Während Tiran in einiger Entfernung bereits ein Glitzern ausmachen konnte, das ihm zeigte, dass er dem Hyliasee bereits nahe war, ließ er den bisherigen Ablauf der Schnitzeljagd Revue passieren. Angefangen von der langweiligen Rede des Königs, über die eher traditionellen Hindernisse der ersten Runde bis hin zu der Überraschung in Kakariko, dachte er schmunzelnd an einen Mann in einem dreckigen Loch, einen Mann mit einem Gesicht voll Farbe und eine schreiende Frau, an der der Kadaver eines Skultullas klebte. Nicht zu vergessen die Glanzleistung seins Schülers: Den hilflos im Brunnen platschenden Mann, der verzweifelt versuchte auf den Grund zu tauchen. Wie auch immer die Jagd ausgehen würde (natürlich mit seinem Sieg, was sonst?), er würde schöne Erinnerungen mit sich nehmen. Egal, was die Priester über Nächstenliebe und Güte predigten, manchmal tat es eben doch gut, einfach nur gemeint und hinterhältig zu sein. Wobei er so gemein nun auch nicht gewesen war, gestand sich der Schmied in Gedanken großzügig zu. Da wäre durchaus noch eine Steigerung denkbar gewesen, doch in dieser letzten Runde würde es wohl kaum dazu kommen, da jeder Teilnehmer sie allein ablegen musste. „Auch gut“, seufzte er während er einen im Schnee kaum zu sehenden Pfad entlang schritt, der ihn bald an einen kleinen Hang und schließlich herunter zum Ufer des Sees führen sollte. Eigentlich war er ja ein netter Mensch, rief sich Tiran in Erinnerung. Er hatte seinen Spass gehabt, Ren hatte ein wenig Geld verdient und nachdem er das Visum gewonnen hatte, konnte er wieder der alte, aufgeschlossene und gutmütige Schmied von vor kurzer Zeit werden. Es war schon beachtlich wie ein simpler kleiner Wettbewerb Menschen verändern konnte. Obwohl es schließlich in ihrer Natur lag hinterhältig und betrügerisch zu sein. Zumindest fand er das so. Deshalb war er auch stolz darauf zu den aufrichtigen und gerechten Leuten zu gehören, die sich von der Masse herabsetzten und deshalb besonders hervorstachen. Doch was soll’s, einmal wollte auch er mal etwas Niederträchtiges tun, was raus muss, muss schließlich raus.
Jetzt sollte er sich lieber auf die vor ihm liegenden Aufgaben konzentrieren. Der Leitsatz dieser letzten Runde war Weisheit und Tiran wusste, dass nur noch wenige Teilnehmer im Rennen waren. Sie waren die besten, sie waren ernstzunehmende Gegner, sie waren eine Gefahr für seinen Sieg. Jeder von ihnen war nun auf sich alleine gestellt und Tiran machte die Vorstellung, dass jemand von den anderen seine Aufgaben schneller lösen würde als er, ganz krank. Da er sie nicht behindern konnte, musste er sich selbst also größte Mühe geben. Er musste einfach gewinnen, es galt sich das Visum zu holen, jenes herrliche Stück Papier, das ihm die Tore zu allen kulinarischen Spezialitäten des Landes öffnen würde. Auf Kosten der Krone!
Wie zuvor in der zweiten Runde ging er in Gedanken durch, was ihn, seiner Meinung nach, am Wahrscheinlisten an Aufgaben begegnen würde. Nach kurzem Überlegen kam er nur auf zwei ziemlich sichere Beispiele: Ein Rätsel und irgendetwas (womöglich das Rätsel selbst), das er unter Zeitdruck lösen musste. Theoretisch stand er zwar ohne Unterbrechung unter Zeitdruck, da einer seiner Gegner vor ihm fertig werden könnte, doch war es etwas ganz anderes, wenn man unvermittelt innerhalb kürzester Zeit gut nachdenken musste. Tiran schluckte bei dem Gedanken daran. Er war zwar nicht dumm, aber er hasste es unter Druck nachzudenken. In solchen Fällen konnte es geschehen, dass er die offensichtlichsten Dinge übersah. Und dann war da auch noch der Prüfer, unter dessen wachsamen Augen (Tiran ging stillschweigend davon aus, dass man sie als wachsam bezeichnen konnte) er die Aufgaben lösen musste. Tiran hatte nur eine vage Vorstellung von seinem Prüfer und die beschränkte sich auf einen Zora mit Bart, Brille und Stock. Als er kurz darauf den Hang erreicht hatte straffte er die Schultern. Jetzt ging es los, nun würde er um sein Visum kämpfen müssen. Oder eher denken müssen. Mit schnellerem Schritt ging er den Pfad hinunter und machte am Seeufer eine Gestalt aus. Enttäuscht ließ er die Schultern wieder hängen. Sein Prüfer hatte weder Bart, noch Brille noch Stock und sah überhaupt genauso aus wie jeder andere Zora auch. Erst als er ihm schon ganz nahe war, konnte der Schmied erkennen, dass sein Gegenüber etwas dicker war als es bei den Wasserwesen normalerweise der Fall war. Außerdem erkannte Tiran leichte Falten im Gesicht. Diese beiden kleinen Anzeichen von Individualität änderten jedoch nichts an der Tatsache, dass er genauso aussah wie jeder andere Zora. Er war halt nur etwas dicker und hatte kaum zu erkennende Falten.
