Seite 10? Man, sind wir in letzter Zeit alle schreibfaul. Ich jedenfalls würde mir für folgendes, wenn es denn doch jemand lesen sollte, Feedback wünschen. War gestern mal wieder in der Laune, etwas zu schreiben und habe doch glatt mal den Weg meiner Dunmer Velvet bis zum Save und Exit aufgezeichnet. Und natürlich ordentlich ausgeschmückt. Kurzum: Ich habe sie in Aussicht auf Oblivion schon mal ins Grab geschickt. Ich werd noch ne Weile weiterspielen, aber das ist doch mal ein würdiges Ende, oder?

Eine Sache zuvor:
Wer noch was von den Hauptquests Morrowind und Tribunal (insbes. dies) haben will, sollte nicht weiterlesen - in dieser kleinen Geschichte stecken dicke, fette SPOILER.

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Eines Nachts, sie wusste nicht wieso, erwachte sie aus einem festen, traumlosen Schlaf. Vielleicht war es das fehlende Knurren Quinzis, die sich in letzter Zeit oft aus dem Schlafraum stahl und die Heimstatt erkundete. Vielleicht war es dieses ungewohnte Gefühl, einen kampferprobten und starken Lich im Hause zu haben, dem sie in den Kanälen Ald Gramfestes begegnet war und der ihr im Kampf tatkräftig zur Seite gestanden hatte. Vielleicht vermisste sie die Anwesenheit ihres Ehemannes, der in Schloss LoKKen zur Zeit mehr als genug zu tun hatte, allzu sehr. Vielleicht aber auch rührte dieses beklemmende Gefühl in ihrer Magengrube von einer vollkommen anderen Sache her? Sie wusste es nicht, dieser formlose Schmerz, der ihren Körper durchzog, war undefinierbar, sie konnte ihn nicht fassen, nicht ergründen, und das machte ihr Sorgen. Lange lag sie wach, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte in die Dunkelheit. Und als die ersten Strahlen der Sonne den Himmel in ein Farbenspiel aus Orange und Rot verwandelte, erhob sich die Dunkelelfe von ihrem Bett. Noch in ihr Nachtgewand gekleidet trat sie aus dem Gemach, stieg zwischen ihren Rüstungspuppen entlang die Treppe hinab. Sie ließ ihren Blick durch die gewaltige Halle schweifen, bis er an der Statue Azuras hängen blieb. Ein steinerner Mond in der einen, ein steinerner Stern in der anderen Hand, der Blick starr auf das andere Ende der Halle gerichtet. Die Dunmer wusste, dass sie von Liebe und Ehrfurcht zu ihrer Schutzgöttin hätte erfüllt sein müssen, doch unweigerlich krampfte sich ihr Magen noch mehr zusammen. Sie wandte den Blick ab.

Das Bad im Becken der Therme tat ihr gut, der gewünschte Effekt aber blieb nur für einen kurzen Moment erhalten. Als sie aus dem kühlen Wasser trat und ein Handtuch um ihre Hüften schlang, war alles wie zuvor. Dieses grausame, undefinierbare Gefühl, welches sich gleich einer schleichenden Krankheit durch ihren Körper zog, ihr Übelkeit verschaffte. Der Dreck hatte sich nicht abwaschen lassen. Einsamkeit, ja... vielleicht war es das. Sie wurde akzeptiert, geliebt, als Heldin gefeiert – und doch, all dies schien so fern in diesem Moment, so unendlich weit weg. Egal mit viel Freundschaft, Liebe und Respekt man ihr begegnete, das Gefühl, anders zu sein, einfach nicht dazu zu gehören, hatte sich nie vollkommen auslöschen lassen. Und gerade in dieser Nacht hatte es sie mit einer Heftigkeit heimgesucht, die sie selbst kaum begreifen konnte. Traurig schüttelte sie den Kopf, verließ die Therme und machte sich auf in ihre privaten Räume, sich anzuziehen. Anschließend machte sie einen Rundgang durch das Haus. Nein, eigentlich war es kein Haus. Ein Mond war ihr Heim, der über Pelagiad schwebte, genauso absonderlich wie die Frau selbst. Sie wünschte der Nord, die sich um die Wohnstatt kümmerte, wenn sie selbst auf Reisen war, einen guten Morgen. Mit einem freundlichen Lächeln erwiderte die Frau in der Mithril-Rüstung ihren Gruß und nahm Aufstellung neben der Rüstkammer, wie sie es jeden Tag zu tun pflegte. Die Dunmer indes schritt, in ein Kleid aus roter Seide gekleidet, durch einen Gang am Ende der Halle, an den beiden Türen zum Alchemielabor und ihrer persönlichen Bibliothek vorbei in den eigentlichen Wohn- und Besucherbereich. Besucherbereich! Als wenn sie jemals Besucher hatte. Quinzi, die graue Katze, hatte es sich auf einem Kissen nahe des Kamins gemütlich gemacht. Sie schnurrte verschlafen, als ihr Herrchen langsam über das weiche Fell strich. Über die Lippen der Dunmer huschte ein flüchtiges Lächeln. Das erste richtige Lächeln seit Wochen. Und erst jetzt fiel ihr auf, dass das beklemmende Gefühl, welches sie in dieser Nacht aus dem Schlaf gerissen hatte, schon für lange Zeit bestand und sie es einfach nur nicht wahrgenommen hatte.
