Es dauerte noch eine Weile bis auch die letzten Teilnehmer, die alle drei Hürden gemeistert hatten, sich zu Tiran und dem Rest gesellten. Der Schmied erinnerte sich noch lebhaft an die große Menge zu Anfang der Schnitzeljagd. Mit einem Blick auf die nun versammelte Gruppe nahm er zufrieden zur Kenntnis, dass sich die Reihen erheblich gelichtet hatten. Dennoch waren seiner Ansicht nach recht viele weitergekommen, von denen er jedoch die Meisten jener Sorte zuschrieb, in der sich Leute befanden, die bestens dafür geeignet waren in der zweiten Runde eines Wettbewerbs auszuscheiden. Tiran wusste zwar noch nicht was sie in der zweiten Runde erwartete, doch war er sich sicher es zu schaffen. Es war eher die dritte Runde auf die er gespannt war, denn in dieser letzten Runde würden nur noch die Besten aller Teilnehmer im Rennen sein.
Deshalb wartete er eher gelassen als nervös darauf, dass sich ein mürrisch aussehender, älterer Hauptmann mit rüden Rufen und Gesten Gehör verschaffte. Es war offensichtlich, dass er sich an einen anderen Ort wünschte und seine Aufgabe offenbar als Zumutung empfand. Tiran nahm es ihm nicht übel: Der Mann wurde zuerst ignoriert und dann sowohl mit mitleidigen als auch spöttischen Blicken bedacht. Tiran selbst gehörte zu den wenigen, die sich schweigend im Hintergrund aufhielten. Dieser Mann tat schließlich nur seine Arbeit. Seine Schadenfreude und Bosheit wollte sich Tiran lieber für die anderen Teilnehmer aufheben.
Schließlich meinte der Hauptmann scheinbar genug Aufmerksamkeit zu haben und fing an zu erklären, was sie in der zweiten Runde erwarten würde. Seine Stimme klang dabei so vorwurfsvoll als würde er allen Versammelten die Schuld an seiner misslichen Lage geben. Nun, sie waren schließlich auch Schuld. Die Nachricht von den verschiedenen Aufgaben für die einzelnen Teilnehmer wurde mit allgemeiner Überraschung aufgenommen, auch Tiran hatte erwartet, dass es wieder die gleiche Aufgabe für alle geben würde. Stattdessen hatte nun jeder etwas Individuelles zu tun…
„…aber bildet euch bloß nicht ein, dass jeder von euch ganz eigene, individuelle Aufgaben erhalten würde. Für so Leute wie euch würde man sich sicher nicht solche Mühe geben.“, meinte der Hauptmann eben. „Es gibt eine bestimmte Anzahl von verschiedenen Aufgaben und die wurden auf diese Zettel geschrieben.“ Er deutete auf einen verschlossenen Kasten hinter sich, dem bis jetzt niemand wirklich beachtet hatte (außer es ging darum sich einen besseren Sitzplatz als den felsigen Boden zu suchen).
„Auf jedem Zettel stehen unterschiedlich viele und unterschiedlich schwierige Aufgaben in unterschiedlicher Reihenfolge. Da es mehr Teilnehmer als Aufgaben gibt, werden viele von euch zum Teil dieselben erfüllen müssen.“
Ohne auf eventuelle Fragen zu achten oder ihnen in irgendeiner Form Glück zu wünschen stampfte er zum Kasten riss ihn auf und stellte sich mit herausforderndem Blick daneben. „ Worauf wartet ihr?“, was das letzte was Tiran noch von ihm hörte. Er reihte sich in die entstehende Schlange ein und überlegte, was er wohl würde tun müssen. Die zweite Runde stand unter dem Gesichtspunkt des Mutes. Das ließ zwar viele Möglichkeiten doch nur wenige Kategorien zu. Da Tiran nicht an die übermäßige Kreativität der Obrigkeit glaubte ( es sei denn es ging darum, den Bürgern möglichst viel Geld abzunehmen, doch da unterschieden sie sich schließlich nicht von anderen Menschen) gab es für ihn nur wenige Bereiche, die für die anstehenden Aufgaben in Frage kamen: Mit absoluter Sicherheit glaubte er daran, dass man etwas im Dunkeln oder mit verbunden Augen ( es lief auf das Gleiche hinaus) würde machen müssen, dass eine sehr abstoßende und ekelerregende Arbeit auf ihn wartete und dass man ich auf den Friedhof schicken würde.
