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Ehrengarde
1. [Odai Pleatau, gegen Mittag]
Merenwen Calaelen hatte ihre Stirn in Sorgenfalten gelegt. Ihr sonst so makellos schönes Gesicht wirkte besorgt als sie über die Geschäftsbücher gebeugt eine Analyse der aktuellen Lage machte. Ein außenstehender Betrachter hätte dies vermutlich sehr überrascht, wenn er die zahlen erblickt hätte, die Merenwens Handelscompagnie als gewinne abwarf. Aber Merenwen war nicht irgendeine beliebige menschliche Händlerin die nach Goldwerten ging. Sie war eine Hochelfin, fast 2 Jahrhunderte alt und sie wusste, Gold war zwar wichtig um rentabel zu arbeiten, aber Gold war nichts im Vergleich zu wissen und der daraus resultierenden macht. Das hatte sie vor langem gelernt und vor langem verinnerlicht, und sie wäre nicht hier, wenn sie diese Lektion ignoriert hätte.
Also kratzte sie sich wieder hinterm Ohr, nahm einen Schluck vom teuren importierten Summerset Isle Wein und machte eine weitere Notiz. Sie stellte fest, dass die Aktivitäten ihrer Kundschafter und wachen nicht zu wünschen übrig ließen, ebenso wie die Handelssparte und die Erzgewinnung. Alle zahlen waren doppelt geprüft und von ihren vertrauten bestätigt worden. Eine Doppeltstruktur war zwar immer aufwendiger aber gerade zu Beginn äußerst sinnvoll.
Was ihr tatsächlich sorgen bereitete war der Lagerbestand an Erz. Sie hatte zuviel davon. Und ihre Kundschafter ließen verlauten dass die imperialen argwöhnisch wurden. Die verschwindenden Mengen in den Caldera Minen waren kein Problem, aber ihre Aktivitäten und Transporte um Balmora fielen auf. Sie würde mehr personal brauchen um die Transporte effizienter durchzuführen, in andere Richtungen zu führen und an einem geheimen Ort weiterzuverarbeiten. Das Problem bestand darin, dass sie weder Kontakt zu einheimischen Schmugglern hatte, noch dass sie einen geeigneten Orte kannte um größere Mengen Erz unterzubringen oder das geeignete personal hatte um dieses weiterzuverarbeiten. Dies war für den gesamtplan um so essentieller.
Sie legte den Federkiel zur Seite, stand auf, streckte sich und atmetet tief durch. Sofort sprang ihre Leibwächterin von ihrem Stuhl am Eingang des Zimmers auf und nahm Haltung an.
"Ist schon gut Chiranji, ich will nur schnell etwas nachschlagen, setz dich wieder hin. Ich habe dir schon oft genug gesagt dass ich es nicht mag, wenn du bei jeder Bewegung aufspringst und um mich herumspringst. Du sollst sitzen bleiben, bis ich dir sage dass wir gehen oder Gefahr droht. Wenn ich dir sage, dass wir gehen, dann ist es kein Fehler von dir so lange gesessen zu haben, und der Befehl ist kein rüge. Merk dir das!" sagte Merenwen einem Bücherregal zugewandt, welches unter dem Gewicht dutzender Folianten und einiger Bündel Pergamentrollen ächzte.
"Ja Herrin" schnurrte Chiranji zerknirscht und setzte sich zaghaft wieder hin.
Merenwen seufzte. Der Clan von Chiranji Alabaster-Shorestrider diente ihr jetzt schon seit mehreren Generationen. Und der Clan sah es als seine Ehrenpflicht stets die älteste Tochter der Hauptlinie des Clans als Leibwächterin für Merewen abzustellen, während viele andere des Clans in Merenwens diensten standen. Obwohl sie schon seit vielen Jahren aus der Sklavenschaft frei gelassen wurden, blieben sie immer noch bei der Handelscompagnie und fungierten als loyale Agenten und gute Berater. Sie verweigerten fast immer jegliche Bezahlung und so ließ Merenwen den Clan stets mit dem besten möglichen Material ausrüsten um sich wenigstens etwas erkenntlich zu zeigen. Chiranji war noch nicht sehr lange bei ihr, erst zwei Jahre und immer noch sehr nervös, da sie die aus ihrer Sicht höchst verantwortungsvolle Aufgabe der Leibwächterschaft auf sich genommen hatte.
