Nun, inzwischen hatte Malukhat herausgefunden: Die Zeit hatte ihm etwas zu sagen - nur leider nichts Gutes. Wie immer. Eine Nacht unter freiem Himmel, weit abseits von Dagon Fel, um nicht allzu sehr aufzufallen - und als Obdachloser wollte er nun auch nicht öffentlich tituliert werden! Aber war sein Leben ihm denn nicht mehr wert als sein verdammter Stolz?
"Nein, das ist es nicht!", hatte er entschieden, als der wilde Guar ihn im Schlafe angegriffen hatte. Das wilde Tier hätte ihn wohl getötet, hätte er nicht so einen leichten, unbequemen Schlaf auf dem weichsten Stück Boden gehabt, welches sich hatte auffinden lassen.
Als er sich schließlich mit eiskaltem Wasser gewaschen und sich seine Rüstung übergezogen hatte, kam er sich irgendwie zerknittert vor. Mit einem leicht fatalistischen Gesichtsausdruck fasste er sich an die Stirn und stöhnte gequält auf.
"Gnaa... hab ich 'nen Schädel!", waren die Worte, mit denen er sich abermals auf nach Dagon Fel machte. Als er sich langsam der Steinummäuerung näherte, in der die etwas besseren Häuser standen, kam ihm auch schon eine Wache entgegen. Malukhats Blick verfinsterte sich, als er dachte Nicht schon wieder. Er legte seine Hand an den Griff seines Bloody Shine, dann ließ er wieder davon ab. Nein, er sollte sich nicht darauf einlassen, noch einen Menschen zu töten, das hatte er in Sadrith Mora bereits getan, ohne jeglichen Grund, wie es schien. Die Wachen taten auch nur ihre Arbeit. Aber sie konnte ihn trotzdem genauso gut in Ruhe lassen. Dann dachte er an den Ring, der ihm vor Jahren von seinem Vater geschenkt worden war. Dieser wiederum hatte ihn von seinem Großvater bekommen und so weiter. Er nannte sich "Indoril Nerevars Siegelring", eine Erinnerung an die Verfechter des Hauses Indoril, eine Bezeichnung der Blutlinie der abtrünnigen Priester, die er durchbrochen hatte.
Nun stand die Wache direkt vor ihm, allerdings ohne jegliches Anzeichen auf einen folgenden Angriff.
"Wir griffen des Nachts einen Dieb auf", erklärte der Mann mit fester Stimme, jedoch auch mit einem Ton der Höflichkeit darin. Dann hob er einen Geldbeutel. "Er war betrunken, und als er in der Zelle wieder zu sich kam, erzählte er uns, dass er den Geldbeutel einem Fremden gestohlen hatte. Außer euch habe ich keinen auffälligen Fremden entdecken können, also nehme ich an, dass dies euch gehört?"
Malukhat griff danach. Ja, das war sein Beutel, seine hart gestohlenen Drake...
"Da habt Ihr richtig gedacht, gehört mir. Danke." Sein Gesichtsausdruck wirkte hart, als wenn er sich gedacht hätte: Das Geld ist zwar weg, aber da, wo es herkommt, habe ich noch mehr davon. Er machte einen reichen Eindruck, aber innerlich machte seinen Herz einen Sprung, als er daran dachte, dass er sich beinahe darauf hätte besinnen müssen, in irgendeines dieser verfallenen Häuser einzusteigen und die ohnehin schon mittellosen Bewohner um ihr letztes Kleingeld zu erleichtern. Ohne Skrupel hätte er es getan, aber nun hatte der Zufall - oder wer auch immer - dafür gesorgt, dass nicht noch mehr Menschen unter ihm hatten leiden müssen. Nun, auf diese Art konnte man dem Glück wohl auch auf die Sprünge helfen. Mit einem Handwink über den Rücken hinweg verabschiedete er sich von der Wache, denn sein Ziel waren nun die Docks. Er hatte eine Entscheidung getroffen, eine folgenschwere, wie man annehmen musste. Er wollte nach Vivec gehen, zu Trebonius in die Magiergilde. Das Kriechen hatte er nicht vor, er wollte den Dummkopf eher bei seiner Ehre packen. Wie hatte die Aufgabe noch gleich gelautet? Finde etwas über das Verschwinden der Zwerge heraus? Na klar, das machte er, Malukhat, einfach mal so nebenbei! Nein, nein… Von Trebonius hatten sie alle einen Hals, und das wusste er auch, doch niemand hatte ihn bis jetzt zu einem Kampf herausgefordert. Hatten sie sich nicht getraut? Oder sich einfach mit ihrer Stellung in der Magiergilde abgegeben? Trebonius wusste, wie die anderen hohen Mitglieder über ihn dachten, und wenn sich ihm nun ein Gesetzloser gegenüberstellte, der einst zu den Magiern gehört hatte, und ihn zu einem Kampf auf Leben und Tod herausforderte, musste er einfach annehmen. Malukhat konnte nichts verlieren – außer seinem Leben natürlich, aber das machte dann auch nichts mehr. Gewann er auf der anderen Seite allerdings, dann hatte er sich den Rang als Erzmagier verdient und sein Kopfgeld war passee. Einen Versuch war es wert, so dachte er und machte ich auf den Weg zu den Docks.