Etwas zu tun, dass man eklig fand und etwas zu tun ohne auch nur das Geringste zu sehen erforderte beides Mut und außerdem waren es die vollkommenen Standardaufgaben. Es war selbstverständlich, dass sie den Hauptteil dieser Runde ausmachen würden. Und der Friedhof…nun Friedhöfe galten gemeinhin als gruselig, sie wirkten immer. Außerdem war zufällig einer in der Nähe.
Als er endlich an die Reihe kam und mit seiner Hand in den Zetteln herumfischte hatte er unangenehme Bilder von stinkendem Schleim und stinkendem Schleim in totaler Finsternis im Kopf. Nach zwei Sekunden entschied er sich einfach zuzugreifen und das Mischen der Zettel bleiben zu lassen (was ohnehin völlig sinnlos war, denn es blieb eine reine Glücksache, doch aus unerfindlichen Gründen taten das alle Leute). Er entfernte sich einige Schritte von der Menge und entfaltete das kleine Stück Papier in seinen Händen und schmunzelte. Die Angaben konnten einfacher nicht sein. Zusammen mit den Hürden aus der ersten Runde, die alles andere als originell gewesen waren, schien der Aufgabenzettel seine Theorie von Unkreativität zu bekräftigen. In Gedanken fügte er noch Faulheit hinzu und machte sich auf den Weg nach Kakariko. Im Gegensatz zu manch anderem konnte Tiran sich zumundest was den Fußweg anging glücklich schätzen. Die Angaben auf seinem Zettel machten klar, dass er die kleine Stadt am Fuße des Berges nicht würde verlassen müssen: 1. Skulltulahaus, 2. Windmühle, 3. Friedhof. Zufrieden und keinesfalls beunruhigt, stieg er den Bergpass hinunter. Egal was ich erwartete, er würde es meistern. Schließlich ging es um das Visum! Sollte er unten in der besten Wirtsstube vielleicht schon ein Festmahl reservieren? Einen Moment lang weidete er sich an dem Gedanken schon bald umsonst essen und trinken zu können, doch als er in einiger Entfernung das Tor nach Kakariko ausmachte schüttelte er diese Gedanken unwirsch ab. Noch hatte er das Visum nicht gewonnen. Jetzt eine Wirtsstube aufzusuchen würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen und zudem arrogant wirken. In der Stadt galt er eigentlich als netter Kerl…
Um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, lächelte er die Wachen im Vorbeigehen besonders nett an und betrat den Ort. Da er in Kakariko wohnte hatte er einen kleinen Vorteil anderen Teilnehmern gegenüber, denn im Gegensatz zu ihnen musste er nicht erst seine Zielorte suchen sondern wusste auch so wo sie waren und wie man hinkam. Unterwegs stellte er missmutig fest, dass sein Haus noch mehr Farbe abbekommen hatte. Weil die erste Aufgabe im Skulltulahaus stattfinden sollte, musste Tiran auf die andere Seite der Hauptstrasse, die Kakariko in zwei Hälfte teilte. Er musste zugeben, dass er überrascht gewesen war, diesen Namen auf dem Zettel vorzufinden, er hatte dieses alte Gebäude schon vergessen. Doch als er jetzt darauf zuschritt, erkannte er, dass damit zu rechnen gewesen war. Das Gebäude stand wegen seines schlechten Rufes leer und war groß, womit es sich bestens für eine Aufgabe eignete. Seit die Familie, die Link einst vom Spinnenfluch befreit hatte, ausgezogen war, hatte es niemand mehr gewagt das Gemäuer zu bewohnen.
