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Tel Aruhn / Pampa
"Wurde aber auch langsam mal Zeit...", grummelte Malukhat in seinen langsam wachsenden, weißen Schnauzbart hinein. Draven hatte schon komische Verwirrungen gezeigt in letzter Zeit... Die Seeluft schien ihm nicht zu bekommen. Und Seeluft hatte es ja auch in Sadrith Mora gegeben. Und falls dem nicht so war... man konnte nie wissen, was die einem in der Schiffskaserne unters Essen mischten.
So langsam richteten sich seine Gedanken schließlich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Er machte sich Sorgen um Zareg. Nicht, weil er den Telvanni besonders gemocht hatte, sondern eher, weil dieser ihnen keine Nachricht hatte zukommen lassen. Sehr ominös, das Ganze. Irgendeinen Schalter mussten sie irgendwo finden bei... irgendeiner Ruine? Den mussten sie betätigen und nach unten schlendern, um dort auf Zareg zu treffen und den Vampir auszuquetschen. Hoffentlich würde dieser auch etwas Hilfreiches von sich geben. Unter diesen Umständen blieb den dreien dann die Möglichkeit, sich eine Taktik zurecht zu legen. Ah! Turm... Zareg hatte irgendwas von einem Turm erwähnt. Irgendwo bei Tel Aruhn. Draven würde schon wissen, was zu tun war... jedenfalls erwartete Malukhat das von ihm.
Das Schiff legte an. Aufgeregt wie ein kleines Kind spielte Malukhat mit den Fingern an der Reling herum und wippte seinen Körper hin und her. Wann denn endlich... wann endlich an Land. Land. Besser als Wasser. Land war fest. Begehbare Erde. Wasser war... nicht fest. Keine begehbare Erde. Öhm... gar keine Erde. Das hin und her geschaukele schlug dem Erzmagier auf den Magen. Wieso hatten sie denn nicht zu Fuß übers Wasser gehen können? Draven hatte sich rausgeredet von wegen, dass das zu viel Energie verbrauchen würde, aber Malukhat war sich vollkommen sicher: Der Telvanni war einfach nur faul. Alle Telvanni waren faul. Das war eine Art ungeschriebenes Gesetz. Wenn körperliche Arbeit nicht zwingend von Nöten war, dann wurde sie auch nicht betrieben. Verwöhnte Magier halt... Wenn man auf der Jagd nach einem wildgewordenen Kagouti war, wieso dem nachstellen? Oh nein - da könnte Kraft bei drauf gehen, man könnte ja am nächsten Tag Muskelkater in den Beinen haben! Einfach oben auf den Turm schweben und alles außerhalb der Stadtmauern mit Fernzaubern bombadieren, was sich bewegte. Spaziergänger erwischt? Pah - hätte dort ja nicht stehen müssen! Halbe Stadt in Brandt gesetzt? Pah - die hätte dort ja auch nicht unbedingt stehen müssen!
Und wenn es ein Problem mit Vampiren gab, was machte ein Telvanni dann? Genau - er beorderte ein paar abenteuerlustige Idioten. Und erst, wenn diese versagten, wurde ein Spaziergänger mit einem Feuerzauber verkokelt und ganz Sadrith Mora von einem Blitz erschlagen.
Das Schiff wurde vertäut. Malukhat wippte weiter hin und her, betrachtete die Seemänner bei der Arbeit, krallte seine Finger um die Reling, leckte sich kurz über die Lippen, reckte sich, um mehr sehen zu können, riskierte einen Blick zu Draven hinüber, sah noch mal rüber zu den Männern, die sich um das Schiff kümmerten und wippte und wippte und wippte. Diese Männer waren nicht faul. Sie waren lahm... Noch fünf Minuten länger zusammen mit Erzmagister Draven auf demselben Schiff und Malukhat würde versuchen, sich an einer Alge zu erhängen oder eine Muschel in die Nase zu stecken.
