„Der Held kommt immer zu spät!“, sagte Malukhat und klopfte sich selbst anerkennend auf die Schulter, während die Bretonin ihn nur missbilligend dabei musterte. Wie allseits bekannt war, kamen Helden ja in der Tat immer erst in letzter Sekunde zur Rettung armer Opfer. Doch – was war an Malukhat bitteschön heldenhaft? Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann kamen Helden nicht immer nur in letzter Sekunde, nein – sie verschliefen auch. Der Dunmer, eingekuschelt in die mit Klippenläuferdaunen gefüllten Decken und dem Kuschelkissen in Form einer Sonne mit schwarzen Knopfaugen im Arm hatte sich einfach nicht wecken lassen.
Nun saß er auf dem Bett und genoss den letzten Bissen seines ausgiebigen Frühstückes wie ein kleines Kind mit einem Lolly.
Der Mond Massah und sein großer, dunkelrot leuchtender Bruder waren bereits aufgegangen, hatten der Sonne ihren verdienten Schlaf gewährt und erhellten statt ihrer nun die vivecschen Wohninseln. Allein der Stern des Abends vermochte noch ihr Licht in Pracht und Schönheit zu übertreffen, während lange, dunkle Wolken über die Himmelskuppel zogen, immer mit der Richtung des Windes.
Schließlich bequemte Malukhat sich doch noch, seine Kleider und die Rüstung anzulegen, und sich langsam auf den Weg zum Bootsanleger zu machen, um von dort aus zur Arena zu gelangen.
Auch diese Nacht wird irgendwann vorüberziehen, dachte er und seufzte erleichtert. Denn wenn diese Nacht erst vorüber war, würde ein neuer Morgen folgen, sowohl für ihn selbst als auch für das Weiterbestehen der Magiergilde. Bereits jetzt, wo der Kampf um den Titel des Erzmagiers noch nicht einmal begonnen hatte, war Trebonius in die Geschichte eingegangen; als fauler, hohlköpfiger Narr. Doch auch Malukhat machte sich nichts vor. Er wusste nur zu gut, wie die Mitglieder der Magiergilde über ihn dachten: Da waren sie nun dabei, einen gutmütigen Trottel gegen einen hartherzigen, blutrünstigen Schwachsinnigen einzutauschen. Ranis Atrys, die Dunmerin, die die Interessen der Magiergilde in Balmora im Dienste des Erzmagiers vororte vertrat, hatte etwas Derartiges wohl ein wenig zu laut gesagt, wenn es bis an sein Ohr zu dringen vermocht hatte. Doch nun musste er einfach Geduld haben, bevor er seiner Wut lautstark Luft machte und ein hartes Disziplinarverfahren einleitete. Zuerst natürlich in Balmora, wo der Ursprung jener Lästereien gegenüber seiner Personen lag.

Als er aus der Ferne einer Ansammlung an Mensch, Mer, Ork, Khajiit und Argonier gewahr wurde, die sich im obersten Stock der Arena am großen Tor versammelt hatten, schlich sich ein überhebliches Lächeln auf Malukhats Lippen (wie so oft in letzter Zeit). Ein schöner Empfang war das für ihn, wahrscheinlich ebenso schön wie es für den seit längerem wartenden Trebonius hatte sein müssen. Dieser Idiot. Malukhat selbst hätte nach einer gewissen Zeit einfach auf Mangel der Ernstlichkeit plädiert, den Kampf so gewonnen und sein Gesicht gewahrt, doch Trebonius dachte für ein solches Verhalten einfach über zu viele Ecken und Kanten was die Bewahrung seines Gesichts anging.
Nun galt es für den Dunmer nur noch, einen lässigen Auftritt hinzulegen. Schattenmaske – und ab ging die Post! Er drängte sich an den Umstehenden vorbei, bis er durch das große Tor auf den Platz der Wohninsel gelangt war, die eigentliche Arena. Massen waren auf die Tribünen gestürmt, um diesem Schauspiel beizuwohnen, weitaus mehr als Malukhat erwartet hatte. Aber, nun ja – dort waren erst einmal sämtliche Mitglieder der Magiergilde jeglichen Ranges, dann noch einige Schaulustige aus Vivec, und Malukhat meinte, selbst Hasphat Antabolis, das Oberhaupt der Kriegergilde, auf einem der Plätze zu erkennen, doch genau konnte er es nicht sagen. Bevor der Zauber verfliegen konnte, der ihn hatte mit seiner Umgebung verschmelzen lassen gleich einem Chamäleon, trat er an die Brüstung heran und starrte auf den darunter liegenden Kampfplatz hinab. Trebonius stand am anderen Ende, die Arme vor der Brust verschränkt, und wartete gelassen, wie man es von ihm auch nicht anders erwartet hätte. Wie gesagt, meist die Ruhe in persona. Mit einem Schwung hatte Malukhat das Geländer hinter sich gelassen und war mit dem Zauber „Feder“ sicher auf dem Boden aufgekommen, kein Sandkorn wirbelte auf, alles blieb ruhig und unbewegt, wie er es dem Effekt seines Auftretens wegen auch geplant hatte. Langsam schwand die Schattenmaske dahin, und um noch ein wenig Grandiosität in die Sache zu bringen, richtete er einen leichten Eishauch auf den Boden, der den feinkörnigen Sand leicht um ihn wirbeln, seinen schwarzen Umhang wie die Flügel eines Ungeheuers aufbauschen ließ.