Der Prüfer erwartete ihn lächelnd und begrüßte ihn freundlich. Seine Stimme klang voll und war überraschend tief, außerdem erinnerte sie Tiran auf unbestimmte Weise ans Meer, das er auf seinen Reisen mehrmals bewundern durfte.
„ Guten Morgen mein Junge, ich hoffe du hattest einen angenehmen Weg? Mein Name ist Zephys und ich werde in dieser Runde dein Prüfer sein.“ Er streckte Tiran die Hand entgegen (was für einen Zora recht ungewöhnlich war, normalerweise beschränkten sie sich darauf einfach nur zu nicken) und Tiran ergriff sie lächelnd. Er hoffte einen guten Eindruck zu machen.
„ Guten Morgen Zephys, ich bin Tiran. Ich hab dich doch nicht allzu lange warten lassen oder?“
„ Mach dir darüber keine Gedanken Tiran, ich bin gerne alleine am Hyliasee. Auch wenn es eine Schande ist, dass er jetzt durch Schnee und Eis so verunstaltet worden ist.“ Er erwartete offenbar eine Antwort, denn er sah Tiran auffordernd an, sodass dieser den See in Augenschein nahm. Er war vorhin so tief in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie es heller geworden war. Nun beobachtete er, wie die Strahlen der aufgehenden Sonne auf der Wasseroberfläche und den zahlreichen, kleinen Eisschollen tanzten und wie sie den Schnee an den Ufern sanft zum glitzern brachten. Ein sachter Wind wirbelte einzelne Schneeflocken empor. Es war wunderschön.
„ Eine Schande!“, stimmte er Zephys kopfschüttelnd zu. Dieser, offenbar zufrieden mit der Antwort, lächelte und klatschte munter in die Hände.
„Nun gut, da das nun geklärt wäre, können wir uns deiner Aufgaben annehmen. Was meinst du, bist du bereit?“ „ Dazu bin ich hier. Lass uns anfangen, ich bin schon sehr gespannt.“ Irgendwie strahlte der Zora eine unaufdringliche Autorität aus und vermittelte Tiran das gleiche Gefühl von natürlicher Sympathie, wie er es sonst nur in Gegenwart der Goronen empfand. Aus diesem Grund ging er fast selbstverständlich freundschaftlich und vertraut mit Zephys um.
„Wunderbar, dann lass uns anfangen. Deine erste Aufgabe erwartet dich hier am Hyliasee, dazu müssen wir allerdings ins Laboratorium.“ Er deutete auf ein Gebäude, das in einiger Entfernung zu sehen war. Sie machten sich auf den Weg und Tiran versuchte nicht allzu schnell zu gehen. Seinem Prüfer entging Tirans offensichtliche Ungeduld nicht und er beschleunigte ebenfalls seinen Schritt.
„Du möchtest wirklich gerne gewinnen, nicht wahr?“, fragte er lächelnd. „Natürlich“, entgegnete Tiran grinsend.
„Immerhin geht es um ein Visum, das mir ermöglicht wann und wo immer ich will zu essen, zu trinken und zu übernachten. Und ich müsste nichts dafür zahlen, es ginge als zu Kosten der Krone.“
„Nun, ich kann diese Einstellung natürlich verstehen, aber gilt für dich der Spass am Wettbewerb gar nichts?“ Zephys Blick schien stechend scharf, Tiran kam es so vor, als könne der Zora seine Gedanken lesen. Irgendwie beunruhigte ihn das nicht.
