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Drachentöter
10.07.2003
Ice Age 2 -
Eichel-Jäger Scrat und Mammut Manni brachten schon 2002 die Kinogänger zum Lachen. Nun geht das ur(zeit)komische Spektakel von "Digital Pionier" und Regisseur Chris Wedge geht in die nächste Runde.
Denis Leary, Sprecher von Säbelzahntiger Diego im amerikanischen Original, offenbarte einige Details über das künftige Film-Highlight:
"Die Story ist schon fast fertig, 20th Century Fox wird wahrscheinlich noch bis Herbst brauchen, dann werden wir ins Studio gehen", sagte er. Damit hat das coole Sequel allerdings etwa drei Jahre Verspätung, wie Leary verriet:
"Eigentlich habe ich den Jungs von Fox schon damals gesagt: 'Lasst uns die Fortsetzung direkt mitdrehen, dann sparen wir eine Menge Kohle!' Aber die Studios hassen es, Geld auszugeben, bevor sie nicht eine Erfolgsgarantie in der Hand haben. Jetzt müssen sie zweimal zahlen und es dauert doppelt so lange. Aber letztendlich haben trotzdem alle Sprecher zugesagt."
Die animierten Helden Sid, Diego, Manfred und Scrat werden wieder das vierbeinige Quartett im Eiszeit-Epos bilden. Ob der ostfriesische Blödel-Barde Otto Waalkes und seine Sprecher-Kollegen aus dem ersten Teil die deutsche Synchronisation übernehmen, bleibt abzuwarten.
Sicher ist: "Ice Age 2" wird mit seiner Mischung aus Technik, Action und Wortwitz erneut die Zeichentrickwelt aufmischen.
Spektakel statt Gefühl -
"Schauder und Jammer" hat sich Aristoteles für den Zuseher einst vom Genuss eines Dramas versprochen. Beim Kinogänger stellt sich Schaudern heute nur noch angesichts effektüberladener Reizspektakel mit dünnen Stories an. Das einzige Jammertal, das er durchschreitet, ist das der austauschbaren Leinwandhelden mit der Gefühlstiefe eines Orks.
"Diese Effekte, die Verfolgungsjagd auf dem Highway, diese morphenden Geister - einfach Wahnsinn, ein Superfilm!" So war es allerorten zu hören, wo die Menschen aus "Matrix Reloaded" strömten, dem Megahype-Movie des Jahres.
Ein Film wie ein Computerspiel. Wenn Keanu Reeves als auserwählter Neo an seinem postmodernen Papst-Stock über die Gesichter der Agent-Smith-Klone trampelt und die Kamera im Kreis um ihn herumzoomt, wenn er Superman-gleich durch den Himmel reitet um Trinity rechtzeitig eine digitale Herzmassage zu verpassen, dann ernten die Wachowski-Brüder staunende Augen im Kinosaal.
Nicht, dass einen das Geschehen auf der Leinwand wirklich berühren würde - aber es sieht auf jeden Fall überwältigend aus. Und das scheint heute für einen Kassenknüller auszureichen: Die Effekte illustrieren nicht mehr die Story, die Story dient nur noch als notwendiger Aufhänger für immer aufwändigere visuelle Feuerwerke.
Doch während Daredevil, Spider-Man, Orks und Jedis als Computerklone über die Leinwand turnen, mühen sich Darsteller aus Fleisch und Blut in kleinen feinen Dramenproduktionen ab, um den Menschen dort zu erreichen, wo angeblich doch das Zentrum seines Erlebens sein soll: im Herzen.
So leidet sich Salma Hayek in der Künstlerbio "Frida" als unfallgeschädigte Malerin durch eine verhängnisvolle, weil verzehrende Liebe zum ewig untreuen Gatten - von Julie Taymor in wahrhaft poetische Bilder gebannt. Nicole Kidman, Meryl Streep und Julianne Moore kämpfen in "The Hours" um ihre Lebensidentität, ringen mit Schwermut und Hoffnungslosigkeit. Robin Williams durchleuchtet in einem eindringlichen Seelenstriptease namens "One Hour Photo" die Psyche eines vereinsamten Kaputniks, verpackt in eine kalte und deswegen eindringliche Szenerie von Clip-Regisseur Mark Romanek. Dazu scheitert Jack Nicholson in "About Schmidt" am Rentnerdasein, sucht George Clooney im Weltraum über dem Planeten "Solaris" nach dem Wesen der Liebe.