Und endlich - letztlich durften die Passagiere das Schiff doch noch verlassen. Dank Malukhat manche auf dem Weg direkt in das kühle Nass, denn der Dunmer schubste alles beiseite, was ihm in die Quere kam, war demnach als erster an Land und küsste den Dreck. Wenn Draven gehofft hatte, mit offenen Armen in Tel Aruhn empfangen zu werden, erlebte er nun eine bittere Enttäuschung: Außer Flüchen, Beschimpfungen und Handzeichen Marke Vogel kam nichts von den Einwohnern, die Malukhats Aktion miterlebt hatten, rüber, was auch nur annähernd an eine Begrüßung gegrenzt hätte.
Der Erzmagier stand wieder auf und grinste vergnügt. Er sagte: "Toll, das ist also Tel Aruhn? Pilzbauten - sieht genauso lächerlich aus wie Sadrith Mora. - Hm?" Der Mann wandte sich zum Erzmagister um. "Also, Draven, wenn Ihr so weiter macht, habt Ihr Euch bald ein Loch in die Stirn geschlagen. Na ja, egal. Wo geht's nun hin? Wo müssen wir lang?" Malukhat wollte endlich voran kommen. Er machte sich Sorgen um Zareg; der Telvanni hatte sich seit seinem Verschwinden nicht mehr gemeldet. Seid bloß nicht tot, dachte Malukhat, sonst bin ich stinksauer. "Wir müssen zu so einem Turm, oder? Irgendwas in die Richtung hat Zareg gesagt, wenn ich mich recht erinnere. Erinnert Ihr Euch also an einen Turm hier in der Nähe?"
Und wie Draven sich erinnerte - wenige Minuten später befanden sich die beiden Männer mitten in der Pampa. Der Dunmer konnte das Sauwetter, das auf sie zukam, schon fast riechen. Na, mal schauen, wie Draven sich in seiner durchgeweichten Lederrüstung machte. Ob er wohl heulte wie ein kleines Mädchen, wenn das Leder erstmal über seine empfindliche Haut schubberte?
„Der Turm“, meinte Draven knapp und zeigte auf das hohe Gebilde, welches sich am Horizont erhob. „Ich nehme an, Zareg hat diesen hier gemeint. Einen anderen gibt es in der Nähe nicht.“
„Schön, dann sind wir ja endlich da. Hoffen wir mal, dass der Bengel noch lebt. Ansonsten kriegt er eine von mir gscheuert.“
Draven riskierte einen genervten Seitenblick auf Malukhat. Scheinbar hat der Erzmagister den jungen Telvanni-Meister in gewisser Weise gemocht, ansonsten hätte er auf des Dunmers Worte nicht so angepisst reagiert. „Na los, kommt schon. Ich für meinen Teil werde nicht auf den Regen warten.“
Der Turm war verdammt hoch. Vom Weiten hatte er noch ausgehen sie wie ein kümmerlicher Stängel, der in die Höhe ragte, aber aus der Nähe betrachtet machte er schon was her. Hier hätte Malukhat sicherlich sehr gut ein kleines Totenbeschwörer-Labor einrichten können. In der Magiergilde war er immer der Gefahr ausgesetzt, dass Ranis Atrys den Geheimgang in seinem Arbeitszimmer fand, der hinab in ein Kellergewölbe mit zwei Räumen führte; dort hatte er die Skelette aufbewahrt, an denen er immer wieder herum spielte, wenn ihm danach war. Der Ort hier lag weit auswärts, niemand würde jemals auf die Idee kommen, dass ein Totenbeschwörer hier sein Unwesen trieb. Und genauso war niemand darauf gekommen, dass Zareg einen Vampir hierher verfrachtet hatte. Nicht sonderlich sympathisch, der Kerl, aber er hatte Grips.
