Tief in Gedanken versunken schlenderte der Erzmagister des Fürstenhauses Telvanni in den Straßen Sadrith Moras umher. Die Sonne schien und nur ein paar weiße Wolken zogen durch das endlos wirkende Blau des Himmels, vorangetrieben durch eine kühle Brise, die den Geruch von Salzwasser mit sich trug. Ein paar Möwen kreischten aus Richtung der Docks und der kleine Marktplatz an der Weggabelung war recht gut besucht von Bürgern der Stadt, aber auch fremd anmutenden Abenteurern. Letztere immer misstrauisch beäugt von den patrouillierenden Stadtwachen, was man an deren Verhalten erkennen konnte, auch wenn ihre Gesichter unter großen Helmen verborgen waren, die den Magier irgendwie an große lilafarbene Käferköpfe erinnerten. Es war aber auch kein Geheimnis, dass Fremde bei den Telvanni niemals mit offenen Armen empfangen wurden, von daher war dies alles auch nicht verwunderlich, sondern normal – genau wie so ziemlich jeden Tag die letzten Wochen.
Eben noch war Draven in dem Telvanniturm von Meister Neloth gewesen, dem hohen pilzartigen Gebäude in der Mitte der Stadt, um eventuelle Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen, aber es war nichts bemerkenswertes passiert. Genau wie die letzten Male schien es fast so, als hätte es die Vampirattacken niemals gegeben, wenn da nicht die vielen Leichen wären. Hatten sich die blutsaugenden Ungetüme wieder verzogen aus dem Bereich dieser Stadt oder planten sie etwas wirklich großes, das Vorbereitungszeit und ihre volle Aufmerksamkeit brauchte? Wenn es so weiterginge, dann müsste der Magier ernsthaft überlegen, ob diese Vampirjagd überhaupt noch Sinn machte, immerhin konnte er sich in dieser Zeit nicht mit den üblichen Geschäften des Fürstenhauses befassen, genau wie auch Meister Zareg. Und dann war da ja auch noch der Erzmagier der Magiergilde Vvardenfells, Malukhat. Auch dieser konnte natürlich ebenso wie die beiden Bretonen nicht seinen gewöhnlichen Pflichten nachkommen, wobei... wenn er den Dunmer korrekt einschätzte, dann lag diesem vielleicht auch gar nicht so viel an diesen Pflichten, immerhin kam er ja freiwillig mit, hatte sich damals geradezu aufgedrängt. Und das war im Grunde genommen noch untertrieben. Kurz dachte Draven innerlich ein wenig schmunzelnd an die erste Begegnung von Malukhat und ihm in der Magiergilde Balmoras. Die beiden hatten sich sofort heftig gestritten und mit einer unglaublichen Dreistigkeit hatte der Erzmagier sich den beiden Telvanni aufgedrängt. Ja, Draven hatte ihn gehasst, aber das hatte sich inzwischen zumindest etwas relativiert. Zugegebenermaßen hatte Malukhat einige Macken und wirkte manchmal auch etwas vertrottelt, aber genau so konnte er besonnen sein und dementsprechend handeln, so dass er ein wertvoller Verbündeter geworden war. Der Erzmagister hatte sich zwar innerlich immer wieder dagegen gesträubt, aber es war nun einmal eine Tatsache und das musste er wohl oder übel akzeptieren. Und nicht nur das, seit einiger Zeit erwischte er sich immer wieder dabei, dass er den Erzmagier achtete und respektierte, wenn dieser denn mal seine „intelligenten Minuten“ hatte, auch wenn er es bisher noch vermochte, diese Achtung zumindest teilweise zu verbergen.
Draven wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als er einen braun gekleideten Dunmer bemerkte, der aus der Taverne stürmte, auf die der Erzmagister gerade zusteuerte. Der Fremde lief direkt auf eine Wache zu und schien hektisch mit ihr zu reden und nur aus den Augenwinkeln bemerkte Draven, dass auch ein paar andere Besucher die Taverne relativ zügig verließen, unter anderem ein merkwürdig anmutender Rothwardron mit spitzem Kinnbart, der den Blick des Magiers wegen seines grotesken Äußeren kurz auf sich zog, bevor er wieder zu dem Dunmer und der Wache blickte. Sofort beschleunigte der Bretone seinen Schritt, denn irgendetwas schien definitiv nicht in Ordnung zu sein. Auch die Telvanniwache bewegte sich nun zügig auf die Taverne zu und fast zeitgleich betraten sie das Innere.
Der Anblick, welcher sich dem Magier bot, ließ ihn zunächst schockiert die Augen aufreißen und im Eingangsbereich regungslos stehen bleiben. Er sah seine beiden Gefährten und einen auf dem Boden liegenden Menschen, der scheinbar ohnmächtig und zudem von einzelnen Teilen eines Stuhls regelrecht begraben war. Was war denn hier passiert? Kaum ließ er die beiden anderen mal aus den Augen, da veranstalteten sie gemeinsam eine Prügelei in einer Taverne. Und das, obwohl sie sich nicht einmal leiden konnten. Na ja, zumindest war es so, bevor Malukhat dem Telvannimeister das Leben gerettet hatte, obwohl für ihn selbst ein hohes Risiko bestand. Aber konnten die beiden nicht einfach Brüderschaft oder so was trinken? Mussten sie wirklich gleich gemeinsam prügeln, um ihre neue Freundschaft oder was auch immer festzumachen? Die Stadtwache hatte sich zu dem Wirt begeben und befragte ihn, was denn los gewesen sei.
„Es gab eine Prügelei und der da hat angefangen“, sagt dieser, während sein Zeigefinger sich bedenklich in Richtung Malukhats bewegte.
“Zeig auf jemand anders, zeig auf jemand anders.... Nein, bitte nicht... Doch... Mist, war ja klar“, dachte Draven innerlich seufzend, als der Wirt nun eindeutig auf Malukhat deutete. Dennoch klärte sich die Situation sehr schnell, immerhin war der angerichtete Schaden bereits bezahlt, ein Meister der Telvanni war Zeuge und Prügeleien in Tavernen waren nun auch keine Seltenheit, zumal der niedergeschlagene Bretone auch nicht den Ruf genoss, in die Ruhmeshalle der besonders ehrbaren Bürger aufgenommen zu werden. Mit anderen Worten: Die Wache hat ihn beim Gehen gleich mitgenommen. Draven musste also nicht einmal seinen Einfluss geltend machen um die Situation zu klären und er war sich sicher, dass der Erzmagier darüber nicht unerfreut war.
Als sich die Situation in der Taverne vollends beruhigt hatte, ließen die drei selbsternannten Vampirjäger sich an einem Ecktisch nieder und der Erzmagister berichtete von seinen nicht vorhandenen Neuigkeiten aus dem Turm von Meister Neloth.
„Wie die letzten Male auch gibt es nichts neues zu berichten. Es ist wirklich still geworden um die Blutsauger, aber ich traue der ganzen Sache nicht, es macht auf mich eher den Eindruck wie die Ruhe vor dem Sturm. Nur leider sind wir bisher immer noch nicht sehr viel weitergekommen und stehen eigentlich immer noch am Anfang. Wie nur können wir mehr in Erfahrung bringen? Und wie fühlt ihr beiden euch inzwischen?“
„Ihr macht zumindest spontan einen recht fitten Eindruck“, fügte er noch hinzu und wandte dabei den Blick auf die Stelle, wo die Reste eines Holzstuhles auf dem Tavernenboden lagen.