„ Es macht schon Spass, aber seien wir doch ehrlich: Man nimmt nur an einem Wettbewerb teil um etwas zu gewinnen. Wenn man merkt, dass man es nicht schaffen wird, dann kann man sagen, dass es nur auf den Spass ankommt, dabei wissen alle, das es nur darum geht einen möglichst guten Preis zu ergattern.“
„ Du scheinst ja sehr ehrlich zu sein, Tiran,“, meinte Zephys ohne ihn anzusehen.
„Meistens bin ich das auch.“, erwiderte der Schmied.
Da sie bereits fast am Laboratorium angekommen waren erübrigte sich der Rest des Gespräches und sie traten schweigend durch die Tür. Drinnen war es recht kühl und Tiran sah einen mittelgroßen Raum, der an ein Wasserbecken grenzte. Der Raum war nahezu leer, Tiran konnte nur ein Regal mit einigen Büchern, einen mit seltsam geformten Gläsern überladenen Schreibtisch und zwei Mulden erkennen. Er sah Zephys gespannt an. Dieser fing an zu erklären: „ Also Tiran, ich werde gleich einen Mechanismus aktivieren, der diese Kugel dort oben nach und nach zum Wasser führen wird und sie schließlich eintauchen wird.“ Er deutete dabei auf eine kleine Messingkugel, die Tiran nicht bemerkt hatte, da sie an der Decke über dem Wasserbecken angebracht war.
„Deine Aufhabe ist es den Mechanismus zu stoppen. Wie du es anstellst musst du selbst herausfinden, dazu kann ich dir nichts sagen. Bereit?“ Tiran nickte und sah sich schon einmal um. Die beiden Mulden, die in die Wände eingelassen waren fielen ihm sofort ins Auge, da in ihnen so etwas wie kleine, steinerne Podeste aufgebaut waren. Zephys trat auf die wand neben dem Bücherregal zu, zählte einige Steine ab und drückte dann an einem bestimmten Punkt dagegen. Tiran hörte ein lautes Quietschen als sich kurz darauf bereits die Kugel über dem Becken zu senken begann. Sie war offenbar an einer Kette befestigt gewesen, die sich nun langsam gen Wasser senkte. Tiran lief zur linken Mulde und schaute sich das steinerne Podest an. Darauf waren fünf hylianische Zeichen angebracht, die für Wasser, Wind, Dampf und Feure standen. Das Zeichen für Wasser wiederholte sich dabei. Tiran versuchte so hektisch einen Zusammenhang zwischen diesen Begriffen herzustellen. Wenn man Wasser weit genug erhitzte, wurde daraus Dampf. So viel stand auf den ersten Blick schon fest. Doch das Symbol für Wasser wiederholte sich und außerdem musste er den Wind noch irgendwie miteinbeziehen. Wind konnte zu Wellen führen, doch das brachte ihm hier nichts. Ein rascher Seitenblick auf die Kugel zeigte ihm, dass diese bereits ein Viertel des Weges herabgesunken war. Wind und Wasser…es war vor allem der Wind, der Tiran Probleme bereitete. Wind….schnell versuchte Tiran alles, was er mit Wind in Zusammenhang bringen konnte in seinem Kopf zu ordnen: pfeifen, kalt, lau, stark, Himmel, Tornado, Magie….Er murmelte die Wörter laut vor sich hin und versuchte sie mit Wasser in Verbindung zu bringen, als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel: Himmel! Der Wind stand für den Himmel. Tiran wusste nicht ganz genau wie das Prinzip des Regens funktionierte, doch irgendwie verdampfte Wasser, stieg in die Luft auf, in der irgendetwas geschah und kam als Regen wieder herunter. Er berührte die Zeichen in der richtigen Reihenfolge und bemerkte erst jetzt, dass man sie herunterdrücken konnte: Wasser, Feuer, Dampf, Luft und Wasser. Glücklich drehte er sich zu der Kugel um. Sie bewegte sich noch immer. Tirans Lächeln erstarb, bevor er es überhaupt erst richtig auf seine Lippen gezaubert hatte. Sein