Warum mussten Geheimtüren eigentlich immer so schwer zu finden sein? Na gut, es lag in der Logik der Sache, aber warum gerade in diesem Fall? Seit einiger Zeit suchten Malukhat und Draven nun schon gemeinsam nach diesem ominösen Hebel, welcher den geheimen Eingang öffnete, den Zareg vor einiger Zeit in der Taverne Sadrith Moras erwähnt hatte. Hätte er ihnen doch nur mehr Informationen zukommen lassen oder wäre zurückgekommen. Aber nein, sie hatten ihn seit dem Verlassen Sadrith Moras mit dem gefangenen und bewusstlosen Vampir im Schlepptau nicht mehr wiedergesehen. Und auch hier war bisher keine Spur des Telvannimeisters gewesen, was Draven noch mehr beunruhigte. Desto länger sie nichts von ihm sahen oder hörten, desto wahrscheinlicher war es, dass etwas schiefgelaufen und ihm womöglich etwas zugestoßen war.
Es dauerte nicht lange, bis Malukhat sich wieder langsam aufregte und die Aussichtslosigkeit ihrer Suche mit wütenden Worten verdeutlichte. Nun ja, Geduld war wohl einfach nicht seine Stärke, dies war nicht nur bei der ersten Suche der Fall, sondern auch sonst schon gelegentlich zu beobachten gewesen. Der Erzmagister konnte ihm dies auch nicht verübeln, er selbst war auch reichlich genervt, nur ließ er es sich nicht so anmerken, sondern suchte stumm weiter und fluchte innerlich. Während der Erzmagier einmal heftig mit der behandschuhten Faust gegen die Wand schlug, wohl nicht wegen eines möglichen Öffnungsmechanismus, sondern wohl eher einfach aus Wut, suchte Draven etwas weiter links an der Wand und unterdrückte den Drang, ebenfalls seine aufgestaute Wut an der Wand auszulassen. Als er jedoch wieder nichts fand, war es mit seiner Selbstbeherrschung kurz vorbei und er trat gegen die Wand.
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Ein Teil der Wand des Pilzturmes verschob sich und gab einen engen stockdunklen Gang frei. Na ja, warum sollte er nicht auch einmal Glück haben und durch Zufall einen verborgenen Hebel finden? Vielleicht war die Welt ja doch in einem gewissen Sinne gerecht...
„Seht Ihr, Malukhat. Mit ein wenig mehr Geduld und Ruhe lässt es sich viel besser suchen.“, sagte Draven ein wenig altklug wirkend und hoffte inständig, dass der Erzmagier die wahren Motive Dravens für diesen Tritt gegen die Wand nicht bemerkt hatte. Aber dieser Satz musste einfach sein nach seiner Schmach vorhin, so einen kleinen Seitenhieb konnte er sich beim besten Willen nicht verkneifen, nutzte Malukhat doch ebenfalls jede mögliche Situation für derartige Dinge. Zum Beispiel, als er über seine Gewänder und seine Rüstung herzog. Draven war nicht nachtragend, er war es ... doch, aber nur ein bisschen, egal.
Der Erzmagier selbst ging jedoch erstaunlicherweise gar nicht auf die Worte Dravens ein, sondern blickte sehr ernst, als er näher trat und leise zu ihm sprach: „Wir müssen vorsichtig sein, Draven. Ich hatte bereits draußen vor Betreten des Untergrundes das Gefühl, dass wir beobachtet werden. Seid vorsichtig, verhaltet Euch aber normal.“
Die Erwiderung des Telvanni war ein stummes angedeutetes Nicken und mit einem Schlag war er wieder voll bei der Sache. Auch er hatte sich für einen kurzen Moment beobachtet gefühlt, ging jedoch davon aus, dass es sich um Einbildung seinerseits handelte. Malukhats Gespür in dieser Hinsicht schien erheblich besser ausgebildet zu sein. Ob dies an seiner kriminellen Vergangenheit lag, weil er möglicherweise schon häufig auf der Flucht gewesen war, oder an was sonst, konnte der Bretone nicht wissen. Aber es war so und sie sollten nun vorsichtig sein. Wer könnte sie schon beobachten und verfolgen? Wenn der Dunmer nicht irrte – und davon ging Draven nicht aus -, so konnte es sich doch nur um einen oder mehrere Vampire handeln. Oder um Banditen, wohl nicht so gefährlich, aber dennoch auch nicht zu unterschätzen. Nun ja, man würde sehen. Zunächst galt es nun, diese bisher verborgenen Räume zu erforschen und vielleicht eine Spur des Telvannimeisters Zareg zu finden.
