Zunächst konnte der Erzmagister nur schweigen. Gewiss hatte er damit gerechnet, dass Malukhat ihm eine Menge zu erklären hatte, denn die letzten Ereignisse waren wirklich sehr verwirrend für ihn gewesen. Aber was war nun passiert? Der Erzmagier hatte ihm scheinbar vorbehaltlos alles über seine Vergangenheit erzählt, sogar für diesen Moment total irrelevante Informationen hatte er ihm offenbart, Informationen über sich selbst, die Draven eigentlich nichts angingen und die man eigentlich auch nicht einfach so erzählt. Über gewisse Dinge hätte er selbst an der Stelle Malukhats wahrscheinlich einfach geschwiegen, warum sollte man jemand anderem auch zu viel erzählen? War es wirklich nötig, dem bretonischen Magier davon zu erzählen, dass er vor über drei Jahrhunderten – in den Augen Dravens eine ungeheuer lange Zeitspanne – ein grausamer Mörder gewesen war, der Spaß am töten hatte? Eigentlich nicht, also was hatte ihn dazu bewogen? Wollte er davongeschickt werden? Einen Rückzieher machen, weil ihm die Situation mit den Vampiren in Sadrith Mora zu unheimlich wurde und er es von sich aus nicht sagen wollte oder konnte? Ok, allzu gut kannten sich die beiden immer noch nicht, aber Malukhat schien immer der Typ zu sein, der sagt, was er denkt. Manchmal sagt er es sogar noch während er es denkt und ganz selten könnte man auch den Eindruck bekommen, er sagt etwas und denkt dann erst darüber nach, aber Moment, jetzt war er zu weit abgedriftet mit seinen eigenen Gedanken. Wo war er noch? Genau, der Erzmagier würde sicherlich sagen, wenn er nicht mehr den Mut für diese Vampirjagd aufbringen könnte. Natürlich würde er es nicht so sagen, sondern es wahrscheinlich geschickt verpacken, aber dafür müsste er ihm nicht diese prekären Details aus seiner Vergangenheit preisgeben. Also was konnte es sonst für einen Grund dafür geben? Warum um Lorkhans Willen hatte Malukhat sich ihm eben anvertraut? Musste Draven ihn jetzt noch daran erinnern, dass die beiden sich gar nicht mochten? Na ja, nun war es eh zu spät. Aber was hatte Malukhat eigentlich zuletzt gesagt? Er wartete auf eine Aussage, ob Draven ihn nun wegschicken würde oder nicht. Darüber hatte er gar nicht nachgedacht, denn seine Antwort darauf stand bereits fest, nachdem der Dunmer zuende gesprochen hatte. Was scherten Draven die Ereignisse, die sich ein paar Jahrhunderte vor seiner Geburt abgespielt hatten? Zur Hölle damit, so viele Macken der andere auch zu haben schien, er wirkte in wichtigen Unterhaltungen stets besonnen und sehr klar im Kopf, er war eine Bereicherung und auch, wenn sie bisher noch fast gar nichts erreicht hatten, so war Draven sich sicher, dass es ohne Malukhat noch weniger gewesen wäre, vielleicht wäre dann nicht nur Zareg inzwischen tot, sondern auch der Erzmagister selbst. Nein, es war klar, dass der Erzmagier bei ihnen bleiben musste, so viel stand fest.
Doch wie erklärte er ihm das jetzt nur? Es würde wahrscheinlich nicht gehen, ohne höflich zu sein. Malukhat hatte sich den beiden Telvanni wirklich aufgedrängt, damals in der Magiergilde Balmoras. Wobei ‚aufgedrängt’ eigentlich das falsche Wort war, er hatte sie regelrecht erpresst und ihre Situation regelrecht ausgenutzt. Doch er hatte sich inzwischen als ein sehr weiser und guter Begleiter erwiesen, das musste man ihm lassen. Und irgendwie wäre es auch richtig langweilig ohne ihn, so schwer es für den Erzmagister auch war, sich dieses innerlich einzugestehen. Alles nachdenken half nun nichts mehr, die Redepause würde sonst zu lang werden, also musste er sprechen und dabei hoffen, Malukhat bloß nicht zu höflich zu behandeln.
