-
Dagon Fel
Malukhat hatte sich gefragt, wie er nur so dämlich hatte sein können. Er war generell nicht der Typ Mann, der aus Spaß an der Freude erst einmal seinen Magie-Haushalt in alle Winde verstreute und zweitens einen Fußmarsch von Azura weiß wie vielen Meilen hinter sich brachte. Nun, vielleicht war er manchmal ein wenig zu bequem, aber aus welchem Grund gab es schließlich Boote und Schlickschreiter? Zum Anschauen bestimmt nicht... Also stand er seinem Absturz bei Tel Aruhn mit gespaltenen Gefühlen gegenüber: Einerseits kam er sich seltsam verdellt vor, obwohl er relativ sanft gelandet war, auf der anderen Seite schließlich war er dann erleichtert, als er das Schiff gesehen hatte, welches ihn an jenen Ort bringen sollte, den er einfach einmal spontan bestimmen würde, da er ohnehin kein bestimmtes Ziel hatte, und schlussendlich hielt er sich dann für den größten Idioten der Welt, nicht bedacht zu haben, seiner Bequemlichkeit bereits in Sadrith Mora gehuldigt zu haben. So war er denn auf das Schiff gestiegen und hatte sich einfach mal bei einem Blick auf seine Taschenkarte dafür entschieden, dass Dagon Fel doch einmal ein guter Ort war, um ein neues Opfer auszuwählen.
Die Stadt war nicht sehr groß, was also wohl heißen konnte, dass es dort nicht unbedingt viele Wachen gab. Andererseits würden die Menschen dort ein wenig ärmlich aussehen, und das tat er gewiss nicht in seinem schwarzen Umhang und dem Rest seiner Rüstung. Malukhat war nun aber auch nicht unbedingt ein reicher Mann, seine Hand fand eher des Öfteren seinen Weg in die Geldbörsen und Eigentümer anderer Menschen, die man dank deren Unvorsichtigkeit und Naivität leicht um ihre Habseligkeiten bringen konnte. Sein Erscheinungsbild durfte dementsprechend also nicht unbedingt unter der Kategorie "unscheinbar" verstaut werden, wenn er sich innerhalb einer etwas ärmlicheren Stadt befand.
Doch nun war es zu spät, er betrachtete den Himmel, die wenigen Wolken, die sich vor die Monde schoben und horchte auf das sanfte Rauschen der Wellen. Der Wind war kalt, doch er war warm gekleidet, es störte ihn nicht sonderlich. Ohnehin war er solche Verhältnisse gewohnt. Dagon Fel, dachte er, als er sich an den Holzdocks die alten Holzhäuser ansah, die auf Holzplanken gelegt waren. Lange nicht gesehen.
Die Sohlen seiner redoranischen Stiefel schlugen dumpf auf dem Holz auf, als er den schmalen Gang zwischen den Hütten entlang zu festem Untergrund schlenderte. Plötzlich kam aus der Dunkelheit jemand auf ihn zu gewankt. Malukhat blieb stehen, seine rechte Hand über dem Schaft seines Schwertes schwebend, dass er den kalten Stahl unter seinen behandschuhten Fingern bereits zu spüren vermeinte. Als die Person näher kam, erkannte er allerdings, dass der Ursprung seiner Aufregung und das Kribbeln in seiner rechten Hand allein ein scheinbar betrunkener Nord mit blondem - oder hellbraunem? - Vollbart und langem, lockigem Haar war. Seufzend entspannte Malukhat seine Muskeln und erwartete, dass der Nord an ihm vorbeiwanken würde, doch genau dies tat er wider jeden Erwartens nicht. Er packte Malukhat am Arm und hielt sich daran fest.
"He, Alter!", fuhr er den Mann an und wich ein Stück zurück. Der Mann sah zu ihm auf, seine Augen waren unter seinen buschigen Brauen geradezu versteckt.
"Was denn?", fragte er ehrlich verwirrt und mit einer Alkohol-Fahne, bei der sich beinahe Malukhats Magen umdrehte.
