Unibibliothek. Man lernt eine ganze Menge, wenn man sich ein paar Tage lang darin verkriechen kann. Sakuranet ist auf anderer Leute Mist gewachsen und das Japanforum hat mir Shieru-Sensei anvertraut, nachdem ich ähnliche Fragen halbwegs kompetent zu beantworten versuchte. Ja, es ist mehr oder weniger meine Absicht, diesen Bereich abzudecken da ich bei der Sprache niemandem weiterhelfen kann.
Ich PM' mal unseren Mann an, der das System am eigenen Leibe erfahren hat...
Ja. Wenn ein Text in Japan das europäische Layout von Zeilen verwendet, liest man ihn von rechts nach links, aber sobald der Text, wie in den Sprechblasen meist, von oben nach unten in Spalten geschrieben wird wechselt die Leserichtung wieder zurück. Das Layout desn Comics folgte dann der Leserichtung.
Es wird den Lehrern im allgemeinen nicht so krumm genommen, wenn sie ihre Schüler Prügeln, ich möchte also nicht generalisieren, dass die Verhältnisse "herzlicher" sind als anderswo.
Wenn du mich fragst, warum das Verhältniss zwischen Schüler und Lehrer in Japan anders ist, so verweise ich dich darauf, dass das allgemeine Schulsystem in Japan eine andere Funktion erfüllten sollte, als das deutsche, schweizerische oder französische und dementsprechend anders funktioniert.
Die allgemeine Schulpflicht wurde zur Zeit der Meiji-Restauration eingeführt, zu einer Zeit als die Provinzen noch unter der Kontrolle von Samurai Daimyo stand. Im Sinne der konfuzianistischen Lehre, dass nur ein gebildeter Mensch ein wirklicher Mensch sei, machte man sich das allgemeine Schulsystem zur Schaffung einer neuen Nation und eines neuen Menschen zu Nutzen. Die Ideologie dahinter war das "Kokutai".
Die Basisidee dieser ist, dass Japan von den Göttern gegründet wurde, dass die Yamato und das Kaiserhaus in direkter Linie von diesen und der Rest des Volkes vom Kaiserhaus abstammt. Japan war also zur Zeit seiner Gründung ein "Familienstaat", in dem der Kaiser Vater für das gesamte Volk gewesen ist und das Volk ihm in filialer Pietät folgte. Natürlich ist das Bullshit.
Zu Beginn, als Japan sich noch in der Modernisierung befand, hatten Schulen hauptsächlich eine technische Funktion - Wissen vermitteln und Menschenmaterial herausfiltern, dass für den Aufbau der Nation nützlich sei. Dies kombiniert mit einigen anderen Faktoren kuluminierte in der "Ständedemokratie" der vergleichsweise liberalen Taisho-Periode.
Als die Kokutai-Bewegung sich mit westlichen Wissenschaften verbündete (hauptsächlich Geschichte und Ahnenforschung der Nazis) und alle anderen überstrahlen konnte, kam es zum "Kaiserlichen Erziehungserlass" von 1890 der eine noch radikalere Zentralisierung der Macht mit sich brachte und vermutlich zum ersten mal die Schule als Ort einführte, in dem der Schüler sozialisiert wird.
Die Kokutai-Idee wurde damals an den Schulen als Unterrichtsinhalt gelehrt und bestimmte bei manchen Personen bis heute das Verhältniss der Japaner zu ihrem und anderen Staaten.
Inzwischen lehrt man Kokutai zwar nicht mehr in den öffentlichen Schulen, aber die Funktion der Sozialisation haben sie größtenteils für sich eingenommen. Angefangen vom Kindergarten, wie Anne Allison bemerkte, bis zum Ende der Schulzeit sind es Lehrer, welche den Kindern ihr Bild von der Gesellschaft und dem rechten Verhältniss zum Mitmenschen vermitteln. Was dabei herausgebildet wird ist die "Gruppenorientiertheit der japanischen Gesellschaft" über die sehr viel Tinte vergossen wurde.
Wenn ich das recht mitbekommen habe, läuft es darauf hinaus, dass sie peer pressure so viel Arbeit wie nur irgendwie möglich machen lassen und Verhaltensweisen, welche mit diesem arbeiten loben während andere abgestraft werden.
Dies unterscheidet sie von unseren Lehrern, die mehr oder weniger für die technische Wissensvermittlung zuständig sind, während die Sozialisation vollständig in den Händen der Eltern liegt. Dementsprechend ist das Verhältniss von Schul- und Freizeit in Japan gewichtet. Zusätzlich greift das Bildungssystem mit Kleider- und Verhaltensvorschriften viel weiter in das Privatleben der Schüler und Eltern ein, als es bei uns der Fall ist. Davon abgeleitet hat sich z.B. der schulmeisterliche Ton und die Rezepthaftigkeit, den Modemagazine für ihre Leser anschlagen.