„Mein Respekt vor Euch? Ich heuchle keinen Respekt, ich bin keiner dieser Hlaalu-Schleimer, die meinen, durch ihre rhetorischen Fähigkeiten alles erreichen zu können. Ich machte keinen Hehl daraus, dass ich Euch am Anfang kein Stück leiden konnte, was ja offensichtlich auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Und eure Vergangenheit schert mich ebenfalls nicht, was interessiert mich, was über drei Jahrhunderte vor meiner Geburt geschah? Bedenkt, dass ich kein Elf und somit nicht mit Eurer langen Lebensdauer gesegnet bin. Ihr habt Euch zwischenzeitlich als ein wertvolles Mitglied in unserer kleinen Gruppe bewiesen und euer Kopfgeld ist ebenfalls nicht mehr aktuell, also seid Ihr auch offiziell kein Verbrecher mehr. Bereut Eure alten Taten meinetwegen, wahrscheinlich wäre es gerechtfertigt, aber all das interessiert mich nicht und ich habe nicht über Euch zu richten. Wir sind hier, um die Leute zu retten und Ihr wolltet helfen und werdet helfen.“
Ja, so im Nachhinein war Draven eigentlich relativ zufrieden mit seiner Aussage. Er hatte dem Erzmagier bestätigt, dass er ihn respektiert, aber er war auch in seinen Augen nicht zu höflich gewesen, hatte er doch nicht durchblicken lassen, für wie wertvoll er Malukhat bei dieser ganzen Sache hier hielt. Er musste ja nicht alles wissen und erahnen würde er es vielleicht auch so, wer konnte das schon so genau wissen? Aber eine Sache gab es noch, eine relativ störende Sache für ihn persönlich. Wieso musste der Trottel ihm unbedingt von Shemediz erzählen? Hätte er nicht einfach lügen könnten und sagen, er wisse nicht, bei wem es sich dabei handelt? Nein, er musste ihm ja brühwarm erzählen, dass er vor nicht allzu langer Zeit in dieser Stadt eine Telvanniwache getötet hatte. Dafür verdiente er zwar einerseits Achtung für seine Ehrlichkeit, aber der Erzmagister hätte dies lieber nicht erfahren, zumal er für den anderen bürgte. Welch hirnrissige Idee eigentlich, aber dennoch war er sich sicher, vom Erzmagier nicht enttäuscht zu werden. Immerhin war die Sache wohl auch abgegolten, nachdem das Kopfgeld für Malukhat aus der Welt geschafft worden war und außerdem – so hoffte Draven zumindest – hatte er sie in Notwehr töten müssen. Auch wenn er vor einigen Jahrhunderten ein Monster gewesen sein mag, zur Zeit war er alles anderes als das, immerhin hatte er sich das Vertrauen von ihm verdient. Nein, so schnell konnte sich Malukhat von Grund auf nicht ändern, das konnte wohl niemand, also konnte es auch gar nichts anderes außer Notwehr gewesen sein. Von daher beschloss Draven, die Sache schnellstmöglich zu vergessen und sich wieder den wichtigen Dingen zuzuwenden.
„Kommen wir zum geschäftlichen Teil zurück“, begann er. „Was meint Ihr zu den Worten des alten Aschländers? Werden sie wirklich nicht mit uns reden oder hat er Euch nur belogen? Ich denke, Ihr kennt sie besser, denn ich hatte mit den verschiedenen Camps noch nicht allzu viel zu tun bisher, da alles sie alle relativ abgelegen liegen und nicht gerade die Nähe zu den nahegelegenen Telvannistädten - wie zum Beispiel Vos - suchen. Nur minimal studierte ich ihre Gebräuche bisher, sie sind sehr unterschiedlich im Vergleich mit der städtischen Bevölkerung.“