Zitat von elpede
Schneller, als der Redoran es wahrnahm, hatte elpede einen Dolch in Wurfposition
gebracht. In Sekundenbruchteilen wäre das Schicksal des Söldnerführers besiegelt
gewesen, doch jener riss sich zusammen, und so verschwand der Dolch wieder in
den Tiefen der Robe, ehe ihn jemand zu Gesicht bekam. Doch elpede war innerlich
wütend, denn der Söldnerführer sah nicht und urteilte über etwas, das er nicht
verstehen konnte.
"Hütet Eure Zunge, N´Wah. Ich habe die Klingen bereits unzählige Male gekreuzt,
als Eure Eltern noch Ratten mit Holzschwertern gejagt haben und Eure Geburt noch
ein weit entferntes Ereignis war. Wenn Ihr Euch mit mir duellieren wollt, so
müsst Ihr dies nur sagen und unser nächstes Zusammentreffen findet in der Arena
zu Vivec statt. Wir können die Sache auch hier regeln, wenn Ihr wert darauf
legt, den Boden mit Eurem Blut zu tränken.
Nicht alles, was Ihr nicht begreift, ist deshalb falsch. Der Glaube an die alten
Prophezeiungen hat mich nicht weiter gebracht, nie. Es mag sein, dass Fürst
Nerevar eines Tages wiedergeboren wird. Vielleicht hat dieses Ereignis sogar
längst stattgefunden. Doch wird dieser wiedergeborene Nerevar nicht der Fürst
sein, den ich kannte und dem ich einst diente. Seine Seele mag diesselbe sein,
doch wird er nichts mehr wissen von dem, was einst am roten Berg geschehen ist.
Er wird manipulierbar sein, denn die Wahrheit hat viele Seiten und viele
Gesichter, und er selbst wird wählen müssen, wem er glaubt. Er wird vom Tempel
und damit vom Tribunal als Ketzer und Heuchler verfolgt werden, wenn er sich
offenbart, was er aber muss, denn sonst kann er die Prophezeiungen nicht
erfüllen. Der Glaube muss schon sehr stark sein, wenn man sich vorstellen mag,
wie er die alten Prophezeiungen erfüllen will. Denn er selbst ist unwissend,
während seine Feinde Jahrhunderte Zeit hatten, sich auf seine mögliche Ankunft
vorzubereiten. Nicht umsonst gehören alle Dokumente, die die Schlacht am roten
Berg beschreiben, zu den verbotenen Schriften. Nur wenige Ausnahmen gibt es,
nämlich jene, in denen das Tribunal sich selbst verherrlicht und als Befreier
preist, während Fürst Dagoth Ur als der Inbegriff des Bösen dargestellt wird.
Nehmt alle Umstände zusammen und überlegt, was Ihr da redet. Die Chancen für den
Nerevar stehen schlecht, und jeder, der die Hände in den Schoss legt und auf
alte Prophezeiungen schwört, ist ein größerer Verräter, als ich es je sein
könnte. Hier geht es nicht um Ansehen oder Ehre, Redoran. Merkt Euch das. Wenn
der Feind erst vor der Tür steht, werdet Ihr keine Zeit mehr haben, Eure
albernen Fehdehandschuhe vor dessen Füsse zu werfen und ihn zu einem ehrenhaften
Duell aufzufordern. Ihr verlasst Euch auf Eure Tugenden und auf das Tribunal,
die drei Götter, die Euch schon beschützen und leiten werden, und somit ist das
Schicksal der Redoran ebenfalls besiegelt, wenn ihr daran nichts ändert.