„Gnaa!“, rief er plötzlich aus und blieb abrupt stehen. Wofür hatte er denn nun die Zauber Makieren und Rückkehr gelernt, wenn er sie ohnehin nicht benutzte. Und nun wollte er zu den Docks gehen und seine Drake für eine Schifffahrt ausgeben, die seinen Zweck nicht erfüllte und nur Zeit in Anspruch nahm. Wertvolle Zeit, die er nicht hatte. Er hob gerade die Hände um zu dem Zauber anzulegen, da besann er sich eines Besseren, er schlug die Hände vor das Gesicht.
„Welchen Ort hab ich denn überhaupt mit dem Zauber markiert?!“
Es gab mehrere Möglichkeiten: Entweder die Magiergilde in Balmora, der kaiserliche Kult in Ebenherz, Indoranyon und schlussendlich die Magiergilde in Vivec, direkt vor den Füßen Trebonius’.
Aber es war nun einmal so, dass die anderen Ausweichmöglichkeiten nicht unbedingt vorteilhaft für ein Weiterleben seinerseits waren.
„Was glotzt du so bescheuert?!“, brüllte er einen jungen Bretonen an, der sich tatsächlich dorthin gestellt und dem merkwürdigen Schauspiel beigewohnt hatte. Wenn Malukhat scharf nachdachte, dann kam es schon einmal vor, dass er sich in Streitgesprächen mit sich selbst, Haare raufen und etlichen Gestikulierungen verlor und so seine Gedanken vor sich selbst unbewusst zu verdeutlichen. Genialität und Wahnsinn gehen nun einmal gern Hand in Hand, streichelte er sein Ego selbst gerne mal, dachte er doch nicht einmal darüber nach, dass Einbildung auch eine Bildung sein konnte.
„Hau ab, Nervensäge, oder soll ich dir Beine machen?!“, knurrte Malukhat ihn an, woraufhin der junge Mann auch von dannen zog.
„Immer diese Schwachsinnigen, die nichts Besseres zu tun haben, als andere Leute zu belästigen!“
Ruhig, Brauner, sagte er schließlich zu sich selbst, diesmal in Gedanken, und atmete tief durch. Er hob die Arme und vollführte die notwendigen Bewegungen für den Rückkehr-Zauber. Er spürte, wie sein Körper, von dem warmen Licht umrundet, langsam seine Gestalt verlor, sich in seine Partikel auflöste und verschwand. Er hatte früher immer gedacht, für diese Art der Dematerialisierung wäre ein Medium nötig, auf dem es schließlich aufbauen konnte, doch mit der Zeit hatte er erkannt, dass das Medium eines jeden Zaubers in der Magie lag, die jedem Körper von Geburt an innewohnte. Somit blieb es bei jeder Person jeglicher Rasse selbst, ob sie das Zaubern erlernen wollte oder nicht.
Schließlich begann sein Körper wieder eine feste Materie anzunehmen. Als der Zauber sein Ende gefunden hatte und Malukhat die Augen öffnete, weiteten sie sich sofort voller Schrecken.
„Ach du Scheiße…“