Ein Raunen ging durch die Reihen, als Trebonius’ Kontrahent plötzlich wie aus dem Nichts in der Arena erschien. Dann gespannte Stille, die die Luft wie zuckende Blitze erfüllte.
Trebonius zog eine Augenbraue hoch und sah den Dunmer nun direkt an, der ihm seinen Rang abspenstig machen wollte.
„Da seid Ihr ja auch endlich. Ich dachte schon, man habe Euch Eurer gerechten Strafe zugeführt, bevor ich dazu die Gelegenheit hatte.“
Dir werden deine Sprüche noch vergehen, dachte Malukhat finster.
„Wollen wir nun endlich beginnen?“, fragte Trebonius weiter, und noch bevor Malukhat zu einer sarkastischen Antwort kommen konnte, erschien aus einer glitzernden Quelle weißen Lichts eine Gestalt, die schnell zu einem Großen Knochenläufer heranwuchs. Ein wirklich hässliches Vieh, wie Malukhat dachte, als er es von oben bis unten betrachtete. Bestehend aus Fleisch und Knochen, zusammengehalten von groben, eisernen Platten – wohl Restmüll –, die sowohl als Medium für die Beschwörung als auch zur Verstärkung seiner Kraft und Ausdauer dienten. Dass der Knochenläufer ziemlich groß war, machte die Tatsache nicht wett, dass er sich langsam und schwerfällig bewegte.
„Wenn Ihr es so wollt, Trebonius!“ Malukhat beschwor nun ebenfalls eine Kreatur herauf, eine etwas kleinere Gestalt, deren schmale Arme am Ende zu Krallen zusammenliefen und zum Großteil mit den in den Rücken mündenden, schwarzen Flügeln verwachsen waren. Seine Haltung war gebückt wie die eines Klippenläufers, doch der Kopf ähnelte dem eines Dunkelelfen, wenn auch nicht aschfarben sondern eher blaustichig von der Farbe her. Dieses kleine, Flederschatten genannte Monster erhob sich nun in die Lüfte und begann, den Großen Knochenläufer zu attackieren, der zwar durchaus stärker war, dafür aber nicht wenig und geschickt genug, um den Schläge auszuweichen.
Während nun zwischen den beiden beschworenen Kreaturen ein wilder Kampf tobte, starrten die beiden Magier sich finster an. Die Menge, größtenteils bestehend aus Magiern, blieb still, nur ab und ertönten einige Rufe zu den beiden Männern hinunter, doch alles in allem wurde ihre Konzentration durch nichts gestört.
Malukhat musste sich endlich eine Strategie ausdenken, wie er den Gegner ausschalten konnte, am Besten so schnell wie möglich! Und er hatte auch schon eine Idee; blieb abzuwarten, ob sie es auch bringen würde. Mit einer Hand erschuf er einen kleinen Feuerball, schleuderte ihn auf Trebonius, der ihn natürlich schlichtweg abwehrte. War ja auch ein schwacher Angriff.
Aber wo war Malukhat nun? Ja, das war die große Preisfrage – und die Antwort kannte nur Malukhat selbst, der sich einen Ast grinste, weil Trebonius nicht längst auf die Idee gekommen war, einfach einen „Bewusstsein entdecken“ – Zauber anzuwenden, nicht einmal, als der Dunmer mit erhobenem Schwert hinter ihm stand. Das Aufblitzen der Klinge spiegelte sich in seinen Augen wieder, ein irrer Glanz der Vorfreude und des Triumphes. Das Schwert sauste schwungvoll hinab, direkt in Richtung des Rückens des Magiers – und grub sich in den Sand.
„Häh?“, entfuhr es dem vollkommen entgeisterten Malukhat, als er den grobkörnigen Sand betrachtete, in welchen er das Bloody Shine gejagt hatte. Dann sah er zur Seite und erkannte Trebonius, der sich mehrere Meter neben ihm im Sand kniend befand, sich langsam wieder aufrappelte. In jenem Moment schoss das Adrenalin gleich einem Blitz durch Malukhats Körper, dass seine Kopfhaut sich über dem Schädel spannte.