Vor dem Eingang standen vier Leute und schienen auf etwas zu warten. Drei von ihnen erkannte Tiran wieder, er hatte sie auf dem Todesberg gesehen: Ein schlanker Mann, der in einen dunklen Kapuzenumhang gehüllt war und sich deshalb sehr wichtig vorzukommen schien, ein gewöhnlich aussehender Zora ( die Frage, wie denn ein ungewöhnlicher Zora auszusehen habe, könnte Tiran nicht beantworte, da sie seiner Meinung nach alle gleich wirkten er noch nie etwas gesehen hatte, das von der Norm abwich) und ein dicklicher Mann mit breiten Schultern schäbiger Kleidung und schlechten Zähnen. Die vierte Person war eine dunkelhaarige Frau in einer braunen Robe. Sie stand etwas abseits, da der Mann mit den schlechten Zähnen seinen Mund nur deshalb so weit aufriss, um sie ununterbrochen anzugrinsen. Sie war zwar keine Schönheit, dachte Tiran kritisch, strahlte aber doch eine gewisse Attraktivität aus. Die Tatsache, dass sie ihre Hand auf einem Schwertknauf hielt, schien niemand zu stören. Als Tiran die Gruppe erreichte, riss sich der Dickliche endlich vom Anblick der Frau los und grinste in die Runde, was eine eher zurückhaltende Begrüßung nach sich zog. „ Also“, setzte er mit einer öligen Stimme an und kramte ein in Mitleidenschaft gezogenes Schriftstück aus einer seiner Taschen.
„Ihr vier habt die Aufgabe in das Skulltuluahaus zu gehen und dort einen Anhänger zu finden. Dieser Anhänger müsst ihr nachher tragen, um zu eurer zweiten Aufgabe zugelassen zu werden. Es gibt nur einen Anhänger dort drinnen, es werden also auf jeden Fall drei Leute ausscheiden. Natürlich wird es noch einige Hindernisse geben, aber darüber darf ich euch nichts sagen. Jetzt müsst ihr nur noch die hier überziehen und dann kann’s losgehen!“ Er holte vier Tücher hervor und erklärte ihnen, dass sie sich diese nun um die Augen binden sollten. Die deutlichen Ekelgefühle der Anwesenden ignorierte er einfach. Wenn sie sich zu schade waren diese Augenbinden anzuziehen würden sie nicht weiterkommen.
Nachdem er sich das Tuch umgebunden hatte, wurde Tiran von dem Mann zu Tür dirigiert und betrat das Haus. Drinnen war es merklich wärmer, geradezu schwül, und dazu äußerst stickig. Dennoch kam der Schmied nicht umhin eine gewisse Genugtuung zu empfinden. Alle seine Vorahnungen hatten sich bewahrheitet: Er musste etwas mit verbundenen Augen suchen und er würde zum Friedhof gehen müssen. Ob der Mann schon Teil der Aufgabe war oder nicht, ein gewisser Anteil an Ekligem war auch bereits vorhanden. Er hörte wie die anderen eintraten und vernahm dann wieder die Stimme des Ekligen (irgendwie musste er ihn ja nennen). „ Wenn ich die Tür geschlossen habe könnt ihr die Binden abnehmen!“. „ Wieso mussten wir sie dann überhaupt anziehen?“, ereiferte sich die Frau, die irgendwo rechts von Tiran stand. Der Eklige blieb ihr die Antwort schuldig und schlug stattdessen die Tür zu. Die vier nahmen ihre Binden ab. Ein Resultat blieb aus. Tiran drehte den Kopf einmal nach rechts und einmal nach links. Langsam fing er an schwache Konturen wahrzunehmen. Dunkelheit! Wenn nicht Augenbinden, dann Dunkelheit, was sonst? Zumindest war es nicht ganz finster, man konnte ganz leichte Schemen ausmachen. Entschlossen ging er nach vorne und hörte wie sich die anderen beeilten es ihm nachzutun. Irgendjemand zog ein Schwert. Tiran tippte auf die Frau, die wohl nicht ganz einverstanden damit war, alleine mit zwei Männern und einer Amphibie durch ein dunkles Haus zu geistern. Um ihr keinen Grund zu geben nach ihm zu schlagen, schritt er schneller aus und stieß unerwartet auf einen federnden Widerstand. Er konnte zwar nichts erkennen, aber es handelte sich wohl um Spinnweben. Das fand er vor allen an drei Dingen heraus: Der Widerstand war federnd und leicht klebrig, er hörte ein Klacken wie von Insektenfüßen vor sich und er befand sich im ehemaligen Skulltulahaus. Ob es die anderen wohl auch realisieren würden? Dem Schrei nach zu urteilen war zumindest die Frau alles andere als positiv überrascht.
