„Wir haben Zareg ganz vergessen! Der liegt jetzt einsam und allein in seinem stillen Kämmerlein und…“, sagte Malukhat plötzlich, nachdem er sich mit der Faust in die Handfläche der anderen Hand geschlagen hatte.
Der Erzmagister bedachte ihn mit einem erwartungsvollen Blick und fragte sich innerlich, warum der andere nun pausierte. "In seinem stillen Kämmerlein und? Und was denn? Verdammt noch mal, warum spricht er jetzt nicht weiter?", dachte er sich, sah aber zugleich weiterhin Malukhat an, der total abwesend wirkte. Also entweder wollte er ihm nun etwas verschweigen, er hielt seine Worte für unwichtig oder er sinnierte über seine Worte selbst, womöglich noch den tollen Reim, den er losgelassen hatte. Nein, letzteres wäre zu lächerlich, das konnte einfach nicht sein, oder? Aus seinen Gedanken wurde er dann gerissen, als Malukhat doch endlich weitersprach:
„Lasst uns zu Zareg gehen, damit ich mir über seinen Zustand ein Bild machen kann, dann sollten wir uns langsam mal in Richtung der Ebenen begeben, in denen die Aschländer wohnen. Ich meine, versuchen kann man’s ja mal, Fragen kostet ja nichts.“
Kurz bedachte Draven die Worte, bevor er antwortete.
"Grundsätzlich kostet Fragen nichts, in diesem Fall jedoch könnte es Zeit kosten. Und diese Zeit könnte zusätzliche Opfer fordern. Ich bitte Euch, dies zu bedenken und mir dann noch einmal eure Einschätzung mitzuteilen, für wie hoch Ihr die Wahrscheinlichkeit einer brauchbaren Antwort der Aschländer haltet. Ich vertraue auf Euren Rat, das solltet Ihr inzwischen schon längst bemerkt haben."
Sehr ernst waren seine Worte gewesen, doch an ihnen konnte man merken, welche Verantwortung er zu tragen hatte, nein, welche Verantwortung sie alle auf ihren Schultern trugen. Und diese Verantwortung - welche ihm momentan wieder voll bewusst geworden war - sorgte auch dafür, dass er sich ausnahmsweise einmal nicht ärgerte über die Respektsbekundung dem Erzmagier gegenüber. Normalerweise hätte er so einen wie den letzten Satz eben vermeiden wollen, aber Malukhat hatte ein Recht zu wissen, wie wichtig er für diese Angelegenheit geworden war. Wenn all dies überstanden war, würde sich ja vielleicht wieder die Möglichkeit ergeben, dass die beiden sich anfauchen und womöglich prügeln konnten, all das wäre Entspannung gegenüber dem hier. Obwohl dieser Gedanke auch sehr skurril war, immer wieder wunderte sich Draven darüber, wie er selbst ihr Verhältnis zueinander sah, es war irgendwie immer situationsbedingt. Sie respektierten sich, sie waren Freunde auf eine gewisse Art geworden, dennoch mochten sie sich nicht, oder doch? War nicht inzwischen der Ärger von ihm total verrraucht, dass sich der Trottel von Erzmagier sich ihnen gezwungenermaßen aufgedrängt hatte? Der Bretone hatte sich wirklich größte Mühe gegeben, den anderen so lange wie möglich für einen Idioten zu halten, aber eigentlich war er gar nicht so verkehrt, musste er sich häufiger eingestehen in den letzten Tagen. Natürlich hatte er Macken, man könnte ihn als exzentrisch bezeichnen und vielleicht auch manchmal ein wenig naiv wirkend, doch andererseits war er weise, ein starker Kämpfer und ein ehrenvoller Mann, wenn man seine Vergangenheit außer Acht ließ, aus der er scheinbar gelernt hatte. Eine merkwürdige Mischung, aber dabei heraus kam ein einzigartiges komplexes Individum. Natürlich, das traf auf jeden zu, aber gerade dieses Individum war so anders als viele andere, die Draven kannte. Er hatte entweder Freunde, Leute, die ihn nicht interessierten oder solche, die er für Idioten hielt. Malukhat schien von letzterem immer mehr zu ersterem zu mutieren, sowas kannte der Erzmagister bisher nicht.
*klopf klopf* Der Magier merkte, wie seine Vernunft sich wieder zu Wort meldete und ihm mitteilte, dass er wieder über wichtigere Dinge nachdenken sollte, die es grad zweifelsohne zu tun gab.
Wieder wandte er sich dem Erzmagier zu, um den bis gerade eben noch alle seine Gedanken kreisten. Zum Glück hatte er scheinbar schnell gedacht, denn Malukhat schien keinen genervt wartenden Gesichtsausdruck zu haben, also waren seine letzten Worte doch noch nicht allzu lange her. Ein Glück...
"Dann lasst uns mal nach Zareg schauen, hoffentlich geht's ihm inzwischen etwas besser", sagte er und die beiden gingen daraufhin zurück in Richtung der Docks, wo sich die Taverne befand. Die Luft war inzwischen wieder kühler geworden, da die Sonne nun wieder komplett von dunklen Wolken verhangen war. Erste Regentropfen fielen auf die Steinplatten der Straße von Sadrith Mora, als die beiden wieder die Taverne "Zum Torbogen" betraten. Die Luft in der Taverne war schon ein wenig verbraucht, aber wenigstens warm, was Draven mit Freude zur Kenntnis nahm. Draußen war es zwar nicht eiskalt gewesen, aber dennoch war er jemand, der lieber eine warme Stube vorzog, zudem hatte er nun eh erstmal genug frische Luft getankt.
In dem Zimmer Zaregs erblickten die zwei nicht nur den anderen Bretonen, der schon einen etwas besseren Eindruck machte, sondern auch den unheimlich wirkenden Nord, der in einer Ecke stand und in einem Buch blätterte. "Toll, schon wieder der...", dachte er sich im Stillen, sich immer noch nicht klar darüber, ob er ein Großmaul, ein möglicher Gefährte oder eine Bedrohung darstellte.