Als Malukhat beim Eintreten in Zaregs, oder besser: sein eigenes, ehemaliges Zimmer, diesen Nord erkannte, stieß er einen unwillkürlichen Seufzer aus. Was wollte der denn schon wieder hier? Er legte eine Hand auf Dravens Schulter und meinte, mit der anderen auf den Nord weisend: „Toll, schon wieder der…“ Anschließend ging er zu dem Bett, in dem Zareg aufrecht saß und stellte sich direkt neben ihn. Der Telvanni-Meister sah besser aus, hatte eine gesundere Gesichtsfarbe. Da zeigte sich doch einmal mehr, dass die Bemühungen des Erzmagiers sich durchaus gelohnt hatten. Er selbst fühlte sich immer noch extrem schwach, war zu keinem Kampf zu gebrauchen. Jedes seiner Glieder hatte langsam zu schmerzen begonnen, nun hatte er sogar einen steifen Hals bekommen. Alles in allem fühlte er sich ausgelaugt und zerknittert. Mit einem weiteren Seufzen nahm er Zaregs Hand und fühlte den Puls. Ein gleichmäßiges Pochen, wenn auch noch ein wenig schwach. Zareg musste insoweit wieder auf dem Damm sein, dass er aufstehen konnte, aber wenn es tatsächlich zu einem Kampf kommen sollte, dann war der einzige gebotene Halt Draven… Blöde Situation, wirklich richtig doofe, unschöne, nicht annehmbare, asoziale, gemeine, fiese Situation…
„Wie geht es Euch, Zareg? Ihr seht schon besser aus, das lässt mich hoffen, dass wir uns heute auf den Weg machen können. Wir wollen zu den Aschländern ziehen.“ Draven hatte mehr als deutlich gemacht, dass er nicht zu den Aschländerlagern ziehen wollte, wenn es dort keine zu erwartenden Antworten gab. Allerdings… Was sollten sie ansonsten machen? Die Aschländer waren ihre einzige Hoffnung für die Beantwortung ihrer Fragen, andere Anhaltspunkte hatten sie einfach nicht. Sie mussten sich an jeden Strohhalm klammern, der ihnen zur Verfügung stand. Anders ging es nun einmal nicht, das musste der Erzmagister der Telvanni einsehen. Mit einem leisen Lächeln erkannte Malukhat in Gedanken, dass jener es auch tun würde, wenn er ihn nur darauf ansprach. Irgendwie eine Ironie des Schicksals, dass Draven einem Mörder derart vertraue, der über 300 Jahre nichts anderes getan hatte als Unschuldige zu töten. Und 300 Jahre waren gewiss eine sehr lange Zeitspanne. Draven war, wie er selbst treffend angemerkt hatte, noch nicht geboren gewesen – also was interessierte es ihn? Es sollte ihn interessieren, denn es hing inzwischen nicht nur von Dravens Entscheidungskraft aus, sondern auch von Malukhats Vertrauenswürdigkeit. Und diese hatte er bis jetzt noch nicht wirklich unter Beweis gestellt. Nur die Sache mit Zareg, als er seine letzte Kraft aufgebraucht hatte, um ihm zu helfen, aber das war auch schon alles und konnte ebenso gut als Köder verstanden werden. Einst hatte Malukhat seinen Herrn verraten, ihm den Kopf von den Schultern geschlagen – wie kam Draven nur darauf, dass er es mit ihm nicht genauso halten würde? Gut, der Erzmagier würde den Erzmagister nicht töten, das stand fest, zumal dieser ein ehrbarer Mann war, der sich keinerlei Ungerechtigkeit hatte zuschulden kommen lassen und sie ohnehin eine vollkommen andere Beziehung zueinander hatten. Aber es musste doch dennoch anzunehmen sein, dass Malukhat ein Verräter war, oder etwa nicht? Ob nun sein Herr einst Ungerechtigkeit hatte walten lassen, der Dunmer hatte ihm die Treue geschworen und hätte diese auf Biegen und Brechen durchziehen müssen. Aber er hatte es nicht getan, er hatte den Mann getötet, dem er wirklich ewige Treue geschworen hatte, und diese währte, wenn man das lange Leben eines Elfen einfach mal objektiv betrachtete, wirklich lange. Aber genug davon in vergangenen Tagen nach einer Antwort für Dravens Verhalten zu suchen, die er dort ohnehin nicht würde finden können. Malukhat musste in der Gegenwart leben. So hatte er es bis jetzt immer getan, so musste er es auch weiterhin tun, ansonsten würde er an der Last seiner eigenen Verbrechen irgendwann zerbrechen.
„Fühlt Ihr Euch gesund genug um mit uns aufzubrechen, Zareg?“, fragte der Erzmagier weiter, wobei in seiner Stimme ein drängender Unterton lag. Dann sagte er, an Draven gewandt: „Ich weiß nicht, ob wir dort Antworten bekommen werden, aber es ist besser als nichts. Natürlich kostet es Zeit, das ist mir auch klar. Aber es kostet nun einmal noch mehr Zeit, wenn wir hier herum stehen und fragen, was wir nur tun könnten, um an einen ersten Anhaltspunkt zu gelangen. Wenn wir nicht endlich handeln und darauf hoffen, dass Azura unsere Fortuna ist, werden wir niemals zu einem Ergebnis kommen.“
Und als er seinen Plan ausgesprochen hatte, wurde ihm erst gewahr, dass der Nord immer noch anwesend war und seinen Worten gelauscht hatte.