Tiran stemmte sich gegen das Spinnennetz und versuchte darauf zu achten aus welcher Richtung die Geräusche der Skullutlas kamen. Das Netz gab nur sehr widerstrebend nach und Tiran hatte seine Mühe vorwärts zu kommen. Einen Augenblick lang überlegte er die Magie seines Klingenstabes zu entfesseln, doch damit riskierte er ihrer aller Leben. Das tat er zwar auch indem er anfing mit seiner scharfen Waffe auf die Netze vor ihm einzuhauen, doch so konnte er wenigstens leichter behaupten es sei Unfall gewesen. Auf diese Art und Weise ebnete er sich den Weg bis er etwas anderes traf als ein nachgebendes Netz. Ein zischelndes Geräusch erklang und das Klacken, welches Tiran vorhin gehört hatte wurde unregelmäßiger und hektischer. Probeweise schlug er noch einmal in dieselbe Richtung und das Klacken erstarb. Dafür spürte er nun rechts von sich eine Bewegung und hörte ein metallenes Geräusch. „ Pass doch bitte mit dem Ding da auf, meine Liebe, ja?“ Die Frau schien stehen geblieben zu sein. „ Ich kann doch nichts sehen! Wo bist du denn?“ Tiran tastete nach dem leblosen Körper des Insektes und bekam einige dünne Glieder zu fassen, bei denen es sich wohl um Füße handelte. Er machte einen Schritt nach vorne so weit es die Netze zuließen. „ Ich bin vor dir. Übrigens sind in unserer Nähe Skulltulas, also pass auf.“ „ Was…sind diese Skullutas eigentlich?“, fragte die Frau mit zitternder Stimme. „ Etwas dem ich nicht gerne hier in der Dunkelheit begegnen will. Wirklich nicht.“ Mit diesen Worten warf er den Kadaver der übergroßen Spinne dorthin wo er seine Kontrahentin vermutete. Als sie laut aufschrie setzte er seinen Weg lächelnd fort und machte wieder Gebrauch von seinem Klingenstab. Da die Frau nun ununterbrochen kreischte und um Hilfe rief, konnte Tiran nichts mehr von den anderen beiden Teilnehmern hören. Wachsam versuchte er so viele Geräusche wie möglich aus dem Krach zu filtern. Irgendwo links hinter ihm schien etwas zu sein, doch in dem Moment in dem er das bemerkte, spürte er auch, dass es vor ihm keinen Widerstand mehr gab. Irgendwo hier musste der Anhänger sein. Er streckte die Hände aus und spürte eine Wand. Langsam tastete er sie ab und spürte ihn schließlich. Offenbar war der Anhänger an einem Nagel befestigt gewesen. Er gönnte sich ein leises „Ha!“ und machte sich wieder auf den Weg zurück. Die Frau schrie noch immer. Seufzend ging Tiran in ihre Richtung. Der Rückweg war einfacher, da er bereits eine Schneise mit seiner Waffe geschaffen hatte und so war er nach einigen Augenblicken bei ihr und versuchte möglichst besorgt zu klingen: „Alles in Ordnung? Komm, gib mir deine Hand!“ Als sie seiner Forderung nach kam schlug sie ihm fast ins Gesicht. „ Ähm, ja, so ist gut. Komm mit, ich bringe dich hier raus!“ Er zog sie zur Tür riss sie auf und schaute noch einmal zurück. Er begegnete den Blicken den anderen Beiden, die schon fast an der gegenüberliegenden Wand angekommen waren. Mit einem Schulterzucken und einem Kopfschütteln trat er hinaus. Die Deutungsweise dieser Geste blieb den beiden überlassen. Der Eklige schaute schon wieder grinsend zur Frau, was angesichts der Tatsache, dass sie zitternd und leicht schluchzend auf einer Bank saß äußerst unpassend wirkte.