Der Rundgang führte sie weiter, zuerst in die große Bibliothek, in der sie vom ABC für Barbaren über Das Ei der Zeit bis hin zu den geschichtlich wertvollen Aufzeichnungen des längst verschwundenen Dwemergelehrten Kagrenac alles an Lesewerk aufbewahrte, was sich auf ihren Abenteuerreisen angesammelt hatte. Obwohl es ein schöner Raum war, wie sie sich immer wieder eingestehen musste, hatte sie nie viel Zeit darin verbracht. Sie hatte sich keine Mühe damit gemacht, ihn einzurichten, hatte immer nur ihre Bücher nach mehrmaligem Lesen hier einstauben lassen und war in ihr Alchemielabor gegangen. Dies tat sie nun und sie freute sich darauf. Der dritte Beweis an diesem Morgen, dass sie nicht vollkommen allein in einem Mond wohnte, der für eine Person allein viel zu groß war. Die Tische standen voll mit Tränken aller Art, einen kleinen Arbeitsbereich hatte sie sich eingerichtet, wichtige Briefe und Dokumente sorgsam auf einem der Schränke platziert – und nicht zuletzt den Lich hier untergebracht. Ein würdiger Raum für ein derart altes und magisches Wesen, welches ohnehin keine Lagerstatt zum Schlafen benötigte. Ob er sich hier auch so einsam fühlte wie sie? Nein, wahrscheinlich nicht. Er mochte stark sein und einige Künste der Magie anwenden können, doch letztlich war er nur der Überrest eines lange toten Lebewesens, durch dunkle Beschwörungen wieder in diese Welt gebracht. Warum er nicht angegriffen sondern ihr geholfen hatte, als sie in einen Kampf mit Goblins verwickelt gewesen war, war ihr immer noch ein Rätsel. Seine Anwesenheit aber entspannte die Frau. Gleichwohl ihr Leben alles andere als von Gewohnheit bestimmt wurde, tat es ihr gut, einen neuen Gefährten in ihrer Nähe zu wissen. Der Lich begrüßte sie mit einem langgezogenen und bedrohlichen Zischen, kam auf sie zu und starrte sie aus den dunklen Augenhöhlen seines kahlen Schädels an. Vielen Menschen wäre es wohl zuwider gewesen, einen Lich in ihrer Nähe zu dulden. Viele hätten Angst vor ihm gehabt und ihn trotz seiner Hilfe im Kampf zu töten versucht. Aber die dunmerische Frau war nicht wie viele, sie war wie kein anderer auf Nirn. Und so war es nur rechtens, wenn sie eine Kreatur bei sich beherbergte, die sonst niemand bei sich aufgenommen hätte. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, stützte sich darauf und sah einen verzauberten Ring im Schein der etlichen Fackeln im Raum aufblitzen. Vorsichtig nahm sie das Geschmeide vom Tisch und fuhr mit den Fingern über das glatte Metall, betrachtete den grünen Edelstein, der darin eingefasst war. Barilzars verwobenes Band... Mit Schmerz erinnerte sich an den Wahnsinn Almalexias, den Tod Sotha Sils... und es kam ihr eine Idee. Ja, warum eigentlich nicht? Noch ehe sie genau darüber nachgedacht hatte, was sie mit ihrem Vorhaben eigentlich bezwecken wollte, hatte sie den Ring über einen Finger gestreift und den Zielort angegeben.