Endlich hatte Merenwen das gesuchte Buch entdeckt und hervorgezogen. Vorsichtig schlug sie die Seiten auf. Es war nicht besonders alt oder prächtig verziert und auch sonst sehr unauffällig. Darin befanden sich Zahlen. Auch auf der nächsten Seite nur Zahlen. Merenwen ging zu ihrem großen schlichten Schreibtisch hinüber und legte das Buch auf eine frei stelle. Sofort begann das Buch zu beben und hob sich in die Höhe. Der Schreibtisch hatte begonnen zu wachsen und hatte aus seiner ursprünglichen wurzelartigen Struktur einen Ast ausgebildet, so dass Merenwen nun bequem im stehen in Buch hineinsehen konnte. Sie griff zu ihrem langen Zauberstab der an den Schreibtisch in eine scheinbar natürliche Ausbuchtung gelehnt war und tippte sachte mit dem unteren Ende des Stabes gegen das Buch. Dabei murmelte sie ein paar hochelfische Silben, und die zahlen zerflossen träge wie Quecksilber und versanken im Buch. Zufrieden legte sie den Stab ab und nahm wieder Platz. Das Buch sank wieder auf die Tischplatte zurück und zeigte nun seinen eigentlichen Inhalt.
Es zeigte ihr den gesamtplan des sie auf Summerset Isle für Dres entworfen hatte und mit dem sie hierher gereist war. Natürlich waren einige Änderungen vorgenommen worden um sich der tatsächlichen Situation anzupassen, aber die Grundzüge waren nach wie vor vorhanden. Sie suchte die aktuelle Strategiesituation heraus und machte eine kurze Notiz mit dem Federkiel auf dem schon vorher beschriebenen Pergament. Direkt danach klappte sie das Buch zu, betrachtete noch einmal den vor ihr liegenden Zettel und dachte wieder über die Situation nach.
Kurze zeit später schien sie einen Entschluss gefasst zu haben. Sie stand auf (Chiranji blieb diesmal gehorsam sitzen) und in Richtung Ausganges des Zimmers. Direkt auf ihren Fersen folgt Chiranji und die beiden gingen hinüber zum Schlafzimmer mit der Ankleide. Schnell hatte Merenwen ihre bequeme Hauskleidung gegen ihre wetterfeste Ausrüstung ausgetauscht. Danach wechselten sie das Stockwerk und gingen zur Rüstkammer. Ebenso schnell und routiniert zog sie ihre Rüstung an und griff gewohnheitsgemäß nach ihren beiden abgewetzten Waffenscheiden um diese umzugürten. Chiranji war sowieso die ganze zeit bewaffnet und gerüstet.
In der Eingangshalle der Manor traf sich Merenwen mit Elaninde, einer Hochelfin, die für die Manor und einige ausgewählte Koordinationsaktivitäten zuständig war.
"Seid gegrüßt Elaninde! Ich werde mit Chiranji für einige zeit aus dem Haus sein. Wir müssen einige dringende Probleme lösen. Die eingehende Post möchte ich bei meiner Rückkehr auf dem Schreibtisch finden. Falls es etwas wichtiges gibt, schickt eine Alabaster Kundschafterin Balmora."
Mit einem ehrwürdigen Nicken antwortete Elaninde: "Wie ihr wünscht Mistress Calaelen. Ich werde alles weitere veranlassen. Benötigt ihr noch etwas spezielles für eure Geschäfte?"
"Nein, nur das Übliche", antwortete Merenwen, von der schönen Innendekoration der Halle abgelenkt.
"Sehr wohl, der Quartiermeister hat euer Reisegepäck natürlich am Tor. Ich wünsche euch eine gute Reise und gute Geschäfte!" Elaninde verneigte sich noch kurz und verschwand dann in einem der Nebenräume.
Merenwen verließ mit Chiranji die Manor und traf am Tor eine wache dir ihr unter Ehrenbezeugung widerstrebend die Gepäckstücke übergab. Er hielt es offensichtlich nicht für angemessen dass sich eine Councilwoman des noblen Hauses Hlaalu das Gespräch mit einer Dienerin teilte und Selbst etwas trug. Merenwen hatte darin noch nie Probleme gesehen und so waren die beiden kurz darauf schon auf dem Weg nach Balmora entlang des Odai Rivers. Merenwen beabsichtigte dort Gerüchte aufzuschnappen, Informationen zu kaufen, Räte einzuholen und sich bei den der Magiergilde zu informieren...
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