Blick suchte die andere Mulde und er rannte darauf zu. Die Kugel bewegte sich immer noch, zwar langsamer jetzt, doch immer noch unaufhaltsam. Er musste scheinbar noch eine zweite kleine Aufgabe lösen. In dem Podest vor ihm waren nun mehrere einzelne, viereckige Steine in eine rechteckige Form eingelassen. Einzig oben rechts war eine Lücke. Auf den einzelnen Steinen waren verschiedene, linienförmige Vertiefungen eingraviert: Einige einfach nur gerade, andere waren kreuzförmig oder bildeten ein T. Auf den gegenüberliegenden Seiten der großen, rechteckigen Vertiefung waren zwei kleine Kreise eingegraben. Probeweise schon Tiran eines der kleinen Vierecke in die Lücke. Die Lücke wurde dadurch zwar geschlossen, doch eine neue entstand dadurch. Er verstand: Er musste durch das Verschieben der einzelnen Vierecke einen Weg zwischen den beiden gegenüberliegenden Punkten herstellen. Die Kugel war bereits auf halbem Weg zum Wasser und so musste er sich also stark beeilen. Erst versuchte er es mit einigen unüberlegten, simplen Versuchen, dann bezog er die alle Vierecke mit ein. In Gedanken ging er verschiedene Möglichkeiten durch, während sein Herz immer schneller und, zumindest in seinen Ohren, lauter klopfte. Schließlich legte er sich einen Plan zurecht und versuchte es. Es klappte nicht. Mit einem panischen Blick zur Kugel, die bald das Wasser berühren würde ging er seinen Plan in Rekordzeit durch und entdeckte schließlich seinen Fehler. Seine Finger zitterten als er versuchte es noch rechtzeitig zu schaffen und die Plättchen hin und her schob. Doch schließlich nahm er ein nahezu befreiendes Klacken wahr und glaubte hinter der Wand etwas einrasten zu hören. Er drehte sich atemlos zum Wasserbecken um: Die Kugel schwebte etwa einen Meter darüber. Selige Erleichterung durchflutete seinen Körper und er stieß wortlos die Faust in die Luft, wobei er tief Luft holte. Dann hörte er ein Klatschen hinter sich und drehte sich zu seinem Prüfer um. Zephys strahlte ihn geradezu an und schlug energisch die Hände zusammen. Tiran ging auf ihn zu und fragte, was er nun tun müsse. Zephys schüttelte lachend den Kopf.
„ Das war alles Tiran, wir können jetzt weitergehen. Ich bin froh, dass es du die Nerven behalten hast und es geschafft hast. Es ist keine geringe Leistung in einer solchen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren.“
Tiran winkte gekünstelt ab, zeigte jedoch, dass er sich äußerst geschmeichelt fühlte.
„Was soll ich sagen? Ich bin nicht dumm! Ich bin allerdings auch sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe. Weißt du, ich mag es nicht besonders unter Druck gesetzt zu werden. Mit unterlaufen dann ständig Fehler. Ich kann von Glück sagen, dass diese beiden Aufgaben in den Mulden nicht zu kompliziert waren, sonst könnte ich mich jetzt gleich in diesem Becken hier ersäufen.
„Sag doch so was nicht!“, ließ sich der Zora vernehmen und deutet auf die Tür während er weitersprach. „ Man sollte nicht einmal an solche Möglichkeiten denken. Selbstmord ist eine schreckliche Sache und man sollte nicht darüber scherzen. Komm jetzt lieber zur nächsten Aufgabe. Wir werden eine Weile laufen müssen, also schlage ich vor, dass wir uns zunächst erst einmal besser miteinander bekannt machen. Ach, und bevor ich es vergesse.“ Er trat zum Schreibtisch und holte einen Zettel sowie einen Stift hervor. Mit großer Befriedung nahm Tiran den offensichtlichen Haken wahr, den sein Prüfer neben einen der fünf Schriftzüge setzte.