"Lass mich gefälligst los, du Drecksack!", probierte Malukhat es also noch einmal, drückte sich allerdings nun etwas deutlicher aus und mit einem drohenden Unterton in der Stimme. Aber der Nord ließ nicht locker, drängte sich noch näher an den übelgelaunten Dunmer, vergrub sein Gesicht in dessen Umhang. Was sollte der Kerl von ihm? Plötzlich war ein leises Schluchzen zu hören. Da weinte der Nord ihm doch glatt in seiner Volltrunkenheit in den Umhang! Was für eine Erdreistung!
„Hallo! Geht’s noch? Lass mich gefälligst los, oder ich…“ Da hatte der Mann ihn auch schon losgelassen. Nun lag ein hämischen Grinsen auf seinen Lippen und seiner Kehle entstieg ein rollender Laut, als er sich umdrehte und davon lief.
In Ordnung… Immerhin hatte er Malukhat los gelassen, in dessen Augen war das schon einmal ein Anfang, aber dass er ihn nun auch noch auslachte? Welches Spiel wurde hier gespielt. Da fuhr die Erkenntnis wie ein Blitz durch seinen Körper und seine Hand zuckte hinab zu seinem Geldbeutel – weg, verschwunden, nicht mehr da – geklaut!
Wäre da nicht die Wut über diesen dreisten Diebstahl gewesen, hätte er sich wohl in Grund und Boden geschämt. Ein geübter Dieb, der sich hatte von einem Betrunkenen beklauen lassen… Mindestens war es da schon einmal wert, sich Gedanken und Sorgen zu machen.
„Ich werd alt…“, sagte Malukhat leise zu sich selbst und verdrehte die Augen. Nun, er stand immer noch wie angewurzelt dort und machte sich Gedanken darüber, wie diese Gräueltat und die Unfähigkeit seinerseits nur hatten vonstatten gehen können.
Verfolg ihn endlich, Schwachkopf!, schrie ihm sein Unterbewusstsein schließlich zu.
„Bin schon dabei!“, flüsterte er in die Nacht, doch schon, als er den ersten Schritt gemacht hatte, musste er bedauernd feststellen, dass er zu lange gewartet hatte. Sein Geld war über alle Berge und nun konnte er weder vor noch zurück. Herrlich, wirklich herrlich… Wieder einmal spielte ihm das Schicksal einen ungeahnt grausamen Streich. Es gab nur eine einzige Chance für ihn: Nach Vivec zu gelangen und den Erzmagier Trebonius um Vergebung für seine Taten zu bitten, dieser konnte dann für ihn ein gutes Wort einlegen und er würde sein Kopfgeld los, welches er einmal aus tatsächlichem Geldmangel und zweitens seiner Prinzipien wegen nicht hatte bezahlen können. Wenn Trebonius ihm allerdings nicht vergab, dann war Malukhats Leben verwirkt und man würde ihn wahrscheinlich öffentlich hinrichten. Und hier, in Dagon Fel, begann nun das eigentliche Problem: Kein Geld, keine gemütliche Reise mit dem Schiff. Er würde sich gewiss nicht dazu herablassen, irgendwie zu Fuß nach Vivec zu gelangen – das bedeutete einen Fußmarsch über die gesamte Karte von Vvardenfell, wenn man einmal bedachte, dass Malukhat auch noch geflissentlich einen Bogen um die Geisterpforte machen würde.
„Toll… Nun steh ich hier…“ Ehrlich gesagt wusste er momentan nichts mit sich anzufangen. Vielleicht sollte er sich vor eine Wachen stellen und ihm sagen, was für ein schrecklicher Dunmer er doch war und was er alles an Schandtaten begangen hatte. Aber das wäre irgendwie unter seiner Würde und verdammt dämlich.
Auf Knien vor Trebonius zu kriechen, mit demutsvoll gesenktem Kopf – das war ebenfalls unter seiner Würde. Scheinbar gab es keinen Ausweg mehr aus seiner Situation und es war unwahrscheinlich, dass er sich später zum Guten bekehren lassen würde. Da brauchte es schon echte Reue, und die war nun einmal nicht anwesend.
„Okay… Hunger… Durst… oh man…“ Wieder eines seiner Selbstgespräche, die ihn einfach nicht zu einem Schluss kommen ließen. Er jammerte sich selbst die Ohren voll. Auch irgendwie ein Armutsbekenntnis.
Na, ich werd ja sehen, was die Zeit mir so zu sagen hat, dachte er und verließ sich nun voll und ganz auf sein scheinbar nicht vorhandenes Glück.
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln