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Ald-ruhn
Ninièl traf kurze Zeit später in Ald-ruhn ein, da der Weg von Maar Gan zur redoranischen Hauptstadt glücklicherweise nicht weit war. Rasch führten ihre Schritte sie zum Zentrum dieser sonst so ruhigen, fast würdevoll zu nennenden, Stadt. Ein heilloses Durcheinander aber war es, welches sie heute hier erwartete. Bürgerliche und adlige Dunmer, redoranische Wachen, alle liefen hektisch durcheinander. Wirkten aufgebracht und verwirrt zugleich. Zu ihrem grossen Entsetzen vernahm die Altmerin Gesprächsfetzen, welche allesamt die Morag Tong verdammten und die Hinrichtung der Anführer derselben wünschte. Eiseskälte durchströmte ihre Adern bei diesen Worten, beeinhalteten diese Schreie nach Blut doch auch das Blut ihres Adoptivvaters. Unwillkürlich strafte sich ihre Haltung, ihre Hand glitt zum Schwertknauf und ein hasserfülltes Funkeln trat in ihre Augen. "Mob! Pöbel!", dachte sie unwillkürlich verächtlich. Vereinzelt anzutreffen waren sie feige, doch jetzt, in der Masse, da war es ja so leicht nach dem Blut anderer zu schreien. Sie wollten keine Fakten, Verdächtigungen und Gerüchte reichten ihnen aus und vielleicht spielte auch ein heimlicher Triumph mit, die gefürchtetste und mächtigste Organisation Vvardenfalls fallen zu sehen. Eine Organisation, der sich im Zweifel selbst der Tempel beugte. "Kleingeister. Nichts als Kleingeister", ging es Ninièl durch den Kopf, während sie tief durchatmete und sich zu sammeln versuchte. Blinde Wut würde ihren Blick jetzt trüben und ihrem Vater wohl nicht helfen. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass die Verachtung und Abneigung jenen gegenüber empfand, die sich nur in der Menge oder durch Intrigen stark fühlte. Irgendein Opfer brauchten solche Leute immer, damit sie sich selber größer fühlen konnten. Dabei war es - bei logischer Betrachtung - höchst unwahrscheinlich, dass die Morag Tong hinter dem Mord steckte. Der Vater Venims war ein angesehener alter Herr gewesen, der niemals jemandem etwas zuleide getan hatte. Es war gemunkelt worden, dass er sogar in der letzten Zeit mit Betrübnis die Entwicklung seines Sohnes Bolvyn verfolgt hatte. "Ja, der wäre ein weitaus wahrscheinlicheres Opfer der Morag Tong gewesen, dieser Bolvyn", dachte Ninièl, die den machtgierigen und intriganten Ratsherrn der Redoran noch nie gemocht hatte. Machtgier und Falschheit ging zumeist Hand in Hand und Bolvyn Venim war ein lebendes Beispiel dafür. Revan hatte ihr erzählt, dass dieser früher anders gewesen sei. Ein edler Charakter, stark, eine gerechte und wahrheitsliebende Führungspersönlichkeit, zu dem alle mit Recht aufgesehen hatten. Wann und warum war er wohl von diesem Weg abgewichen? Und wieso musste sein Vater sterben? Fragen über Fragen. Ninièl wurde plötzlich bewußt, dass sie sich mit zwei verschiedenen Problemen zu gleicher Zeit befaßte. Bolvyn Venims Veränderung und dem Mord an seinem Vater. Letzterer sah ihr nach einem Komplott aus. Einer Verschwörung, um die Morag Tong in Mißkredit zu bringen und zu stürzen. "Wer könnte ein Interesse daran haben", überlegt sie unwillkürlich laut, ohne sich dessen bewußt zu werden. "Die Legion? Weil selbst der Kaiser keine Macht über die Morag Tong hat? Der Tempel, der sich allzuoft dieser gefürchteten Organisation selbst unterwerfen musste? Oder gar die Dunkle Bruderschaft, die sich auf diesem Wege eines überaus lästigen, doch gleichwohl hoch angesehenen Rivalen entledigen wollte?"
"Was meint Ihr? Worüber sprecht Ihr da gerade?" Diese Frage schreckte Ninièl aus ihren Gedanken und sie merkte erschrocken, dass sie selbige laut ausgesprochen hatte und nun einer äusserst verdutzten Wache gegenüber stand. Der plötzliche Schreck liess sie wütend werden. "Dasselbe, was Ihr auch denken und euch fragen solltet", schrie sie den Mann an. "Sofern Ihr denn selbst denken könnt und nicht lieber gleich jedem Gerücht Glauben schenken und nach Opfern schreien möchtet", fuhr sie ruhiger, jedoch mit ausgesprochen bösartigem Unterton hinzu. Dann liess sie den Verdutzten stehen und begab sich in Richtung einer Taverne, gespannt, was sie dort erfahren würde und ob die Stimmung da ebenso unkontrolliert aufgebracht wäre wie auf den Strassen.
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