Während sie unterwegs zur zweiten Aufgabe waren, die laut Zephys irgendwo in der hylianischen Steppe wartete, erzählten sie sich gegenseitig voneinander. Tiran erzählte von seinem Beruf, seinen Reisen und sogar von seinem Wunsch die magischen Schmiedekünste zu erlernen. Er erzählte von seinen Beziehungen zu den Goronen, von seinem Schüler Ren und von den bisherigen Aufgaben im Wettkampf. Obwohl Zephys ein sehr angenehmer Zeitgenosse war und ihm sehr sympathisch war, erzählte ihm Tiran dennoch nicht alles. Er verschwieg ihm zum Beispiel den magischen Schmiedehammer, der an seinem Gürtel hing und verlor auch kein Wort über die kleinen Schumeleien während der ersten beiden Runden. Egal wie nett der Zora war, er war trotz allem ein Prüfer und Tiran würde gewiss nicht den Fehler machen und ihm bedingungslos vertrauen. Das änderte jedoch nichts and der Sympathie, die er für den Zora hegte. Ihre kleine Reise durch die Steppe kam dem Schmied eher wie ein entspannter Spaziergang unter Freunden vor. Von beinahe überschwänglicher guter Laune getrieben, sagte er:
„ Zephys, ich hoffe du wirst entschuldigen, aber bis jetzt fand ich alle Zoras immer absolut langweilig und vollkommen identisch. Ich habe immer schon die Gesellschaft der Goronen vorgezogen.“
„ Ach, und die Goronen sind nicht alle gleich, oder wie?“, entgegnete sein Prüfer trocken. Eine blasse Röte stieg dem Schmied bei diesen Worten ins Gesicht. Zephys seufzte.
„ Ich kann dich schon verstehen Tiran, die meisten Leute finden die Goronen angenehmer als die Zoras, und du bits schließlich Schmied und fühlst dich ihnen noch näher. Ich weiß ja, dass wir Zoras es den anderen Völkern nicht sehr leicht machen, Wir sind von uns eingenommen und nicht wenige sind vollkommen arrogant, insofern stimmen die Vorurteile. Aber wir geben uns nur nach außen hin als ästhetische, nach Perfektion strebende Wesen aus. Wir können auch sehr nett und gastfreundlich sein. Wir machen schöne Musik und lieben die Kultur. Müssen wir deshalb als kühl und distanziert angesehen werden? Die Goronen lieben schließlich auch nur eine andere Art von Kultur, eine eher handwerkliche Kultur.“
Tiran überlegte einen Moment lang was er darauf antworten sollte. Schließlich fing er zögernd an: „Es ist natürlich ein Vorurteil, aber es trifft doch auch oft zu, das hast du selber zugegeben. Zoras sind….ach ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich bin sowieso der falsche Mann für solche Gespräche. Ich bin 40 Jahre alt und hatte bislang nur sehr wenig Umgang mit euch Zoras. Ich habe mir noch nicht wirklich eine eigene Meinung gebildet, sondern bin darauf angewiesen, was die Allgemeinheit sagt, auch wenn ich weiß, dass das nicht immer zuverlässig sein muss. Du wirst verzeihen, aber ich weiß kaum etwas über euch.“ Zephys winkte gelassen ab.
„ Ich bin 80 Jahre alt und hatte mit allen Rassen in Hyrule genug Umgang, um mir eine eigene Meinung zu bilden. Hör einfach darauf, was ein alter Mann mit mehr Lebenserfahrung dir sagt.“ Tiran zog die Augenbrauen hoch. „ Ich soll einfach darauf hören, was ein anderer mir vorgibt? Tut mir Leid, Zephys, du bist sicherlich ein kluges Wesen, aber ich bilde mir doch lieber meine eigene Meinung. Der Zora schien keineswegs überrascht zu sein, eine solche Antwort zu hören. „ Du kannst dir natürlich denken, dass ältere Leute so etwas nicht gerne hören, aber du hast schon Recht. Man sollte sich bei allen Angelegenheiten seine eigene Meinung bilden und nicht stumpfsinnig darauf hören, was anderen einem vorgeben. Auch wenn es manchmal sehr richtig ist!“, fügte er augenzwinkernd hinzu, bevor er fortfuhr: „Ich kann mich nur wiederholen Tiran: Du bist ein sehr offener Mensch.“ Der Schmied zuckte die Schultern. Eine Weile schwiegen sie beide bis der alte Prüfer schließlich in die Stille hineinsprach.
„Du hast mich trotzdem belogen vorhin am Hyliasee.“ Überrascht sah ihm Tiran in die Augen. Zephys schien Leute wirklich sehr gut einzuschützen und es war wohl sehr schwer ihm etwas vorzumachen. Der Schmied dachte kaum daran seinen Prüfer nochmal anzulügen.