Sie sah auf und winkte Tiran mit einem zittrigen Lächeln zu. Tiran winkte lächelnd zurück und machte sich auf den Weg zur Windmühle. Auf halber Strecke sah er seinen Schüler Ren und ging auf ihn zu. „ Na, hast du den Kerl abgeschossen“, fragte er gut gelaunt. „ Ja…“, presste Ren zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ach Ren, das hier ist ein Wettbewerb, da muss man einfach mal ein wenig …böse sein. Hier“, Tiran griff in seine Hosentasche und holte einen blauen Rubin hervor, „ Hier hast du fünf Rubine. Weißt du, einige Teilnehmer wissen sie nicht wo sie hinmüssen. Schick einige von ihnen doch bitte in die falsche Richtung.“ Er drückte ihm das Geld ihn die Hand und schaute ihn erwartungsvoll an. Ren sah erst auf den Rubin in seiner Hand und dann wieder zu Tiran. „ Das…ist Bestechung Tiran!“, murmelte er. „ Eigentlich schon, aber ich will dich damit auch zeigen, was für einzigartige Möglichkeiten du hast, weißt du?“ Er klopfte dem Jungen noch auf die Schulter und ging weiter. Ren schaute noch eine Weile nachdenklich auf das Geld und sah dann einen gut gerüsteten Krieger durch an ihm vorbeigehen. Auf einmal sah er alles in einem ganz anderen Licht….

Sein Weg führte Tiran an seinem Lieblingswirtshaus vorbei und er wollte gerade wieder an daran denken, was mit dem Visum machen würde, als er um die Ecke bog und stutzte. Auf dem Platz vor der Windmühle befand sich eine Menge von mindestens 50 Personen. Es handelte sich allerdings nicht um Teilnehmer sondern um Bewohner der Stadt. Verwirrt ging er an ihnen vorbei und stieg die Treppe zur Windmühle hoch, denn vor der Tür hatte stand ein Mann, und Männer, die während eines wichtigen Ereignisses auf einer Erhöhung standen hatten für gewöhnlich Leuten wie Tiran etwas zu sagen. „ Er ist da!“, „Es ist Tiran!“ „ Tiran du schaffst es! „ Buuuh!“ Verblüfft drehte sich Tiran um. Die Menge jubelte und lachte. Tiran wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war.