Ihre Umgebung verschwamm in einer Masse der unterschiedlichsten Farbtöne, sie wurden immer dunkler, die Töne des Lichs wurden immer leiser, klackernde Geräusche von sich bewegenden Zahnrädern immer lauter, die Farben um sie herum dunkler, bis sie sich in der gewünschten Umgebung materialisierte. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie nach hinten blickte und den Rücken des toten Sotha Sil blickte. Er bot einen grässlichen Anblick, wie er dort an Kabeln von der Decke hing, halb Dunmer, halb Maschine. Ja, auch er war verrückt geworden, hatte sich in seine Stadt der Uhrwerke zurückgezogen und sich lieber mit seinen Maschinen umgeben, als die Nähe Sterblicher zu suchen. Ob er wohl Almalexias Wahnsinn gespürt hatte? Ob er wohl gewusst hatte, dass sie kommen und ihn töten würde? Er musste es gewusst und seinen Tod erwartet haben. Anders konnte die Dunmer es sich bei einem Mann wie ihm nicht vorstellen. Ein schönes Grab hatte er gewählt, zwischen all dem kalten Metall und den sich unablässig drehenden Zahnrädern. Die Frau riskierte einen letzten Blick auf das verzerrte Gesicht des Hexenmeisters, der einst ein lebender Gott gewesen war, und wandte sich der Tür am anderen Ende des Raumes zu. Nicht, um sie zu durchschreiten. Sie wusste, was sich dahinter befand, die Kuppel der Unfertigen.
Am Fuß des Podests hatte sie gegen die wunderschöne Almalexia gekämpft und die Leiche nach einem harten Kampf in die dunkle Lava zwei Räume weiter geworfen. So viel Leid lag in dieser kalten, nach Öl stinkenden Luft... Sie konnte es kaum ertragen. Sollte es wirklich so zu Ende gehen?, fragte sie sich wie damals, als Almalexia ihren gesamten wirren Plan vor ihr ausgebreitet hatte. Sotha Sil ermordet, Almalexia wahnsinnig. Nur Vivec schien stark genug gewesen zu sein, sich gegen all den Hass und die Machtgier zu wehren. Er hatte sich in seinen Tempel zurückgezogen, als die Dunmer sich auf den Weg zum Roten Berg gemacht hatte. Lange lag dies schon zurück und sie entsann sich, den ehemaligen Gott nicht vom Schicksal seiner Gemahlin unterricht zu haben. Sollte sie dies nun nachholen? Sie wusste selbst nicht, warum dieser Gedanke so leidvoll für sie war. Aber auch hier galt das „Warum nicht?“-Prinzip. Niemandem außer König Helseth hatte sie davon erzählt, es war wohl an der Zeit, diesem Abschnitt ihres Lebens ein Ende zu bereiten. Barilzars verwobenes Band konnte sie sofort nach Vivec in den Tempel bringen.

So geschah es, dass an diesem Morgen unvermittelt der Nerevarine im Tempel zu Vivec erschien, gekleidet in ein Kleid aus rotem Samt, und die Priester grüßten sie respektvoll. Langsam verließ die Frau den Tempel, trat hinaus auf die Wohninsel und bewunderte wie bei jedem ihrer Besuche in der gewaltigen Stadt die wunderbaren aufs Wasser gesetzten Bauwerke. Weiß und glänzend breitete sich die Stadt im Schein der aufgehenden Sonne vor ihr aus. Als sie über eine der Brücken mit den sich im Wind wiegenden Bannern schritt, war es ihr, als wäre dies das letzte Mal. Ein absurder Gedanke. Sie war hier, um Vivec von dem Tod seiner Gemahlin zu unterrichten. Es war egal, ob er bereits davon wusste oder nicht, wenn sie an diesem Tag nach Hause ging, würde sie ihren Teil getan und eine weitere unglückliche Zeit ihrer Vergangenheit hinter sich gelassen haben. Der Bogengang vor dem Tempel Vivecs war lang und dunkel, doch das Licht am anderen Ende verhieß keine Freude für sie, ebenso wenig wie der Anblick des großen Bauwerks mit der längsten Treppe dieser Stadt und dem rätselhaften Kanal darunter, dessen Geheimnis sie schon lange gelüftet hatte. Es schienen mehr ihre Beine zu sein, die sie voran trieben. Zweifel kamen in ihr auf. Sie sollte nicht hier sein, den alten Vivec nicht besuchen. Anstatt sich auf die Suche nach dem Lager der Quarra zu begeben, die erst vor kurzem einen dreisten Überfall auf Sadrith Mora gewagt hatten, machte sie sich auf den Weg zu einem ungemütlichen Kaffeeklatsch mit einem überarbeiteten und rasend schnell älter werdenden Ex-Gott. Ihr gesamtes Handeln in den letzten Stunden machte einfach keinen Sinn. Nie hatte sie in Erwägung gezogen, noch mal auch nur einen Fuß in die Stadt der Uhrwerke zu setzen. Und doch war sie heute dort gewesen und hatte Sotha Sil einen endgültigen Besuch abgestattet. Armer alter Hexenmeister.