„ Ja, es stimmt. Ich fand den Anblick herrlich.“ Zephys nickte, soviel wusste er ohnehin schon. „ Wieso hast du dann nicht einfach gesagt, dass du anderer Ansicht bist? Dachtest du ich würde dich dann durchfallen lassen?“
„Ich weiß auch nicht genau wieso ich dich angelogen habe. Es war der erste Moment, ich wollte nicht negativ auffallen, wo ich doch unbedingt gewinnen will. Da habe ich es einfach gesagt. Es erschien mich recht unwichtig, beinahe schon lustig. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sich hinter deiner Person ein so besonderer Charakter verbirgt. In deiner Gegenwart fühle ich mich wie bei den Goronen. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass du mich verstehst und dass ich mit dir eigentlich über alles reden kann. Schon seltsam, wenn man bedenkt, dass wir uns gerade erst kennen gelernt haben, was?“
„Jetzt lügst du mich zwar nicht an, aber du schleimst!“, sagte Zephys neckend. Er trug es Tiran wohl nicht nach, dass er ihn belogen hatte. Der Schmied lachte befreit und den Rest des Weges verbrachten sie damit, sich Geschichten zu erzählen. Schließlich konnte Tiran links von ihnen die Konturen der Lon-Lon-Farm ausmachen und fragte, wie weit es noch bis zur nächsten Aufgabe sei.
„Nicht mehr weit, wir sind fast da. Siehst du den Baum dort hinten? Da müsste eigentlich die zweite Prüfung auf dich warten.“
Tiran schaute zu dem besagten Baum hin, konnte jedoch keine Besonderheiten wahrnehmen. Erst nach einer kleinen Weile bemerkte er, dass jemand an den Baum gelehnt auf dem Boden saß. Zunächst sah dieser jemand nur wie ein unförmiges Bündel aus, doch als sie immer näher kamen, erkannte Tiran einen älteren Mann, der in einen viel zu großen braunen Umhang gehüllt war. Er hatte Bart, Brille und neben ihm lag ein Stock im Schnee. Tiran lachte laut auf und erklärte Zephys, dass er genau so etwas von seinem Prüfer erwartet hatte. Der Mann hatte sie bereits kommen sehen und begrüßte sie mit rauchiger Stimme. „ Willkommen zur zweiten Aufgabe der Weisheit. Ich werde dir die Prüfung abnehmen, mein Sohn. Wer ich bin fragst du dich sicherlich. Nun, das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, als wen du mich siehst.“ Tiran sah ihn als älteren Mann mit Bart, Brille und Stock, der auf einer Decke im Schnee an einem Baum lehnte und sich wichtig machte. Er schwieg. Zephys schmunzelte.
„Fangen wir gleich an. Mein Sohn, eine einzige Frage nur musst du mir beantworten, um weiterzukommen, nur eine einzige Frage. Möge dein Prüfer unser Zeuge sein. Sage mir: In welchem Jahr wurde Dardanos Henrikson König von Hyrule?“
Tirans erste Antwort wäre gewesen: Wer? Seine zweite hätte man in vielerlei Flüchen ausdrücken können. Der Einfachheit halber flüsterte Tiran jedoch nur ein schlichtes: „ Verdammt!“ Das konnte doch wohl nicht wahr sein, eine geschichtliche Frage? Was hatte das denn mit Weisheit zu tun, mit echter Weisheit? Da er die Antwort sowieso nicht wusste, brach er genau mit dieser Frage heraus. Der Alte zuckte zusammen, während Zephys sich an den Baum lehnte und das Schauspiel beobachtete. Tiran fing mit einer Tirade von Erklärungen und Bedeutungen von Weisheit an, versuchte dem Mann vor sich klar zu machen, dass eine geschichtliche Frage nicht für wahre Weisheit stehen konnte, sondern eher für ein gutes Gedächtnis. Wohl zehn Minuten lang versuchte der Schmied in Worte zu fassen, dass wahre Weisheit dem Herzen entsprang und für jeden anders war. Allerdings war Weisheit auch eine Sache des eigenen Denkens, deshalb konnte Tiran eine solche Frage einach nicht dulden. Der alte Mann versuchte nach einer Weile wieder das Wort an sich zu reißen, doch Tiran ließ ihm dazu keine Gelegenheit. Erst als er geendet hatte und ihn herausfordernd ansah, konnte der Mann wieder etwas sagen.
