-
Sadrith Mora / Zentrum
So viele Fragen auf einmal hatte der Erzmagister ihm gestellt, und keine einzige wollte Malukhat ihm so wirklich beantworten. Besonders nicht nach diesem Vorfall mit den Wachen. Außerdem würde Draven dann unweigerlich erfahren, mit welchen unfairen Mitteln er sein Kopfgeld losgeworden war. Nein, das war nicht einmal das Schlimmste an der ganzen Sache. Dies war nämlich: Der Telvanni würde erfahren, dass er ein Verbrecher war, ein Mörder, der viele Unschuldige getötet hatte. Eigentlich musste er nur von der weiblichen Wache namens „Shemediz“ erzählen, aber dann würde er wahrscheinlich fragen, aus welchem Grund er sie getötet hatte. Und die Antwort: „Aus Jux und Dollerei“ fiel da einfach mal kategorisch aus. Denn er tötete niemals ohne einen bestimmten Grund, auch wenn er manchmal so wirken musste. Er verprügelte zwar andere ohne Grund, aber das Töten war eine Sache, die er in seinem Leben viel zu früh kennen gelernt hatte, als dass er es auf die leichte Schulter nehmen würde. Dazu wusste der Erzmagier auch, dass er wegen seiner oftmals ausfallenden und merkwürdigen Art auf andere das ein oder andere Mal bedrohlich wirken musste, besonders wenn er gereizt war – und reizen ließ er sich bekanntlich sehr schnell. Und dennoch… Er hatte den Tod vieler Unschuldiger zu verantworten, eine schwere Last, die wie Bleigewichte auf seinen Schultern lag. Meist verdrängte er diese recht erfolgreich, aber in solchen Momenten kehrte sie immer wieder zurück, und die Macht dieser Gedanken drückte seine Lunge zusammen und raubte ihm beinahe dem Atem. Die Versuchung war groß, sich endlich einer vertrauensvollen Person zu öffnen, aber Malukhat zweifelte stark daran, dass Draven der richtige für diesen Job war. Andererseits… Wenn nicht dieser Mann der Richtige war, wer dann? Er war wirklich der einzige, der ihn überhaupt zum Nachdenken darüber gebracht hatte, ob er ihm etwas aus seiner Vergangenheit erzählen sollte. Mist, Malukhat war einfach viel zu ernst in des Erzmagisters Gegenwart, war ja alles nicht zum Aushalten! Und das ihm! Dem Erzmagier sondergleichen! Sex, Drogen und Lautenspiel – das hatte ihn früher interessiert, nebenher hatte er sich noch Gedanken darüber gemacht, aus welchem Grund er eine lila und eine schwarze Socke getragen hatte. Aber das alles war in den Hintergrund getreten und Malukhat begann nun wirklich, sich vor sich selbst zu fürchten und auch vor der Macht, die Draven scheinbar über ihn erlangt hatte.