Die beiden Magier sprachen einen Infravisionszauber und betraten den Gang vorsichtig. Es handelte sich um einen Flur mit Türen zu beiden Seiten. Bei jeder dieser Türen schien es sich um gewöhnliche unverschlossene Türen zu handeln und dahinter befanden sich nur leere Räume, wie eine nähere Überprüfung ergab. Sie sahen genau so aus, wie man sie sich vorher vorstellte. Einrichtungsgegenstände waren größtenteils zerstört und zudem von einer dicken Staubschicht bedeckt. Hier eine Kommode, dort ein Bücherregal, dort die Überreste eines Bettes und Teile eines Schrankes. Aber nichts zu sehen von einem gefangenen Vampir oder etwa Zareg, so dass der Bretone innerlich bereits zu zweifeln anfing, ob sie sich wirklich im richtigen Teil Tel Aruhns befanden.
„Draven, hier, schaut Euch das an.“, sagte Malukhat und riss den Telvanni aus seinen Gedanken.
„Was ist denn?“, fragte er nach und ging in Richtung des Erzmagiers, als plötzlich sein Infravisionszauber die Wirkung verlor. Beinahe stolperte er über eine herumliegende Vase, konnte sich jedoch gerade abfangen und sprach den Zauber erneut, woraufhin sich das Dunkel wieder lichtete. Ein beinahe unmerkliches Grinsen auf dem Gesicht des Erzmagiers zeigte Draven, dass dieser genau wusste, was soeben passiert war. Um die Situation schnellstmöglich zu verdrängen, ließ Draven die Frage fallen, ob Malukhat ihm bei Gelegenheit seinen Infravisionszauber mit längerer Wirkungsdauer beibringen könnte und konzentrierte sich wieder auf die eigentliche Sache, indem er sich die Tür ansah, auf die der andere zeigte. Eine gewöhnliche Tür, jedoch ohne eine erkennbare Möglichkeit, diese zu öffnen.
„Entweder ist die Antwort auf unsere Fragen da drin oder hier gibt es gar nichts zu finden“, meinte Malukhat. „Nur wie bekommen wir diese Tür auf? Meint Ihr, es gibt womöglich einen...“
„Hebel?“, ertönte es von beiden zusammen im Chor, während sie sich mit einem genervten Blick ansahen, der jedoch nicht ihnen gegenseitig galt, sondern der gesamten Situation. Draven war sich sicher, wenn er noch einen einzigen Hebel mehr suchen müsste, würde er ausrasten und den ganzen Pilzturm in Schutt und Asche legen. Kurz darauf fasste er sich jedoch wieder und beide Magier suchten die Seitenwände der Tür ab. Tatsächlich fanden sie auch mit all ihrer gesammelten Erfahrung im Suchen von Hebeln den Öffnungsmechanismus recht schnell und diesmal war es Malukhat gewesen, der leicht triumphierend grinste, während er die Tür öffnete und Draven den Vortritt gewährte.
Der Innenraum sah auf den ersten Blick nicht anders aus als die anderen Räume zuvor, überall waren dicke Staubschichten und teils zerbrochene Einrichtungsgegenstände. Einen riesigen Unterschied gab es jedoch, denn in der Mitte des Raumes lag ein verkohlter Körper zwischen dem Gerümpel auf dem Boden. Sofort begaben sich beide Männer zu ihm, um ihn näher zu betrachten...