„Bestanden,“, sagte er ärgerlich. „ Wie?“, fragte Tiran verdutzt. „ Aber ich wusste doch die Antwort auf ihre Frage gar nicht!“
„Das war auch nicht unbedingt notwendig, es gibt auch andere Möglichkeiten eine solche Aufgabe zu bestehen als einfach nur die Lösung zu kennen. Das hat dir aber noch lange nicht das Recht dazu gegeben mich so anzufahren, entschuldige die gefälligst Bursche!“ Tiran konnte es kaum glauben. Zaghaft wagte er ein schwaches Lächeln, das zu einem breiten Grinsen wurde, als er Zephys den Daumen heben sah. „ Entschuldigen sie, Meister!“, brach es überschwänglich aus ihm empor. Dann winkte er dem Zora und sie machten sich weiter auf den Weg. Der alte Mann blieb ungehalten im Schnee zurück. Sie hätten ihn wenigstens mitnehmen können…

„ Deine kleine Rede war äußerst überzeugend.“, meinte Zephys auf dem Weg zur nächsten Aufgabe.
„Sie kam ja auch von Herzen“, lachte Tiran. „Das ist also Weisheit für dich, ja?“, fragte der Prüfer.
„Ja, das ist Weisheit für mich. Und…wenn du gestattest: Ich finde du bist weise!“
Zephys machte eine übertrieben drohende Miene und hob den Zeigefinger. „ Jetzt schleimst du schon wieder Tiran!“ „ Du hast Recht, du bist gar nicht weise, du tust doch nur so!“
Scherzend und lachend setzten sie ihren Weg fort, bis Tiran ein Zelt sehen konnte. Es war zwar nicht besonders groß, fiel in der weiten Steppe aber natürlich auf. „ Müssen eigentlich alle Prüfer versuchen erhaben und weise zu wirken, indem sie alleine irgendwo in der leeren Steppe sitzen?“, fragte er den Zora mit gerunzelter Stirn. Dieser antwortete nur mit einem Schulterzucken.
Als Tiran schließlich durch die Zeltplane trat erwartete ihn eine Überraschung: Es war warm, bequem und er durfte sich setzen. Ihm gegenüber saß ein Mann mittleren Alters, der zwar einen Vollbart hatte, aber sonst als ganz normaler Mensch durchging. Er deutete auf den Tisch zwischen ihnen, auf dem eine Platte aufgestellt war. Sie war quadratisch und wurde durch ein Muster aus sich abwechselnden weißen und schwarzen Quadraten beherrscht. Jeweils zwei Reihen von ein und denselben Figuren standen sich auf der Platte gegenüber. Tiran sah den Mann vor ihm fragend an, welcher anfing zu erklären. Es handelte sich hierbei um ein Spiel, welches gemeinhin das Königsspiel genannt wurde, weil es hauptsächlich vom König und seinem Hofstaat gespielt wurde. Ziel war es, den König des gegnerischen Spielers durch taktisches Können keine Zugmöglichkeiten mehr zu lassen, so dass er zwangsweise geschlagen werden musste. Tiran versuchte sich gut zu merken, wie die einzelnen Figuren sich bewegen konnten und erfuhr, dass er mindestens ein Gleichstand erzielen musste. Wie genau ein Gleichstand bei einem solchen Spiel ermittelt werden sollte, wusste Tiran zwar nicht, aber er wollte ohnehin gewinnen. Der Mann vor ihm hatte das Spiel auch erst am Tag zuvor gelernt, so dass er keinen Meister vor sich hatte. Das wäre ungerecht gewesen versicherte man ihm.
Später konnte Tiran nicht genau sagen wie lange sie gespielt hatten, und er konnte das Spiel auch nicht in allen Einzelheiten wiedergeben. Er wusste nur, dass beide einige Fehler gemacht hatten, Tiran am Ende jedoch den König eingekesselt hatte. Es war eine interessante Erfahrung gewesen, doch er konnte sich nicht wirklich vorstellen, sich an so etwas zu gewöhnen.
Die vierte Aufgabe stellte ihn vor das bisher größte Hindernis. Er und Zephys hatten nach kurzer Zeit die Treppe von Kakariko erreicht. Unterwegs hatten die beiden über die Bedeutung von Taktik und Logik geredet ohne wirklich auf ein Ergebnis zu kommen. Dennoch hatte das Diskutieren mit dem Zora viel Spass gemacht.
Ohne besondere Überraschung begrüßte Tiran den dritten Mann, dieses Mal wieder älter und mit Brille. Er stellte Tiran ein Rätsel. Der Schmied hatte bereits ganz vergessen, dass er sich vor Beginn der dritten seine Gedanken darüber gemacht hatte, was ihn erwarten würde, und dass ein Rätsel ganz sicher dabei war.