Vivec schien überrascht, die Dunmer zu sehen, als sich die Tür zu dem Hauptraum seines Tempels öffnete. Wahrscheinlich hatte er jemand anderen erwartet, vielleicht aber wäre ihm auch jeder andere lieber gewesen als sie.
„Velvet“, sagte er mit einem müden Lächeln. „Welch seltene Ehre.“
Die Dunmer erwiderte das Lächeln verhalten. „Nicht wahr?“ Dann streifte sie Barilzars verwobenes Band von ihrem Ringfinger und reichte ihn dem Mann in der leichten Rüstung. Dieser nahm das Geschmeide entgegen und betrachtete es genauer. „Das ist doch...“
„Ja“, sagte Velvet, „es ist lange her, dass ich diesen Ring erhielt. Benutzt habe ich ihn bisher nur drei Mal.“
Erstaunt blickte er in die roten Augen der Frau. „Ihr wart bei Sotha Sil in der Stadt der Uhrwerke?“, wollte er wissen, obwohl er die Antwort bereits kannte.
„Das war ich.“ In knappen Worten erzählte sie ihm die Geschichte und überbrachte ihm die traurige Nachricht vom Wahnsinn und Tod seiner Liebsten. Schmerz blitzte in seinen Augen auf, doch nahmen sie schnell den gewohnten überlegenen und gleichgültig wirkenden Ausdruck an.
„Eine traurige Sache“, sagte er, „sie hing sehr daran, eine Göttin zu sein und tat sich schwer damit, ihr Leben wieder als einfache Sterbliche zu verbringen. Wir sprachen kaum mehr miteinander. Ich hatte angenommen, sie wollte mir etwas antun. Dass sie Sotha Sil getötet hat...“ Er brach ab und holte tief Luft. „Alle Sterblichen gehen irgendwann in die andere Welt hinüber, Velvet – und seit der Zerstörung von Lorkhans Herzen sind wir auch sterblich. Mich stört es nicht, auch mich wird dieses Schicksal ereilen – und wer weiß, vielleicht sogar durch Eure Hand.“
„Das denke ich weniger“, entgegnete die Dunmer kühl, „behaltet den Ring, ich brauche ihn nicht mehr.“ Ohne ein Wort des Abschieds wandte die Frau sich von ihm ab und verließ den Tempelraum. Das Ziehen in ihrem Inneren war verschwunden und an seiner statt trat eine tiefe Zufriedenheit, wie sie sie niemals in ihrem Leben zuvor verspürt hatte. Sie hatte verstanden. Gleichwohl die Klarheit plötzlich über sie gekommen war, war sie nicht überrascht darüber. Endlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Betont gemütlich ging sie zu Fuß bis zum Fremdenviertel, genoss die warmen Strahlen der Morgensonne auf ihrer Haut und bewunderte die Wohninseln und Banner der Stadt ein letztes Mal.
War sie wirklich so barmherzig, wie sie selbst und viele andere von ihr dachten? War es denn nicht eher Selbstsucht, die sie in immer gefährlichere Abenteuer trieb, die Hoffnung auf den Tod und schnelles Vergessen? Oder hatte sie selbst sich von dem ablenken wollen, was schon längst unausgesprochen in der Luft gehangen hatte?
Es ist vorbei, dachte sie und ein befreites Lächeln erschien auf ihren Lippen. Sie wurde nicht mehr gebraucht, es gab nichts mehr zu tun. Sie war frei.
Als die schöne Dunkelelfe Velvet über die Brücke beim Fremdenviertel auf das Festland ging, wechselten die warmen Töne des Himmels bereits in ein sanftes Blau.

Sie wurde nie wieder in Morrowind gesehen.