Der Bretone ist gewiss ein Quarra…, dachte sich Malukhat. Jedenfalls hoffte er dies, denn somit hatten sie den vermeintlichen Obervampir Lestat schon so gut wie aufgespürt. Ob sie ihn dann auch töten konnten, war eine andere Frage. Der hier war sicherlich nur einer der niederen Handlanger, wenn überhaupt, und dennoch hatte er den Erzmagier überraschen und mit Leichtigkeit verletzen können. Außerdem hatte er wieder einen erheblichen Teil seiner Kraft verloren; er fühlte sich gar noch schwächer als vorher. Eigentlich hatte er angenommen, dass sein Mana-Haushalt insoweit wieder hergestellt war, dass er sich furchtlos mit zu den Aschländern hätte begeben können. Der vampirische Bretone hatte ihn allerdings eines Besseren belehrt: Der Kampf eben hatte dem Dunmer alles abverlangt. Unwillkürlich fuhr er sich mit der rechten Hand über den verletzten Brustkorb, erwischte dabei eine der Wunden unglücklich und zuckte leicht zusammen, als ein stechender Schmerz durch seinen Körper fuhr. Jene Hand, auf die er nun starrte, war verklebt von rotem Blut; ebenso sein Körper. Die rote Flüssigkeit hatte sich ihren Weg hinab zu seiner weißen Schlafhose gesucht und den oberen Rand rot verfärbt. Trotzdem sah es schlimmer aus, als es eigentlich war. Malukhat kannte seinen Körper und war Verletzungen durch sein aufregendes Verbrecherleben gewohnt, sodass er gut einschätzen konnte, ob eine Wunde gefährlich war oder nur so wirkte als ob.
„Ich denke“, begann Malukhat bestimmt, „dass ich mich erstmal um meine Wunden kümmern sollte. Die machen sich nicht so gut auf meiner starken Männerbrust.“ Na ja, jedenfalls solange sie keine Narben waren. Fünf schöne, breite, gezackte Narben verstärkten seine Männlichkeit zu einer wahren Augenweide. Hm… falscher Moment, um darüber nachzudenken. Vielleicht war es nun an der Zeit, mal ein paar Anweisungen zu geben. Seltsamerweise verspürte er diesmal nicht das triumphierende Gefühl, jemanden beherrschen zu wollen, sondern wollte einfach nur, dass die ganze Sache nicht schief ging.
„Der Vampir muss hier weg. Es ist schon ein verdammtes Glück gewesen, dass sie ihn nicht vorsichtshalber untersucht haben, um herauszufinden, ob meine Aussage stimmt. Ich habe keine Ahnung, wo wir den hinbringen sollen, aber dort darf auf keinen Fall jemand Zugang haben, außer uns dreien. Zareg… du wirst dir da sicherlich schon was einfallen lassen, nehme ich an.“ Oder besser: Hoffte Malukhat. Zareg traute er immer noch nicht so recht über den Weg, obgleich er ganz in Ordnung zu sein schien. Irgendetwas an ihm machte den Erzmagier stutzig. Es war die Art, wie der Telvanni-Meister manchmal vor sich hinstarrte, insbesondere aber immer noch die Sprüche, die er während seines Fiberwahns von sich gegeben hatte. Eine ominöse Aura umhüllte den Mann, und Malukhat hatte nicht schlecht Lust, ihn zu töten und aufzuschneiden. Ein kranker Gedanke in Anbetracht der Tatsachen, das wusste er selbst, aber vor sich selbst verbergen konnte der Nekromantiker ihn nicht. Er konnte sich beherrschen, dazu brauchte er nicht einmal Mühe, denn schon oft waren ihm Leute über den Weg gelaufen, die er nur zu gern zu einem seiner untoten Diener gemacht hätte; er hatte es immer gelassen. Klar, er war der geborene Nekromantiker und Mörder – aber sinnlos töten? Dazu hatte er sich nie imstande gefühlt.
„Draven… du könntest…“, begann Malukhat und knirschte mit den Zähnen, „mir vielleicht…“ helfen, die Wunden zu reinigen und einen Verband anzulegen. Wer weiß, ob sich dieser Virus, der sich bei einem Biss durch einen Vampir im Körper ausbreitet, ansonsten auch mich befällt… nur auf andere Weise entstanden. Der Erzmagier konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Es war zu erniedrigend, von diesem Mann Hilfe zu erbitten. Ein Armutszeugnis sondergleichen. Aber er musste Draven nun fragen… In Sachen Heilung, so dachte jedenfalls Malukhat, besaß Zareg in etwa die Sanftheit eines Fuhrknechts. Zudem war er immer noch ein wenig krank und würde, wenn er sich zu konzentrieren gezwungen war, wahrscheinlich höllisch zittern.
„Kannst du bitte Wasser kochen? Du musst es über meine Wunden schütten, um den Virus auszukochen, den ich durch den Angriff eventuell in mir tragen könnte. Die Wahrscheinlichkeit ist zwar gleich null, aber ich möchte ungern ein Risiko eingehen. Wenn du dann noch Verbandszeug auftreiben könntest, wäre ich dir schon sehr dankbar.“
Erst einmal musste Malukhat sich setzen. Er ließ sich auf dem weichen Bett unlängst des Vampirs nieder und legte beide Hände über die immer noch blutenden Wunden. Dass er die beiden Bretonen gerade freundschaftlich geduzt hatte, interessierte ihn dabei kein bisschen.