Der Mann vor der Tür kam ihm entgegen. Es war der Besitzer von Tirans liebster Wirtsstube. „ Grüß dich Tiran! Wie ich sehe hast du den Anhänger, du darfst also weitermachen. Jetzt hör gut zu,, deine Aufgabe ist es einen Schlüssel zu holen. Er ist oben an der Windmühle befestigt. Du darfst die Mühle nicht betreten, um ihn zu holen, du musst von außen dort hochkommen. Viel Glück!“ Mit einem Grinsen auf dem Gesicht huschte er an Tiran vorbei und gesellte sich zu der Menge, die nun erwartungsvoll darauf wartete, dass er etwas tat. Dem Schmied schoss das Blut in den Kopf. Er hatte bei seinen Gedankengängen auf dem Todesberg einen Bereich vergessen: Mut hatte häufig auch viel mit Bloßstellung zu tun. Er schaute unsicher nach oben. Er machte beim Klettern keine besonders gute Figur…Seufzend befestigte er seinen Klingenstab an speziell dafür angebrachten Schnallen an auf der Rückseite seiner Kleidung. „ Alles was ich in Wirtshäusern will auf Kosten der Krone…“, murmelte er sich ermutigend zu und trat dann auf die rechte Seite der viereckigen Mühle. Die Menge wurde laut. Er hatte die Verfasser der Aufgaben wohl leicht unterschätzt. Der Aufstieg war am Anfang noch recht einfach, da die Windmühle von Kakariko eher grob gebaut war, doch als er über die Hälfte hinaus kam, wurde es immer schwieriger passende Ritzen und Vorsprünge zu finden. Tirans Ziel bei dem Aufstieg war der obere, hölzerne Teil der Mühle, an dem die Mühlenflügel befestigt waren, die durch ihre Bewegung das Mühlrad im Inneren antrieben. Das war das wahrscheinlichste Versteck des Schlüssels. Die Menge schrie und buhte, lachte über seine verkrampfte Haltung und seine ständigen Blicke nach unten. Doch als er sich schließlich am hölzernen Vorsprung hochzog jubelten sie und feuerte ihn an. Schnaufend setzte er sich hin und suchte die vorbeiziehenden Mühlenflügel nach dem Schlüssel ab. Leidre konnte er nicht wirklich viel erkennen, da die Sonne mittlerweile untergegangen war, also stand er auf und trat näher an den Rand. Einige Male ließ er alle vier Flügel an sich vorbeirauschen. Die Stimmung der Leute auf dem Platz schlug wieder um und sie murrten und buhten wieder. Tiran versuchte sie zu ignorieren. Er hatte den Schlüssel jetzt zwar gesehen, aber um an den Flügel zu gelangen musste er entweder springen oder über den Holzstamm gehen, der das Rad an dem die vier Flügel befestigt waren mit dem Mechanismus im Inneren verband. Das Problem dabei bestand darin, dass sich dieser Stamm drehte. An sich war die Entfernung von Tirans Position zu den Flügeln nicht wirklich groß, sie bot sich sogar für einen Sprung an. Wenn dabei nicht Lebensgefahr bestanden hätte, wäre der Schmied bereits ohne zu zögern gesprungen (naja, vielleicht mit ein wenig Zögern) doch so musste er es sich schon gut durch den Kopf gehen lassen. Wer hätte gedacht, dass er in dieser Runde tatsächlich echten Mut würde aufbringen müssen? Damit hatte er nicht gerechnet. In Gedanken lobte und verfluchte er die Begründer dieser Ausgabe gleichzeitig. War ihm das Visum wirklich sein Leben wert? Er aß gerne und viel…Er holte tief Luft, wartete den richtigen Flügel ab und sprang. Die Menge schrie begeistert auf. Diese plötzliche und dramatische Aktion kam vollkommen ohne Vorwarnung. Als sie sahen, dass der Schmied sich an dem Flügel festklammern konnte brachen sie in Beifall und Jubel aus. Sie sahen ihm zu, wie er an die Spitze des Flügels kletterte, immer weiter runterkam und dann wieder hochgetragen wurde. Tiran selbst nahm kaum etwas wahr, er war voll und ganz damit beschäftigt sein Gleichgewicht zu halten