[FONT="Garamond"]Eiswolf[/FONT]
[FONT="Garamond"]Prolog[/FONT]
[FONT="Book Antiqua"]Eric Wijotev schlug die Augen auf.
Ihm war bitterkalt. Kleine, dicke Eisklumpen hatten sich in seinem kurz geschnittenen Bart gebildet. Sein Körper war so kalt, dass er an einigen Stellen völlig taub geworden war. Schnee und Eis bedeckten ihn. In seinem rechten Arm pochte dumpfer Schmerz. Der Wind trieb ihm den Schnee in die Augen, als er sich mit zusammengebissenen Zähnen auf die Ellenbogen stützte. Bei jedem Atemzug brannten seine Lungen und die eisige Kälte nistete sich noch tiefer in ihm ein. Der Wind hatte eine Schneeschicht über die Leichen gelegt, doch Eric erkannte noch gut die erfrorenen Körper der Gefallenen unter dem Weiss. Er drehte sich zur Seite und berührte die blauen, blutleeren Lippen des Leichnams neben ihm. Er hatte noch nie zuvor einen Toten berührt. Eric lief eine eiskalte Träne die Wange hinunter. Sie fiel hernieder und zerplatzte auf des Leichnams glasiges, leeres Auge und schien ihm für einen Sekundenbruchteil neues Leben zu verleihen.
Eric rieb sich fröstelnd und zitternd die wunden Fingerspitzen und schloss dem starrenden Leichnam still die Augen.
Dann stand er mit grosser Mühe auf. Alle Kraft zusammennehmend ging er ein paar stolpernde Schritte, bis er schliesslich fast zielstrebig seinen Weg durch das Schlachtfeld der eisigen Leichen fand. Starr blickte er zurück, seine Fussstapfen wie verloren durch das Leichenfeld führten, allein sie zeugten von Lebendigkeit an diesem grauenvollen Ort, wo viele Freunde Seite an Seite gestorben waren.
Plötzlich erblickte Eric ein ihm bekanntes Gesicht, die schreckliche Todesangst der Fratze für immer im Eis eingefroren. Dieser Mensch, dem dieses einst so schöne Gesicht gehört hatte, war einmal sein Kamerad gewesen, als sie noch in der gleichen Einheit gekämpft hatten, der Einheit, die nun tot und erfroren unter dem Schnee begraben lag.
Eric wusste nicht, wie lange sie schon tot waren, er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wie sie gestorben waren.
Wie lange hatte er halberfroren, vom Feind für tot gehalten, zwischen ihnen gelegen?
Da stand er neben seinem alten Kameraden, warf die Arme gen Himmel und heiss brach das Weinen und Kreischen aus ihm heraus, dort zwischen tausend andern Toten, dort wo der Schneefall immer dichter wurde und der letzte Teil von Menschlichkeit endgültig in ihm erlosch.
Der Hunger frass sich seinen Weg tief aus Erics Magen nach draussen, unglaubliche Schmerzen brodelten in seinem Innern. Hunger und Tod, des Menschen grösste Feinde, waren nahe daran, sich ein neues Opfer zu holen. Erics Hände bewegten sich wie von selbst, nur sein Verstand schrie, als er begann mit seinem Armeemesser Stücke von fast schon gänzlich erfrorenem Fleisch von der Leiche zu schneiden. Sein Kopf schrie nach Fressen, sein Magen erwartete heiss den ersten Brocken.
Anfangs noch zögerlich probierte er von dem kalten Fleisch eines andern Menschen, zweimal kotzte er, bevor es in ihm blieb. Dann ass er schneller, um seinen heftig schmerzenden Magen zu beruhigen. Als er fertig war, blickte er trübe und traurig auf seinen ehemaligen Kameraden, dem nun der linke Arm und Teile des rechten Beines fehlten.
Schweren Herzens erhob er sich und ging seinen Weg weiter, wohin und für was wusste er nicht mehr.
Der Sturm wurde dichter.[/FONT]
Edit: Beim 2ten Post wurde der Prolog leicht überarbeitet.