Zitat Zitat von Ianus
Stell dir mal vor, die Lehrer würden ihnen wahrheitsgemäß in der ersten Stunde sagen: "Das alles wird sich in eurer Lebenszeit noch als überholt erweisen, lernen müsst ihr es trotzdem."

Dieses Prozesshafte müssen wir ihnen verschweigen und sie von der Idee des Absoluten abhängig machen. Denn wenn sie die nicht mehr haben, fehlt ihnen Sinn, Ziel und Maß im Lernen.
Die "Idee des Absoluten" scheint mir in völligem Widerspruch zum Wesen eines Kindes zu stehen. Kaum ein Erwachsener ist in seinen Anschauungen derart wandlungsfähig wie ein Kind oder bereit seine Ansichten so schnell zu wechseln, als wären sie ein Stück Gewand, wie das (kleinere) Kinder doch können. Denn Kinder strotzen nur so von Einbildungskraft und diese ist verbunden mit einem starken spielerischen Drang und großer Neugierde.
Kinder begeistern sich für das Wechselnde, Wandelnde, Schöpferische und in ihrer blühenden Phantasie sind Wahrheitswert, Schlüssigkeit und Vernunft eher unbedeutende, da phantasie-hemmende, Größen. Ein Märchen kann für ein Kind durchaus "wirklicher" sein als Fernsehnachrichten.
Worauf ich damit hinaus will: Die Idee eine Tatsache sei absolut wahr, felsenfest und unerschütterlich für alle Zeiten ist eine Idee die du den Kindern einreden kannst, aber die sie kaum interessieren wird, selbst wenn sie's dir glauben. Denn um den Wahrheitswert einer Behauptung festzustellen braucht es ein Maß an Einsatzbereitschaft von Zweifel und Kritik, welches bei Kindern durch ihr spielerisches Wesen eben so hoch nicht vorhanden ist. Daher ja auch ihre Leichtgläubigkeit, welche nicht nur auf Erfahrungsmangel beruht.

Das durch ein Nichtvorhandensein einer "Idee des Absoluten" die Schüler das Ziel vor den Augen verlieren wird kaum geschehen, denn die Ansicht das Lernen der Schüler sei sinn- und zweckgerichtet geht an der Wirklichkeit vorbei. Denn der Alltag läuft nunmal so ab, dass sie irgendwelche bezugslosen Daten vorgesetzt bekommen, die sie nicht einmal mit einer persönlichen Erfahrung in Verbindung setzen können. Die meisten lernen dann diese Daten nicht für Staat und Leben, sondern sie lernen sie stur auswendig um Jahr und Klasse zu schaffen (behaupt' ich mal). Und da ein Schüler eh nix zu sagen hat, stellt sich die Lust die Richtigkeit der Daten zu überprüfen kaum ein. Vielen wird wohl egal sein, wieviel Sinn das macht, was sie da vorgesetzt bekommen - Hauptsache sie beherrschen es beim Test.

Natürlich ist ein Satz wie "Was ihr heute lernt, ist morgen überholt" nicht gerade motivierend, aber mir ging es auch nicht darum auf jede Wissenslücke aufmerksam zu machen die morgen schon gefüllt sein könnte, sondern um grundlegendere Fragen und die lassen sich nicht von heut auf morgen beantworten. Das Zufallsverhalten quantenphysikalischer Syteme (und damit die Grenzen des mechanistischen Weltbildes) oder die Frage nach der Definition vom Leben sind ebenso geheimnisvoll wie vor 100Jahren.
Und man braucht keine komplizierten Denkstrukturen oder lauter Querverweise um auf grundlegende Fragen aufmerksam zu machen, denn Querverweise bringen nur ein Haufen Einzelheiten ans Tageslicht, es ist ein Wachsen des Wissens in die Breite, doch desto grundlegender man wird, desto tiefer man geht, umso mehr trifft man auf die Ein- und Ganzheitlichkeit weltlicher Vorgänge, was ihr Verstehen erleichtert und ihnen eine Harmonie verleiht, die nicht an Schönheit entbehrt.

Daher empfinde ich es auch als wichtig, dass sie tiefergehenden Fragen begegnen. Denn, wie schon vorher erwähnt, sind Kinder sehr neugierig und gerade das Geheimnisvolle, Unergründliche übt einen starken Reiz aus. Ein Geographielehrer kann seine Schüler mit allen möglichen Staaten langweilen. Die meisten Zuhörer wird er wohl da haben wo er beginnt über ein mysteriös versunkenes Land zu sprechen.
Und man darf nicht vergessen: Gerade auf die Ansichten die man im Kindes- und Jugendalter kennenlernt wird man leicht geprägt. Prägungen haben ja die nette Eigenschaft, dass sie zum Zeitpunkt ihres Erwerbs noch völlig belanglos sein können, aber in einem späteren Lebensabschnitt aus dem Dunkel des Unterbewusstseins auftauchen und erheblichen Einfluss auf Ansicht und Verhalten zum Leben haben können.
Also warum den Menschen so früh Fragen und Wundern abgewöhnen?