und nicht zu stürzen. Der Wind rauschte um ihn herum und die Mühlenflügel kamen ihm unnatürlich schnell vor. Stück für stück zog er sich nach oben, wenn die Flügel oben waren, und ließ sich ein Stück herunterschlittern, wenn die Flügel unten waren. Obwohl auf diese Art und Weise nicht viel zeit verging bis er an den Schlüssel kam, verging für Tiran eine halbe Ewigkeit. Er dankte den Göttinnen dafür, dass es etwas länger her war, seit er etwas gegessen hatte, denn ansonsten hätten die Zuschauer unter ihm eine unangenehme Überraschung erlebt. Als er den Schlüssel von der Schnur löste, an der er befestigt war wartete er nur noch eine einzige Umdrehung ab, und sprang dann herunter, als der Flügel seinen tiefsten Punkt erreichte. Er landete unsanft auf dem Stück Gras zwischen der Tür und der Treppe und knickte ein. Einen Moment blieb er so liegen und sprach ein stummes Gebet. Dann erhob er sich mit hochrotem Kopf und hielt den Schlüssel in die Luft, so dass die Leute ihn sehen konnten. Erneuter Jubel brandete zu ihm hoch und Tiran verbrachte eine Weile damit, sich mit Glückwünschen überhäufen zu lassen. Nach einem solchen Erlebnis tat das wirklich gut. Allerdings wartete noch eine Aufgabe auf ihn und so danke er den Leuten (er hatte selbst keine Ahnung wofür, fand aber, dass es irgendwie richtig war) und machte sich auch den Weg zum Friedhof. Auf dem Weg hielt er nach Ren Ausschau, fand ihn jedoch nicht. Er sah sich den Schlüssel, den er soeben geholt hatte an. Es war ein enttäuschend unspektakuläres Stück Metall mit Rostflecken. Und für so etwas hatte er sein Leben riskiert…in erster Linie aber natürlich für das Visum! Wenn er dieses Visum nicht bekommen würde, sondern mit diesen verdammten Gleitstiefel abgespeist werden würde, müsste er wohl jemanden töten. Es gab Gefühle, den musste man einfach freien Lauf lassen. Wobei er nicht einmal wusste was der Preis für den dritten Platz war. Wahrscheinlich irgendein anderes Kleidungsstück von Link, wahrscheinlich noch eines ohne jegliche Zauberkraft.
Als er durch das Tor zum Friedhof trat war er zunächst überrascht so wenige Teilnehmer dort zu sehen. Eine Handvoll einzelner, verloren wirkender Gestalten schlich an den Reihen aus Grabsteinen entlang, als fürchteten sie, dass jeden Augenblick ein Ungeheuer aus einem der Gräber springen würde. Da seine Meinung von den Erfindern der Aufgaben gestiegen war, sah Tiran von dieser Möglichkeit ab. Wahrscheinlich war die Mehrzahl unter der Erde und musste Aufgaben in dem bekannten Labyrinth aus Grüften und Gängen erfüllen. Tiran fragte sich, ob er auch durch eines der Gräber hinabsteigen musste, um in irgendeiner dunklen Kammer eine Truhe oder etwas in der Art zu öffnen, als sein Blick auf das Haus des Totengräbers fiel. „Das Aussehen spricht für eine Verbindung zum Schlüssel“, dachte Tiran und ging um die Hütte herum. Als er die Tür sah, konnte kein Zweifel mehr bestehen: Die Farbe des Metalls und die Rostflecken passten einfach zu gut. Er rüttelte probeweise an der Klinke, doch die Tür war verschlossen. Erleichtert, dass er so schnell zum Zielort gekommen ist steckte er den Schlüssel in das Schlüsselloch und drehte ihn um. Im gleichen Augenblick in dem sich die Tür öffnete wurde sie auch schon von innen aufgerissen und Tiran stürzte beinahe gegen einen Mann, der so unverkennbar der Totengräber war, dass man sich unbewusst unwohl fühlte. Er sah selbst fast wie eine Leiche aus, mit krankhaft blasser Haut, die sich über seine hervorstehenden Knochen zog. Um das Bild perfekt zu machen hustete er bevor er ihn anfuhr: „Komm mit!“.
