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Sadrith Mora / Taverne "Zum Torbogen"
Irgendwas stimmte da nicht, sogar ganz und gar nicht. Malukhat wusste noch nicht, was es war, aber er hatte so ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Als wenn da was vorgefallen wäre, was verdammt Wichtiges. Es war, als hätte man ihm einen mentalen Tritt in sein Hinterteil versetzt, so angespannt war er in jenem Moment. Und auch ein säuerlicher Gallegeschmack entstieg seiner Kehle, setzte sich in seinem Rachen fest und rief eine schier unüberwindbare Übelkeit in dem Erzmagier hervor. Mit all seiner Kraft versuchte er seine Gedanken zu ordnen, den Brechreiz niederzuringen, und es gelang ihm auch ganz gut – aber auf das, was er eigentlich wissen wollte, kam er natürlich nicht. Wie auch? Es war ja immerhin eher ein Gefühl als ein Gedanke. Unbeschreiblich in seiner unendlichen Tiefe und der körperlichen Präsenz, die es hervor rief.
Nein, da stimmte was nicht. Es musste etwas geschehen sein, was so nicht geplant gewesen war. Natürlich nur „nicht geplant“ im Sinne von allem, was Draven, er selbst und Zareg besprochen hatten. Der Kopf des Dunmer ruckte auf, seine Augen waren weit aufgerissen und er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn – Zareg! Wieso war er nicht früher darauf gekommen? So einen festen Schlaf konnte doch kein normaler Mensch haben, dass er es nicht hörte, wenn man lauthals nach ihm schrie.
Sofort war Malukhat auf den Beinen; der hinter ihm rasch umkippende Stuhl ließ ein polterndes Geräusch im Raume stehen, welches, unbeachtet von allen Beteiligten außer Draven, verebbte und gleich einem Schatten in tiefster Dunkelheit schließlich verschwand.
Die ersten drei Stufen in Richtung der Schlafgemächer, die sie bewohnten – Sofort…
Die nächsten Stufen – Keine Zeit…
Plötzlich stolperte der Erzmagier über seine eigenen Füße, direkt am obersten Treppenabsatz angekommen, und legte sich lang, mit dem Gesicht direkt auf die letzte, oben gelegene Stufe. Doch selbst die Tatsache, dass seine Nase zu bluten anfing, kleine Rinnsale der roten Flüssigkeit sich den Weg zu seinen Lippen suchten, sie feucht und warm benetzten, konnte ihn nicht aufhalten. Warum er so versessen darauf war, nachzusehen, ob es dem Bretonen dort oben in seinem Zimmer gut ging, das vermochte er nicht zu sagen. War eben wieder mal eine seiner Ahnungen, die er nicht beschreiben konnte.
Flugs rappelte er sich auf und stolperte mehr oder weniger zu Zaregs Zimmer. Die vorher noch verschlossene Tür war einen kleinen Spalt geöffnet. Malukhat riss sie auf und starrte in den dunklen Raum. Kein Licht brannte in der Finsternis.
„Zareg?“, fragte er in das Zimmer hinein. Keine Antwort. „Seid Ihr wach?“
Vorsichtig machte der Erzmagier einen Schritt nach vorn. Konnte ja immerhin niemand garantieren, dass sich nichts Bösartiges in der Dunkelheit verbarg. Er spürte nichts, aber dennoch wollte er in diesem Fall seinem Waghals einen Abbruch tun. Es war einfach zu gefährlich. Sein rechter Fuß schlitterte leicht, fast unmerklich, über den mit Holzbohlen verkleideten Boden. Malukhat neigte seinen Kopf gen Boden und erkannte im schwachen Licht der Flurbeleuchtung etwas bräunlich Rotes auf den Dielen schimmern. Von einer düsteren Ahnung beschlichen bückte er sich hernieder und strich mit Zeige- und Mittelfinger seiner rechten, behandschuhten Hand über die feuchte Stelle. Dann hob er die Finger direkt vor seine Augen, betrachtete sie mit der übertriebenen Genauigkeit eines Schulmeisters, bevor er seinen Mund leicht öffnete und die dickflüssige Seime probierte.
Geschockt zog er die Hand von seinem Gesicht weg, betrachtete die Flüssigkeit wohl wissend, dass seine Vermutung sich bestätigt hatte – es war Blut!
„Zareg?“ Malukhat wusste, es hatte keinen Sinn den Bretonen zu rufen. Außer seinem eigenen war kein astraler Körper, kein weiteres Bewusstsein auszumachen. Mit einer einzigen, weitreichenden Handbewegung entflammten sämtliche Leuchter in dem Raum, schwarze Schatten entsprangen den Wänden als kamen sie aus dem Nichts; sie zuckten durch das Zimmer wie unter Todesqualen; die Figuren, die aus ihnen entstanden, glichen den Bildern eines Rohrschachtests.