„He!“, rief er Trebonius dann zu und streckte seinen rechten, behandschuhten Zeigefinger auf den Erzmagier. „Ausweichen gilt nicht!!“
„Geht’s noch?!“, brüllte Trebonius außer sich, dann gewann er seine Ruhe zurück, seufzte und starrte in Richtung der Kuppel des Arenaplatzes. „Heiliger Olms, bitte erklär du es mir: Was ist bei seiner Geburt schief gelaufen?“
„Gnaa…“, vor Entrüstung wäre Malukhat fast das Schwert aus der Hand gefallen. Doch nun fing er sich wieder, jedoch sein Gesicht war immer noch vor Wut verzerrt. Dieser Knilch hatte es tatsächlich gewagt ihn zu beleidigen. Nun, er hatte es schon öfters getan, aber dieses Mal auf vollkommen andere Weise! Oh ja! Unterschwellig hatte er nämlich auch Malukhats Mutter (Lorkhas habe sie selig) beleidigt! Und all dies bahnte sich nun seinen Weg durch das Hirn des Dunmers! Natürlich hatte Trebonius niemals vorgehabt, Malukhats Mutter zu beleidigen, sie konnte ja auch nichts für so einen Sohn, das wusste er selbst, aber seine Einbildungskraft siegte… wieder einmal.
„Du… du…“, mehr brachte er einfach nicht hinaus. Die feinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, eine Gänsehaut durchschauerte seinen Körper. Auch er hatte eine Schmerzgrenze, die keinesfalls überschritten werden durfte. Das war einfach ungesund, das musste Trebonius doch wissen! Aber nun hatte er Malukhat zum Ausrasten gebracht. Nichts war mehr von dem Tollpatsch übrig geblieben, welcher er normalerweise zu tun pflegte. Ein Wandel seiner Persönlichkeit, seiner gesamten Art. Nun war für ihn keine Strategie mehr gefragt, kein sorgsames Pflegen seines Mana-Haushaltes, nein – er ließ alles raus. Auf der Stelle. Mit wenigen Handbewegungen erschien um ihn ein feuriger Kreis, bahnte sich in schnellen Bewegungen seinen Weg um den gesamten Körper des Zaubernden, Blitze zuckten um ihn herum, ließen das Spiel von Licht und Schatten noch grandioser erscheinen, strahlen helle Glanzlichter, bläulich geädert, verliehen dem Schauspiel nur noch den letzten Schliff. Mit einem tiefen Grollen, dem eines rollenden Donners gleichkommend, entluden sich die Mächte des Dreifaltigkeitszaubers der Naturgewalten, setzten sich zu einem festen, magischen Schild zusammen, der Malukhats Körper vor weiteren Angriffen würde schützen können. Trebonius starrte ihm mit offenem Mund entgegen, das hatte er wohl nicht erwartet, dass ein einfacher, scherzhaft gemeinter Kommentar Malukhat um den letzten Funken Verstand bringen würde.
Von surrenden Blitzen, aufzüngelnden Flammen und sternförmigen Glanzlichtern umhüllt, machte der Dunmer einen Schritt auf seinen Gegner zu, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Er spürte, dass sein Mana nicht mehr für einen größeren Zauber ausreichen würde, aber das interessierte ihn herzlich wenig. Erstmal hatte er ohnehin nicht viel Zeit zu überlegen, zweitens sorgte er sich momentan nicht einmal darum, dass der Schild nur mit gut Glück zehn Minuten halten würde, mit sehr wenig nicht mal drei.
Trebonius Augen waren von ehrlichem Fatalismus gezeichnet, er schien sich seine Niederlage einzugestehen, machte keine Anstalten, sich von Ort und Stelle zu bewegen – wusste er doch nicht, dass er seinen Gegner einfach noch ein bisschen hätte bei Laune halten müssen, um den Schild sich von selbst zerstören zu lassen und den geschwächten Dunmer niederzuzwingen.
„Wag es nicht einmal um Gnade zu winseln, du Hund“, sprach Malukhat bedrohlich monoton. „Außer Spott wird es dir nichts einbringen außer dem Tod – und der ist dir ohnehin schon gewiss!“
Trebonius schloss die Augen in seiner offensichtlichen Niederlage, als sein Kontrahent seine Klinge erhob, dem Kampf ein schmerzloses Ende bereitete.
In jenem Moment, in dem Trebonius Lebenslicht erlosch, schwand auch das des Großen Knochenläufers, und nichts außer einigen kleinen, schwachen Lichtern erhob sich in feinen Kreisen hinauf zur Kuppel, bis sie schließlich all ihre Energie verloren und sich in Nichts aufzulösen schienen.
Über dem Platz hing eine Wolke fassungslosen Schweigens, bis plötzlich wie aus der Ferne ein Ruf an Malukhats Ohren drang: „Trebonius ist tot“ Hoch lebe der neue Erzmagier!!“