennendes Blut schuf das Herz aufs Neue.
Er spürte den Schmerz, sah wie er langsam auf die Knie sackte und nach vorn auf das Holz stieß. Sein Blut bahnte sich in seine Rinnen. Sie wurden eins.
Und so begann sein neues Leben mit seinem Fall. Dem Fall des Berserkers.
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