Das Bild, welches sich dem Erzmagier bot, war in seiner Schrecklichkeit kaum auszumalen. In seinem langen Leben hatte er bereits einige Schlachten geschlagen, hatte viele seiner Kampfkumpanen neben sich sterben sehen, der Anblick von Blut, die offensichtliche Anwesenheit des Todes war ihm mehr als bekannt. Generell machte es ihm nichts aus, doch der süßliche Geruch, der in der Luft lag, der Anblick des toten Zareg, der neben seinem Bett auf dem Boden lag, mit weit aufgerissenen Augen, ließen abermals eine überwältigende Übelkeit in ihm aufsteigen. Doch auch diese Woge konnte ihn nicht zu Boden reißen, stattdessen war er mit einem Satz bei dem Toten und kniete neben ihm nieder, betrachtete das aschfahle Gesicht des Todes, den leicht verzerrten Mund… Er musste sehr gelitten haben. Mit der linken Hand umfasste er den Hinterkopf des Bretonen, mit der anderen fuhr er sanft über dessen Augen.
Ein Schatten fiel von der Tür in das Gemach, füllten dessen Mitte fast vollkommen aus. Der Erzmagier schaute abrupt auf – und erkannte Draven.
„Der Kleine hat wirklich einen sehr, sehr festen Schlaf, mein Freund“, sprach er den Erzmagister bedauernd und freundschaftlich an. Schon merkwürdig, dass er langsam begann, sich für die Belange und Gefühle anderer Personen zu interessieren, aber so schlecht war das eigentlich nicht; jedenfalls nicht, solange solche Situationen nicht zur Norm wurden. An Draven hatte er sich bereits gewöhnt, begonnen ihn zu respektieren, daran ließ sich nun nichts mehr ändern und es schien tatsächlich so, als konnte sich zwischen den beiden eine Art Hass-Freundschaft entwickeln. Zareg hingegen hatte Malukhat nicht gemocht, wahrscheinlich aus dem Grund, dass er ihn nicht kannte. Aber auf eine solch bestialische Art getötet zu werden… Nein, das hatte der Bretone nicht verdient. Das war so einfach nicht richtig. Und es war nicht fair.
Der Dunmer konnte den Blick Dravens nicht einwandfrei deuten. Er war wie eine Wand aus Verwunderung, Schockierung und Gleichgültigkeit zugleich. Ein telvannisches Gesicht eben, welches nicht preisgeben wollte, welche Gefühle sich in Wirklichkeit dahinter verbargen. Draven mochte es vielleicht nicht gemerkt haben, aber in manchen Situationen war die „Is-mir-doch-latten“-Haltung der höheren Telvanni durchaus praktisch. Und Malukhat wusste auch, dass Draven auf gar keinen Fall wollte, dass der Erzmagier irgendetwas über sein Innenleben erfuhr. Sie waren sich eben viel zu ähnlich…
Ein lautes Röcheln uns Husten durchbrach die Stille, und als sich der „tote“ Körper Zaregs in Malukhats Händen vor Schmerz wand, fuhren der Erzmagier und der Erzmagister vor Schreck zusammen. Absolute Fassungslosigkeit vonseiten Malukhats, der auf den Bretonen hinabstarrte, dessen Leichenblässe immer noch nicht aus dem Gesicht weichen wollte.
„Kümmert Euch erstmal um ihn, Draven, ich hole die Heilmittel aus meinem Zimmer!“, rief Malukhat aufgeregt und wusste dabei nicht einmal, wo genau er anfangen, welche Kräuter und Tränke er nutzen sollte. Ein einfacher Heiltrank sollte einfach nicht genügen, da musste etwas Besseres, Stärkeres her – nur was?
Egal, darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn er erst einmal alles an Heilmitteln zusammen hatte, was er brauchte. Nein, alles. Nicht nur das, was er brauchte, denn was er brauchte, das wusste er ja noch gar nicht. Gnaa…
Zuerst einmal Zareg vorsichtig auf die harten Bohle niederlegen und anschließend… anschließend… zur… zur... Tür...
Als Malukhat sich erhob, wurde ihm schwarz vor Augen, ein dunkler Nebel verschleierte seinen Verstand. Er schaffte nur ein paar Schritte in Richtung Dravens, langsame Schritte auf wackeligen Beinen. Seine rechte Hand hob er an seine Stirn, schloss die Augen um das Schwindelgefühl abzuschütteln, welches von seinem Körper Besitz ergriffen hatte.
„Draven… ich…“, stotterte er, bevor er ohnmächtig zusammen brach.
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