Immer wieder musste der Mann das Rätsel für Tiran wiederholen. Zephys hatte sich auf eine der Stufen gesetzt und schaute zu.

Wer es besitzt, hat Grund sich zu beklagen,
und wem es fehlt, der ist gesund.
Wer es verschweigt, vermag uns viel zu sagen,
und wer es sagt, der hält stets den Mund.
Der Geizige vermag es fortzuschenken;
Der üppige Verschwender knappt sich’s ab.
Wer niemals denkt, wird immer daran denken,
und jeder nimmt es mit ins Grab.


Tiran murmelte einzige Strophen vor sich hin und wollte nach einer ihm viel zu langen Weile nur noch verzweifeln. Er versuchte es damit, sich auf das ganze Gedicht du nur auf einzelne Zeilen zu konzentrieren.
Frustriert fing er an im Kreis zu gehen.
„Wer es besitzt hat Grund sich zu beklagen….es muss also etwas Schlechtes oder Unangenehmes sein….und wem es fehlt der ist gesund. Eine Krankheit? Wenn man eine Krankheit verschweigt, vermag man dann damit etwas zu sagen? Man sagt ja dadurch eigentlich nichts. Aber niemand nimmt eine Krankheit mit ins Grab, es sei denn man müsse es so verstehen, dass die Krankheit einen umbringt, doch das würde nicht ganz zum Wortlaut passen….“ Er fragte den Mann, wie viele Versuche er habe. Die Antwort lautete: Eine einzige. Wenn er etwas Falsches sagen würde, wäre das Visum für ihn verloren…Er musste sich anstrengen, verdammt!
Der Geizige vermag es fortzuschenken und der Verschwender knappt sich’s ab…. Das waren Widersprüche in sich. Überhaupt war das Gedicht von Widersprüchen durchzogen. Ein Geiziger verschenkt niemals etwas! Und ein Verschwender wird sich auch nichts abknappen….seine Gedanken brachten ihn irgendwie nicht weiter. Das war alles Nichts…gar nichts…nichts…
Zuvor hatte Tiran nur von den berühmten Geistesblitzen gehört, nun jedoch hatte er endlich selber einen.
„Nichts!“ schrie er dem Mann an der Treppe ins Gesicht. Dieser nickte und gratulierte ihm freundlich. Tiran nahm es kaum wahr, er raste bereits die Treppe hoch. Die Antwort war wie es bei Rätseln üblich war recht einfach gewesen. Mann musste nur alles wörtlich nehmen. Allerdings hatte er viel Zeit verloren, die Meiste in allen Aufgaben und er hatte noch eine vor sich. In Gedanken sah er bereits eine laut lachende Gestalt mit seinem Viusm herumwedeln. Das durfte einfach nicht geschehen! „Zephys, bitte sag mir schnell wie es nun weitergeht, die Zeit drängt!“
Der Zora nickte und führte Tiran schweigend an den Häusern der Stadt vorbei bis sie vor dem Eingang des Friedhofes standen.
„Gratuliere Tiran, du hast es geschafft.“ In Tiran war zwar bereits nach der dritten Aufgabe ein Verdacht aufgekeimt, doch er konnte es dennoch nicht wirklich glauben. Vielleicht auch deswegen, weil die Zeit mit dem sympathischen Zora nun vorbei war? Zephys nickte, als wüsste er, was Tiran gerade dachte.
„ Die fünfte Aufgabe, war eigentlich die erste und längste. Man hat unter den Zoras einen mit viel Lebenserfahrung und Menschenkenntnis gesucht. Ich sollte prüfen, was für ein Mensch du bist. Du hast in den Aufgaben bewiesen, dass du scharfsinnig bist, dass du logische Schlussfolgerungen ziehen kannst und dass du taktisch denken kannst. Du bist gewiss ein kluger Mann. Ich sollte prüfen ob du auch das hast, was man als Lebensweisheit bezeichnen kann, wenn man will. Du hast es. Du bist ein guter Mann, Tiran. Ich bin froh dich getroffen zu haben.“ Er reichte dem Schmied zum Abschied die Hand. Tiran versprach Zephys im Zorareich zu besuchen. Es war an der Zeit, dass er sich auch anderen Rassen als den Goronen widmete. Zephys wünschte ihm Glück und winkte ihm zum Abschied. Tiran schluckte und betrat den Friedhof voller Hoffnung und Ängste.