Wortlos schritt Tiran hinter dem Mann her. Er hatte einen Buckel und er hieß Igor, soviel wusste er als Bewohner Kakrikos. Der Totengräber wurde von allen gemeidet, weil er die Gesellschaft der Toten, der der Lebenden vorzog. Er führte Tiran durch ein offenes Grab in die Gruft darunter und deutete auf eine Tür mit einer kleinen Luke. An einem Nagel daneben hing ein Tuch. Die Worte „Binde dir die Augen zu!“ überraschten den Schmied nicht. „ Geh dort hinein und dreh dich dann sofort um. Du musst eine Stunde lang da drin bleiben und darfst dich unter keinen Umständen umdrehen. Ich passe auf, helfe dir aber bei Gefahr nicht.“ Tiran nickte und band sich die Augen zu. Dann trat er durch die Tür und drehte sich um. Diese Aufgabe bereitete ihm eigentlich keine Probleme, denn er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass man wirklich etwas Gefährliches hinter ihm aufgestellt hatte. Zwar hörte er die ganze Zeit über ein Schaben und Knurren, hörte leises Kettenrascheln und unheimliches Geflüster, doch das prallte an dem Bild eines bestens gedeckten Tisches ab. Alles auf Kosten der Krone! Das einzige Problem bei dieser Aufgabe war, dass es unbequem und kalt in der Gruft war. Doch das war auch schon alles. Es dauerte zwar etwas bis Igor ihm die Tür öffnete und ihn herausholte doch es war nicht wirklich schlimm. Alles in allem eine eher enttäuschende letzte Aufgabe, doch nach der Sache mit der Windmühle eine willkommene ereignislose Abwechslung. Igor drückte ihm wortlos einen Zettel und eine kleine Münze in die Hand und forderte ihn mit einem drohenden Blick auf, as Grab zu verlassen. Der Blick des Totengräbers war sehr unangenehm und Tiran verließ das grab mit Freuden, jedoch nicht ohne vorher ein leises „Danke, bis bald!“ hauchte. Niemand in Kakariko wollte Igor zum Feind haben, denn nach dem Tod würde er wohl ihre einzige Gesellschaft bilden.
Nachdem er nun alle drei Aufgaben erfüllt hatte und es spät war, ging Tiran zu sich nach Hause. Im Inneren brannte noch Licht und er hörte das unverkennbare Geräusch von klimpernden Rubinen. Hier war Ren also.
Sein Schüler erwartete ihn scheinbar bereits und fragte, wie alles gelaufen sei.
„Bestens, danke. Ich habe es geschafft und bald ist das Visum mein! Dann lassen wir es uns so richtig gut gehen, was meinst du?“ „ Klingt gut“, lachte Ren. Tiran deutete auf das Geld. „ Wie ich sehe hast du meinen Rat beherzigt?“ Eine leichte Röte stieg seinem Schüler ins Gesicht.
„Komm, sag schon, wie viel hast du eingenommen und wo hast du sie alle hingeschickt?“
„ Ich habe mit deinen fünf insgesamt 25 Rubine bekommen. Die zwei von denen ich fünf bekommen habe, hatten beide dieselbe Aufgabe. Ich habe sie aus der Stadt geschickt. Und der dritte…“ Ren brach ab und machte eine Kunstpause. „Ja?“, fragte Tiran neugierig?
„Ich habe zehn Rubine bekommen und ihn zum Brunnen geschickt.“
„ Aber der ist doch zur Zeit voll Wasser, oder nicht?“, wunderte sich der Schmied.
„Ich habe ihm gesagt er müsse tauchen“. Sein Schüler hatte zumindest so viel Anstand beschämt auszusehen und as Geld wegzupacken. Tiran fing schallend an zu lachen und klopfte ihm auf die Schulter. Dann zog er den Zettel von Igor heraus und las ihn ihm Kerzenlicht. „Ich muss für die letzte Runde in die Schlossstadt. Was meinst du gehen wir noch ein letztes Mal Geld für eine Mahlzeit ausgeben, bevor ich gehen muss? Ich erzähle dir dann von den Aufgaben, dich ich zu erledigen hatte.“
Ren nickte. „ Du zahlst!“, sagte Tiran beim Rausgehen.