„Tja…“, begann er mit einer weitschweifigen Geste seiner Arme, die er anschließend schlapp zu seinen beiden Seiten baumeln ließ. Er zuckte mit den Schultern und pfiff leise durch die Zähne. „Da gibt’s eigentlich nichts groß zu erzählen. Wir Ihr ja bereits wisst, bin ich nicht mehr der Jüngste, ich habe schon eine Menge erlebt. Ich habe schon in etlichen Kriegen mitgekämpft, bin das Töten also mehr oder weniger gewohnt, falls man in dieser Hinsicht überhaupt irgendwann eine Art ’Gewohnheit’ entwickeln kann. Auf jeden Fall lag damals, als ich noch jung war, eine Menge im Argen. Eine Zeitlang bereitete das Töten mir sogar Freude. Ich habe viele unschuldige Menschen gnadenlos auf Befehl meines Herrn niedergemetzelt. Damals habe ich nicht gewusst, dass die Menschen, die angeblich ihre Steuern nicht bezahlen konnten, einfach nur einfache Bauern gewesen sind, die sich den Lebensunterhalt mit dem verdient haben, was sie auf den Feldern geerntet hatten. Sie hatten einfach kein Geld, um ihre Steuern zu bezahlen. Und so bin ich erst zu einem wahren Mörder geworden. Damals war mein Name in aller Munde, aber wenn man ein wenig untertaucht und dann wird auftaucht, sieht die Sache schon ein wenig anders aus. Na ja, wenn man so zirka dreihundert Jahre von der Bildfläche verschwindet, jedenfalls, denn dann ist man nur noch ein einfacher Kleinkrimineller, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich ein Mörder bin. Also bin ich immer hier hin und dort hin geflohen. War eine schwere Zeit, aber ich hatte mich bereits damit abgefunden. In Sadrith Mora allerdings wurden einige Wachen auf mich aufmerksam. Bei meiner Flucht tötete ich eine von ihnen – das war wohl Shemediz.“
Er machte eine kurze Pause, gab Draven allerdings nur einen kurzen Moment des Verarbeitens. Eigentlich hätte der Erzmagister wohl länger gebraucht, um zu überwinden, dass er einen Geächteten an seiner Seite hatte. Vielleicht aber hatte er sich auch bereits gedacht und war in keinster Weise überrascht. Als der Erzmagier abermals das Wort erhob, blickte er dezent an Draven vorbei, wie er es bei seiner vorher gegangenen Erzählung auch bereits getan hatte. Ihm viel die Sache schwerer, als er sich nach Außen hin den Anschein gab.
„Ich tötete sie und wollte schlichtweg nur aus zwei Gründen Erzmagier werden: Um einen hohen Rang zu besitzen, indem mir Freiheiten in Sachen meiner Studien gewährt werden, und um mein Kopfgeld loszuwerden. Um diesen meinen egoistischen Wunsch zu erfüllen bot sich die Magiergilde geradezu an mit ihren veralteten Verhaltensregeln und diesem Idioten von Trebonius. Er hat sich von mir reizen lassen. Dieses Spiel habe ich so lange fortgeführt, bis er mir zusagte, wenn ich ihn in einem Kampf besiege, würde mein Kopfgeld verschwinden und ich würde Erzmagier werden. Und ich habe gewonnen. Und nun steht der ehrenwerte Erzmagier Malukhat vor euch, ein starker, gelehrter Mann – in Wirklichkeit ein gewissenloser Mörder.“
Wieder eine Pause, doch diese währte noch kürzer als die vorher gegangene, denn Malukhat war in eine Art Redewut verfallen, die nun einmal eine seiner Eigenarten repräsentierte.
„Und der Aschländer? Ich habe seinen Namen vergessen. Mein Vater hatte damals einiges mit ihnen zu tun, aber als er dann plötzlich starb, haben sie ihn alle verleugnet. Damals habe ich noch in den Kinderschuhen gesteckt, er war ein junger, vitaler Mann gewesen. Da sieht man einmal, dass die Zeit vor niemandem Halt macht. Ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern, aber er sagte mir, dass er unbemerkt unser Gespräch belauscht habe, als ich Euch den Vorschlag machte, zu den Aschländern zu gehen und dort Antworten zu erbitten. Jedenfalls sagte er zu mir, dass niemand mit uns sprechen wird – insbesondere nicht, wenn ich dabei bin. Was haltet Ihr nun von mir, Draven, wo Ihr wisst, was für ein Dunmer ich bin und wie grausam ich sein kann? Werdet Ihr Euch von mir abwenden, wie alle anderen es auch getan haben? Oder war Euer Respekt mir gegenüber nur vorgeheuchelt? Wenn dem so sein sollte, werde ich mich hier und jetzt von Euch verabschieden. Ich habe mich Euch und Zareg ohnehin nur aufgezwängt. Damals stand mein Entschluss, Euch zu begleiten, weil ich Langeweile hatte und endlich wieder ein Abenteuer brauchte. Dazu Abstand von diesen einzwängenden Wänden der Magiergilde. Nun allerdings sehe ich die Dinge ein wenig anders. Wenn Ihr also wollt, dass ich mich hier und jetzt vom Acker mache… Nun, dann sagt es mir jetzt, denn einen besseren Zeitpunkt könntet Ihr nicht erwischen.“
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln