Tiran fand sich etwa eine halbe Stunde vor der offiziellen Eröffnung der Jagd auf der Lon-Lon-Farm ein. Er fand es wichtig ein wenig früher anwesend zu sein, warum konnte er nicht genau sagen. Ging wohl ums Prinzip. Als sich die Farm immer weiter füllte und sich Tiran seine Kontrahenten ansah, rechnete er sich ganz gute Chancen aus. Wieso? Nun, er war stark. Das konnte ihm wohl kaum zum Nachteil gereichen. Und er hatte seinen Klingestab. Man unterschätze nie die Macht einer unbekannten Waffe, zusammen mit seinem stämmigen Aussehen würde sie schon dafür sorgen, dass ihn die anderen Teilnehmer in Ruhe ließen. Obwohl sie ohnehin nicht besonders gefährlich aussahen, dachte er mit einem Blick auf einen Hylianer mittleren Alters, der neben einer komisch aussehenden Kapuzengestalt stand.
Als der König mit seiner Rede begann, machte es sich Tiran auf einer Bank bequem, holte ein Stück Brot aus seiner Tasche und fing an zu essen. Er machte sich nicht viel aus Monarchen und ihren Reden. In Anbetracht der Tatsache, dass er in einem Königreich lebte wahrscheinlich die falsche Einstellung…Vielleicht besann er sich darauf vielleicht war ihm einfach so langweilig, dass er alles mitanhören würde, jedenfalls ignorierte er die Rede nicht ganz und als der König auf die Preise zu sprechen kam, wurde auch Tirans Interesse geweckt. Schließlich war der einzige Sinn einer solchen Veranstaltung der, einen Preis zu gewinnen, Freude am Wettkampf hin oder her. Als die berühmten Gleitstiefel als zweiter Preis bekannt gegeben wurden lief ein begeistertes Raunen durch die Menge. Hier und da schnappte Tiran einige Gesprächsfetzen auf: „ Die legendären Gleitstiefel? Hast du das gehört?“ und „ Sie haben einmal dem Helden der Zeit gehört!“
Inmitten dieser plötzlichen Welle an Begeisterung und Euphorie ging die Verkündung des ersten Preises unter, doch Tiran entging nicht, was der König sagte. Auch der Schmied wurde nun von freudiger Aufregung geschüttelt. Ein königliches Visum! Zugang zu allen Örtlichkeiten Hyrules und Aufenthalt in Gaststätten auf Kosten der Krone! Die Gleitstiefel mochten vielleicht ein besonderes magisches Artefakt sein, doch Tiran dachte praktischer. Was sollte er schon mit Stiefeln, die ihn nur eine sehr kurze Zeit in der Luft halten konnten? Was erwarteten die Leute eigentlich? Dass den Schuhen noch der Geruch von Links Füßen anhaftete? Aufenthalt in allen Gaststätten auf Kosten der Krone, verdammt! Tiran würde es sich nehmen lassen dieses Visum zu gewinnen. Seine anfangs durchaus sportliche Einstellung wich dem verführerischen Bild seines lachenden und zechenden Selbst. Auf Kosten der Krone!
Als der Start mit einer Kanone verkündet wurde, strömte die Masse in Richtung Kakariko. Trotz seines glühenden Wunsches rannte Tiran nicht gleich los, so wie es einige der jüngeren Teilnehmer taten. Sollten sie doch alle vorrennen, es handelte sich schließlich nicht um ein Wettrennen, es war egal wann Tiran am Ziel auftauchte, solange er sich nicht den Rest des Tages Zeit ließ. Und wer weiß, vielleicht würden die vorderen Teilnehmer etwas Überstürztes tun, was ihm einen Vorteil verschaffen konnte…Als er schließlich durch einen nicht besonders beeindruckenden Torbogen schritt und sich der Weg vor ihm gabelte wusste Tiran, dass es nun ernst wurde. Er wählte den linken Weg. Steinmauern umgaben ihn von allen Seiten und es war erstaunlich ruhig. Nachdem er mehrmals abgebogen war und zwei Mal auf Grund einer Sackgasse Kehrt machen musste, räumte Tiran ein, dass Labyrinthe vielleicht nicht besonders originell waren, wohl aber ihren Zweck erfüllten: Er hatte sich verlaufen. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er vielleicht an einer Mauer hochklettern sollte, um den Weg auf diese Weise zurückzulegen, doch am Ende würde man diese Vorgehensweise noch als Betrug abstempeln. Es blieb ihm als nichts anderes übrig als zu Fuß zu gehen. Tiran war überrascht wie ruhig es doch war, dass ihn keine Fallen erwarteten und rechnete anschließend jeden Augenblick damit, dass sich die Wände auf ihn zuschoben oder dass der Boden auftun würde. Es hätte einfach nur zu gut gepasst. Doch es blieb auch weiterhin ruhig und Tiran fing an leicht nervös zu werden. Es musste doch Fallen geben in diesem Labyrinth, sonst es wäre die ganze Veranstaltung überaus witzlos. Als seine Füße schließlich durch den Boden brachen und er fiel, war Tiran deshalb schon beinahe erleichtert. Beinahe. Erschrocken stieß er seinen Klingenstab in die Höhe und drehte ihn. Die Tatsache, dass die Grube schmal genug war, damit sich beide Enden seiner länglichen Waffe an den entgegengesetzten Rändern festkeilen konnten war das einzige, was Tirans Ausscheidung verhinderte. So hing er an seinem Stab über der Grube und konnte sich wieder hochziehen. Nicht gerade originell, aber sehr effektiv so eine Fallgrube, dachte er als er weiterging. Stand denn die ganze Veranstaltung unter dem Vorsatz den Leuten zu zeigen, dass das Altbekannte immer noch das Beste war? Als er nur kurze Zeit später abermals um eine Ecke bog und am Ende des Ganges noch eine, diesmal bereits freigelegte, Fallgrube sah, verhärtete sich dieser Verdacht. Der Schmied nahm Anlauf und Sprang über das dunkle Loch. Im selben Moment rief plötzlich jemand laut: „ Hey, du da!“. Überrascht ging Tiran auf den Rand der Falle und schaute ihn die Düsternis unter ihm. Dort unten stand ein Mann und winkte ihm zu. Er war voller Schneematsch und wirkte recht verzweifelt. „ Hey, du da oben, kannst du mich bitte hier herausholen? Es ist verdammt kalt in diesem Loch!“ Tiran zögerte. Dieser Mann dort unten hatte den Wettbewerb bereits verloren. Er war frustriert und würde vielleicht nicht davor zurückschrecken auch Tirans Jagd nach seinem Traumpreis vorzeitig zu beenden. Hieß es nicht immer Vorsicht sei besser als Nachsicht? Solch kluge Sprichwörter waren da, um sie zu befolgen und außerdem... Aufenthalt in Gaststätten auf Kosten der Krone!
Doch bevor Tiran weiterging, kramte er kurz in seinen Taschen und warf dann ein kleines Tuch nach unten. „Du kannst es behalten!“, rief Tiran dem empörten Mann zu und hastete weiter ohne auf das Gezeter und die unangenehmen, nassen Sauggeräusche zu achten, die wohl daher stammten, dass der Mann in seinem schlammigen Loch wütend auf - und absprang.
Es folgte eine Zeit angespannter Konzentration, denn Tiran witterte hinter jeder Ecke eine weitere Fallgrube und versuchte deshalb so vorsichtig wie möglich voranzuschreiten. Schließlich hörte er die typischen Geräusche einer mittleren Menschenansammlung: Laute Gespräche, vereinzelte Rufe hektisches Fußgetrampel. Was ging denn da vor sich, dachte er verdutzt. Sollten sie sich nicht gegenseitig anschreien und bekämpfen? Tatsächlich änderte sich plötzlich der Lärm und aus der Menge wurde scheinbar eine panische Menge, den Schreien nach zu urteilen. Nun, panisch war noch immer nicht ganz das, was Tiran eigentlich erwartete, aber er ließ sich davon nicht beirren und folgte den Geräuschen bis er zweierlei sah: Zum einen eine Gruppe mehrerer Teilnehmer, die auf der Flucht vor einer Horde jener spinnenartiger Wesen war, von denen Tiran wusste, dass sie einen komplizierten Namen hatten und sich auf der Wasseroberfläche bewegen konnten. Zum anderen, und das war viel wichtiger, sah er den Ausgang. Er wartete ab bis die Monster seine Kontrahenten weggejagt hatten und schritt dann gelassen zum Ausgang. Dieser war scheinbar von einem Baum versperrt, doch hatte die Menge ihn zumindest so weit angeschoben, dass eine kleine Lücke entstanden war, durch die man sich sicherlich hindurchzwängen konnte. Als er den Ausgang erreicht hatte, hörte er ein tapsendes Geräusch rechts von ihm und drehte sich um. Eines der Wesen war scheinbar nicht schnell genug gewesen. Jetzt stand es kampfbereit vor Tiran und schien ihn herausfordernd anzustarren. Tiran warf ihm ein Stück Brot hin, hielt vorsichtshalber seine Waffe vor sich und versuchte so bedrohlich wie möglich auszusehen. Die Kreatur machte sich über das Brot her. Erleichtert drückte sich der Schmied an dem Baumstamm vorbei und ging in Richtung Kakariko. Als er das kleine Städtchen erreichte war das erste, was er sah bunte Farbe, die von Wänden, Dächern und Treppen tropfte. Wachsam machte er sich auf den Weg in Richtung Todesberg. Er hatte gedacht, dass er erst am Tor zum Gebirgspass Schwierigkeiten bekommen würden, doch dem war nicht so: Ein schlecht gezielter, faustgroßer Ledersack flog an ihm vorbei und platze auf dem Boden auf. Gelbe Farbe spritzte in alle Richtungen. Erschrocken rannte Tiran los und versuchte nach allen Seiten gleichzeitig Ausschau zu halten. Hier flog ihm noch ein Sack entgegen, dort klatschte etwas hinter ihm an die Wand. Fast wäre Tiran über einen Teilnehmer gestolpert, der mit blauer Farbe übergossen worden war und schmollend auf der Treppe saß, über die der Schmied gerade hechtete. In einiger Entfernung sah er noch einen Teilnehmer, der scheinbar auch schon ausgeschieden war, der sich aber kurzerhand auf die Seite der Bewohner Kakarikos gestellt hatte und nun ebenfalls mit Farbbomben um sich warf. Tiran bog in eine scheinbar leere Gasse ein, wo er kurz verschnaufen wollte- er würde seine Puste für den Todesberg brauchen- da sprang hinter einem Fass ein Kind hervor. Es hatte einen der unheilvollen Beutel bei sich. Sie starrten sich an und Tiran fühlte sich an die Begegnung mit dem Spinnenmonster erinnert. Nun, das Wesen vor ihm war zwar ein Kind, aber zogen nicht selbst die eigenen Mütter den Vergleich mit Monstern? Vielleicht …Tiran setzte sein strahlendstes Lächeln auf und hielt dem Jungen sein letztes Stück Brot hin. Das war scheinbar nicht das, was man dem Kind erzählt hatte. Es sollte doch rennende Leute mit seinem Beutel bewerfen. Stattdessen stand nun ein breitschultriger, bärtiger Riese vor ihm, der eine Fratze zog und ihm etwas zu essen hinhielt. Der Junge tat das einzige, was seiner Erfahrung nach in solchen Situationen immer half: Er fing an zu weinen.
Damit hatte Tiran nicht gerechnet und er wiederum tat das, was jeder erwachsene Mann, der nicht der Vater war, ebenfalls getan hätte: Er machte sich davon. Nur noch ein kurzer Laufweg trennte ihn von der Pforte zum Bergpass. Er lief, er würde es schaffen, gleich war er da… Da war sein Haus, es war voller Farbe. Das bedeutete viel Putzarbeit…Jetzt waren es nur noch ein ganz kleines Stück! Da war Ren, sein Lehrling, er spannte eine Schleuder und zielte…“ Ren!“, brüllte Tiran los. „ Ich bin es! Dein Meister, Tiran!“ Unsicher senkte Ren seine Schleuder und Tiran kam neben ihm zum Stehen. Er funkelte ihn wild an. „ Du wolltest mich tatsächlich abschießen. Du kleiner Verräter…“ „ Ja, aber wir werden doch dafür bezahlt“, versuchte sich Ren zu rechtfertigen. „ Dann schieß gefälligst andere Leute ab und nicht den Mann, bei dem du arbeitest! Siehst du den Typen da hinter mir?“ Tiran deutete auf einen jungen Mann, der auf sie zurannte. „ …Tiran, er lacht, er freut sich so sehr, dass er es fast geschafft hat….soll ich wirklich…ich meine..“ „ Ziel ins Gesicht, dann musst du seinen Gesichtsausdruck später nicht sehen!“, raunte Tiran und lief durch das Tor. Nach einiger Zeit bemerkte er eine Gruppe von Goronen, die den Berg bestieg. Der Schnee der auf dem Hang lag, der nach oben führte, war fast vollkommen durchfurcht und niedergetrampelt. Als er die Goronen einholte machten begrüßten sie ihn freundlich, was Tiran mit freudiger Überraschung registrierte. Auf die Goronen war Verlass, wen sie kannten und mochten, ließen sie in Ruhe! Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her und kamen dann um eine Kehre, da wagte es Tiran zu fragen: „ Solltet ihr mich nicht am Aufstieg hindern?“ Wortlos deutete eine der massigen Gestalten nach vorne und als Tiran dorthin blickte, bedankte er sich und lief los. Steine rollten ihm entgegen. Offenbar bestand die Aufgabe jener Goronen einfach darin den ersten Hang hinunterzurollen, ihn wieder zu erklimmen und abermals zu runterzurollen. Eine andere Gruppe des Bergvolkes stand oberhalb des zweiten Hanges und warf recht große Steine hinunter. Tiran hielt sich möglichst weit links an der Wand und entging dadurch den meisten der Geschosse, doch musste er gegen Ende mehrmals ausweichen und spürte dabei den scharfen Luftzug, den die Steine hinter sich herzogen und die von schrecklichen Schmerzen kündeten, sollte man von einem der schweren Geschosse getroffen werden. Als Link an der Erhebung vorbeikam, von wo aus die Goronen ihre Steine hinunterwarfen winkte er ihnen freundlich zu und sie winkten gemäß ihrer freundlichen Art unbekümmert zurück. Goronen waren einfach ein einmaliges Volk, man musste sie gerne haben, auch wenn sie gerade ziemlich schwere Felsbrocken nach einem geworfen hatten.
Die letzten Meter konnte Tiran letzten Ende, man glaube es oder nicht, tatsächlich unbekümmert gehen. Er hatte die erste Runde überstanden. Er war seinem Ziel, das Visum zu gewinnen, einen Schritt näher gekommen. Lächelnd setzte er sich zu den anderen Teilnehmern, die es bereits geschafft hatten. Dabei hatte jede Menge Essen und Trinken vor Augen. Auf Kosten der Krone!