„Komische Tür“, erwähnte der Erzmagier wie beiläufig und ging auf eine rostige Eisenkugel zu, die wahrscheinlich den Eingang darstellte. „Was ist das? Eisen? Stahl?“ Mal davon abgesehen, dass die Frage rein rethorischer Natur gewesen war, hatte Draven sich nicht die Mühe gemacht, zu antworten. Malukhats Verhalten war einfach unpassend, dass musste der Dunmer sich selbst eingestehen. Aber wie oft kam man schon in die Nähe eines derart beeindruckenden Gebäudes? Klar, Draven war ein Telvanni. Die waren ihre dämlichen Pilzhäuser gewohnt und erkannten sie als den Höhepunkt der Architektur an. Dass ein verfallener Turm mit einer komischen Eisen- oder Stahltür ebenfalls einen gewissen Charme versprühte, war ihm nicht klar. Wie das Teil wohl von innen aussah? Nun, sollten sie irgendwann den Hebel gefunden haben, der irgendeinen Mechanismus zum Öffnen der Tür in Gang setzte, würden sie es schon heraus finden.
Sie fanden den Hebel nicht. Wer hätte auch schon damit gerechnet? Musste schon ein lustiger Anblick sein, wie zwei erwachsene, hochrangige Männer sogar über den Boden krochen und Grashalme wegknickten, in der Hoffnung, irgendwas zu finden. Wenn jemand sie sah und auslachte, konnte Malukhat immerhin sagen, Draven hätte ihn dazu gezwungen. Irgendwann dann - die Sonne verging bereits am Horizont - gab der Erzmagier es auf. Er hatte die Schnauze gestrichen voll von dieser Suche. Zareg hätte ihnen etwas genauer sagen können, wo sich das Ding befand - oder wenigstens, wie es aussah. Aber nein, der Telvanni sagte nicht mal die Hälfte von dem, was nötig gewesen wäre. Das Fürstenhaus wurde immer sympathischer...
"Verdammter Dreck!", brüllte Malukhat und wirbelte herum, "wir werden dieses Mistding niemals finden, mein Gott! Da können wir uns dumm und dösig suchen. Wer auch immer dieses architektonische Wunderwerk vollbracht hat - ich werde persönlich dafür Sorgen, dass sein Hintern auf schnellstem Wege nach Oblivion befördert wird!"
Draven entgegnete nichts. Wie so oft schwieg er. Aber auch ihm war nicht entgangen, dass der Hebel wohl viel zu gut versteckt war, als dass man ihn einfach so mir nichts dir nichts finden konnte. Trotzdem suchte er weiter, während Malukhat sich neben der Tür auf den Boden setzte und einen möglichst genervten Blick aufsetzte. Am Liebsten hätte er Draven angeschrieen, er sollte verdammt noch mal aufhören, dass Dreckshebelding zu suchen. Es hatte doch keinen Zweck. Sie mussten warten, bis Zareg wieder rauskam. Und wenn Zareg nicht mehr lebte, könnte sich die ganze Aktion hier zu einem riesigen Problem entwickeln. Tse... wenn Draven seine Zeit mit der Suche nach dem Hebel verschwenden wollte - bitte! Der Erzmagie würde ihn bestimmt nicht davon abhalten. Aber sauer machte es ihn schon. Sie mussten mit dem Kopf durch die Wand, die doofe Tür aufbrechen oder sie gar in Trümmern legen. Wenn sie dann reinkamen, sollte das auch nicht weiter stören.
Der Dunmer erhob sich, ging zu der Tür und schlug mit den Fäusten dagegen. Dies wiederholte er mehrere Male, wobei er immer wütender wurde, immer härter zuschlug und Schmerz natürlich nicht ausblieb.
"Mist, Mist, Mist!!", schrie der immer ungeduldige Mann und warf sich wuchtig gegen die rechte Wand neben dem Eingang.
Klick.
Ein zu suchen aufhörender Draven, ein Erzmagier mit tellergroßen Augen und einem zum perfekten O geformten Mund, Schweigen.
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