Das Problem Hollywoods versammelter Hochkaräter: Keiner geht hin, alle feine Schauspielkunst findet größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zwar jubeln Kritiker und Juroren bei den Oscars, in Cannes und Berlin, doch der Konsument sitzt lieber in Unsinn wie "Johnny English", "Star Trek: Nemesis", "2 Fast 2 Furious" oder "Bruce Allmächtig". Allesamt Filme, die vom Zuseher nichts verlangen, ihm so nahe kommen, wie die hübsche Blondine in der Reihe davor: gar nicht.
Der Kulturpessimist spricht von einer Gesellschaft des Wegschauens, wo Schadenfreude längst über Mitleid gesiegt hat, wo Anteilnahme ein Fremdwort und sicher kein Genussquell ist: Gaffer-Kino für Kino-Gaffer.
Doch was hat man überhaupt davon, sich rückhaltlos in die möglicherweise kaputte Seelenwelt eines anderen, im Falle des Kinos, fiktiven Menschen zu stürzen?
Die "Katharsis", sagte Aristoteles und meinte damit einen hohen Zustand der Erregung, ein Durchleben starker Gefühle, dass den Mitleidenden wie ein reinigendes Gewitter durchfährt. Seine Theorie: Danach geht's einem gut.
Und wer nun denkt, die vergilbte Lehre oller Griechen gehöre vornehmlich ins Theater, verkennt, dass sich das Kino aus eben dieser Wurzel gespeist hat, dass Drama und Komödie die Ur-Formen des Mediums Film sind und über lange Jahre auch Hollywoods große Stärke waren.
Lars von Trier bringt es filmisch und verbal auf den Punkt: Sein neuestes Drama "Dogville" um eine Frau auf der Flucht im Strudel kleindörflicher Grausamkeit ist ein Kammerspiel auf einer Theaterbühne, Straßen und Häuser sind lediglich aufgemalt:
"Klar sagen viele, das sei nicht Kino, und wahrscheinlich haben diese Leute sogar recht. Ich habe früher auch 'filmische' Filme gemacht. Aber heute musst du nur auf einen Knopf drücken, um 'filmisch' zu sein: Ganze Armeen ziehen über Hügel, du hast Drachen und was weiß ich sonst noch. Wenn ich so etwas im Kino sehe, habe ich immer einen Typen am Computer vor Augen und nicht mehr die Filmszene. Ich sehe ihn Knöpfe drücken. Auch das mag eine Form der Kunst sein, aber mich interessiert sie nicht. Ich fühle mich dabei zu sehr in meinem Erleben manipuliert."
Der Vorteil eines Kinokammerspiels gegenüber dem Theater: Anders als in Reihe 40 im örtlichen Kulturtempel sieht man die Darsteller in Großaufnahme, kann aus Julianne Moores zuckendem rechten Mundwinkel in "Dem Himmel so fern" die ganze Tragödie der Lebenslüge ihrer perfekten Vorstadtfamilie ablesen, erkennt an einem Flackern der Augenlider den bodenlosen Abgrund, in den sie zu stürzen droht.
Und wenn die großen Dramen dem Zuseher dazu noch das kassenträchtige Happy End verweigern, hat der Wahnsinn auch dabei Methode: Denn anders als die Filmfigur kann sich der Betrachter über die verzweifelnde Figur erheben, kann das Schöne im Scheitern sehen. Denn das Drama sagt: Menschsein ist Kunst, und Menschsein ist immer auch Verzweifeln, Scheitern, Tragödie. Und selbst wenn der fiktive Held stirbt: Die bereicherte Gefühlswelt des Zusehers ist real, er nimmt sie mit nach Hause.
Dramen-Meister Ang Lee versucht dementsprechend in "Hulk" den Spagat zwischen spektakulärem Blockbuster und persönlicher Tragödie, inszeniert seinen Showdown als die elementarste aller Konfrontationen: zwei Menschen alleine in einem Raum. So erntet Lee aber auch Unverständnis von den Comic-Fans, die vor allem ein grünes Monster auf Vernichtungsorgie sehen wollen.
Auch das bahnbrechende China-Epos "Hero" schafft mit seinen revolutionären Aufnahmen die Verbindung von wahrhaft visionärer Kinokunst und tiefem menschlichen Empfinden - sogar mit philosophischer Aussage: "Alle unter dem Himmel". So kann's gehen.
Quelle Kino.de
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