Es hat in den letzten einhundert Jahren mindestens ein dutzend Fremdländer
gegeben, die allesamt behaupteten, der wiedergeborene Neverar zu sein. Doch
schon nach kurzer Zeit hat niemand mehr je von ihnen gehört. Und - wenn ich das
anmerken darf, denn ich habe es verfolgt - keiner jener Fremdländer hat es
geschafft, die Zustimmung auch nur eines einzigen Ratsherren der Telvanni oder
der Redoran für die Anerkennung als Hortator zu erhalten. Im Gegenteil, das Haus
Redoran hat jeden, der es wagte, sich "Nerevar" zu nennen, ohne Prüfungen dem
Tempel gemeldet und damit gesorgt, dass jene als Ketzer verfolgt und vermutlich
ihr Ende im Ministerium der Wahrheit fanden. Soviel zu dem, was Euer Haus
vollbracht hat. Also verschont mich mit Euren Gerede von Verrat, Ehre und
Ansehen, Söldnerführer.
Ich habe wichtigeres zu tun, als mich um die Ehre und das Ansehen eines Hauses
zu kümmern, dessen Schicksal mit dem Fall von Fürst Nerevar besiegelt war. Nur
meines Blutes wegen habe ich mächtigere Feinde, als Ihr es Euch vorzustellen
vermögt. Da ich als vermutlich letzter noch lebender Zeitzeuge jener Ereignisse
den wiedergeborenen Nerevar aufklären könnte, werde ich seit Jahrhunderten vom
Tempel und vom Tribunal verfolgt. Doch einzig das Tribunal weiss, wie ich
aussehe, was mir bislang das Leben bewahrte, denn niemand sonst wäre in der
Lage, mich je zu identifizieren. Ein weiterer Punkt ist das sechste Haus, das
sich in den letzten Jahrzehnten wieder erhoben hat. Noch bleibt es im
Verborgenen, doch heisst es bei den Aschländern, dass Fürst Dagoth Ur selbst
sich aus seinem Grab erhoben und die Führung des Hauses übernommen hat. Er wird
sich gegen jene erheben, die ihn getötet haben - dem Tribunal."
Wieder hatte er sich viel zu lange aufhalten lassen, viel zu viel geredet und
dennoch, es war wichtig, dass jene erfuhren, was sich abspielte. Sie waren nicht
einmal annähernd in der Lage, die Ausmaße der Gefahr zu begreifen und wussten
nicht, was sich in vielen Jahrhunderten in ihren Häusern entwickelt hatte.
"Was die Sache in Gnisis betrifft - ich gab mich nie als General aus. Ich nutzte
lediglich die Situation, um jenen Teil der Legion zu finden, der dem Talos-Kult
angehört und sicher weiss, wo sich General Darius verbirgt. Dass Ihr mir in die
Quere kommt, war nicht geplant. Dieser tolpatschige Nord hat eine Menge Staub
aufgewirbelt und Ohren aufhorchen lassen, die besser nichts gehört hätten. Seit
jenen Ereignissen in Gnisis ist er übrigens spurlos verschwunden. Aber was will
man auch von ihm erwarten, er ist ein Nord, kein Dunmer. Seine Leichtgläubigkeit
und seine lockere Zunge werden über kurz oder lang dafür sorgen, dass meine
Existenz aufgedeckt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Dann werde
ich nicht nur das Tribunal und den Tempel, sondern auch die Legion im Nacken
haben. Im schlimmsten Falle werden sich beide verbünden, um sicherzustellen,
dass ein wiedergeborener Nerevar nur eine Quelle nutzen kann, um seine
Geschichte und sein Schicksal zu erfahren - das Tribunal.
Die meisten jener Legionäre, die mich in Gnisis unterstützten, sind Anhänger des
Talos-Kultes. Doch Eurer Auftreten hat meine Pläne vereitelt. Ich musste mich
zurückziehen und sämtliche Spuren verwischen. Eigentlich hatte ich vor,
herauszufinden, wo sich Darius versteckt hält. Und es gibt etliche Köpfe in
Gnisis, die dies wissen, nun aber für mich unerreichbar sind. Wärt Ihr mir
gefolgt, wäre alles anders gekommen. Doch belassen wir es dabei, dass meine
Pläne durchkreuzt wurden und ich nun in großer Gefahr schwebe. Mir bleiben nicht
viele Möglichkeiten, um zu handeln. Eigentlich nur eine - die Offensive."
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