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Drachentöter
Blastaar war ungefähr eine Stunde vor dem offiziellen Start der Schnitzeljagd an der Lon-Lon-Farm eingetroffen. Nicht etwa, weil er einen geschickten Plan verfolgte, sondern ganz einfach, weil er nicht wusste, was er sonst noch machen sollte. Gegen ungefähr zwölf Uhr mittags füllte sich die Lon-Lon-Farm mit den unterschiedlichsten Leuten, die augenscheinlich allesamt an der großen Schnitzeljagd teilnehmen wollten.
Blastaar erkannte neben einigen Hyrulianern, die bis an die Zähne mit überflüssig aussehender Abenteurerausrüstung ausgestattet waren, auch eine Menge anderes Volk: Zwei Moblins, die offenbar auch an der Schnitzeljagd teilnehmen wollten, diskutierten heftig mit einem Juroren und versuchten ihn davon zu überzeugen, dass sie keine Hintergedanken bei der Teilnahme an dem Wettbewerb hegten. Ein hünenhafter Gorone, der selbst die größten Männer unter den Teilnehmern um einen ganzen Kopf überragte, hockte auf einem Steindreirad, das zu klein für seinen Körper war, und kaute ungeduldig auf einem Stein.
Nachdem er sich sicher war, dass er korrekt auf der Teilnehmerliste stand, reihte Blastaar sich zwischen einem riesigen, blonden Krieger mit einer übergroßen Axt auf dem Rücken und einem Keaton mit Sicherheitshelm mit integrierter Öllampe an der Front ein. Der Pyromagus überprüfte seinen Regenschirm, schob sich seinen Hut zurecht und ging in Position – etwas zu früh, wie sich herausstellen sollte.
König Dardanos Gustavson hielt eine lange und ermüdende Rede, die einige Leute scheinbar so brennend interessierte, dass sie auf dem Absatz kehrt machten und einfach nach hause liefen, und Blastaar fragte sich langsam ernsthaft, ob das nicht vielleicht schon die erste Prüfung war – dieses hundslangweilige Geplapper zu überstehen, ohne von einer Klippe springen zu wollen.
Als der König endlich den Startschuss machte – er schoss mit einer antik aussehenden Kanone in den Himmel, und Blastaar wollte gar nicht wissen, wo die Kugel landete –, liefen alle Teilnehmer ohne Umschweife los in Richtung Todesberg. Blastaar selbst wartete noch einen Moment, dann huschte auch er los und schlängelte sich zwischen seinen Konkurrenten hindurch in Richtung der ersten Hürde, die sich als steinernes Labyrinth entpuppte, das man offenbar aus dem Nichts hier hingebaut hatte, jedenfalls war sich der Pyromagus sicher, dass es gestern noch nicht hier stand.
Pfeilschnell schoss Blastaar durch den steinernen Rundbogen, der den Eingang des Irrgartens bildete und flitzte vollkommen ohne nachzudenken nach links und ein ganzes Stück geradeaus. Dann bremste er ab und sah sich um. Keiner mehr zu sehen, obwohl diese große Menge an Leuten ja wohl irgendwie abgeblieben sein musste. Mit Sicherheit war das Labyrinth in irgendeiner Weise magisch und in Wahrheit von innen größer, als es von außen erschien. Oder lag das daran, dass es von außen kleiner aussah?
Darüber konnte Blastaar sich jetzt keine Gedanken machen, er musste durch diesen verdammten Kaninchenstall zum Ausgang. In einem Buch hatte der Pyromagus mal gelesen, dass man immer zum Ausgang eines Labyrinths kommt, wenn man sich an einer Wand entlang tastet. Das war zeitaufwendig, verhinderte aber wenigstens, dass er sich verlief.
Blastaar schwebte weiter geradeaus und schabte dabei mit der Spitze seines Regenschirms über die steinerne Wand zu seiner Linken. Als er um die erste Ecke bog, stieß er beinahe mit dem blonden Axtkrieger von eben zusammen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er sich scheinbar schon hoffnungslos verlaufen.
„Warte, warte!“ rief er, als Blastaar seinen Regenschirm hob und einen Angriffszauber sprechen wollte. „Wir kommen nur weiter, wenn wir zusammenhalten. Siehst du die Grube hier hinter mir? Mit Teamarbeit könnten wir da problemlos drüber kommen.“
Der Pyromagus begutachtete das Loch im Weg vor ihm. Es war knapp vierzehn Meter lang, und am Boden brodelte eine übel riechende Pampe. „Was ist das?“ fragte Blastaar und wich ein paar Schritte zurück.
„Ich weiß nicht“, entgegnete der Krieger, ging in die Hocke und beugte sich über die Grube. „Aber was immer es ist, es stinkt erbärmlich. Und wenn wir reinfallen, sind wir ohne Umschweife ausgeschieden.“
Das reichte Blastaar. Er huschte ein Stück an den Krieger heran, dann stupste er ihn mit seinem Regenschirm kopfüber in die Grube, in der er sofort bis zu den Schultern versank. Dann schwebte er über die Grube und fuhr mit seiner Wandtast-Methode fort, die fluchenden Rufe seines Kontrahenten hinter ihm ignorierend.
Nachdem er glaubte, eine gute Viertelstunde durchs Labyrinth gehuscht zu sein, war Blastaar sich sehr sicher, dass auch er sich jetzt verlaufen hatte. Sollte er jemals den Typen in die Finger bekommen, der diese hirnrissige Theorie aufgestellt hatte, würde er ihn auf links ziehen, das schwor er bei seiner Blume im Hut. Er war so wütend, dass er ein gutes Dutzend Oktoroks, die ihn angriffen, einfach umflog und um ein paar Ecken in Sicherheit huschte. Der Keaton hingegen, den Blastaar an der Startlinie gesehen hatte, wurde von ihnen zu Boden gerissen und war damit auch aus dem Rennen.
In seinem Gefühlsgewirr aus Wut und Stress beachtete der Pyromagus gar nicht mehr seine Umgebung, er huschte an Wänden vorbei, an Statuen, Fallen in den Wänden, dem Ausgang, weiteren Statuen, Wänden – Moment! Blastaar schwebte ein paar Meter zurück und erkannte tatsächlich den Ausgang zu seiner Linken.
Er sah sich um. Nichts zu sehen von den anderen Teilnehmern, und wenn sich der Pyromagus jetzt so die Gegend beschaute, war er sich gar nicht so sicher, ob er nicht schon dreimal an dieser Stelle vorbeigekommen war. Er verließ das Labyrinth und erkannte vor sich nach einer kleineren Grasebene, und unmittelbar danach anhand seiner charakteristischen Windmühle das Dörfchen Kakariko, aus dem beängstigend viel Schlachtgeschrei drang.
Blastaar wollte schon loslaufen, aber dann fiel ihm etwas ein: Zwar waren vor ihm schon einige Leute, das ließ sich nicht verleugnen, aber es mussten mindestens noch doppelt so viel hinter ihm sein. Der Pyromagus sah sich um und entdeckte rechts neben dem Ausgang des Irrgartens eine übergroße Trauerweide mit einem so dicken Stamm, dass Blastaar ihn kaum umgreifen konnte. Er schwebte zum Baum, murmelte ein paar Knackgeräusche in einer toten Sprache und aus seinem Regenschirm schoss einem Flammenschwall, der die Wurzeln des Baums einhüllte und ihn schließlich zu Fall brachte – genau vor den Ausgang des Labyrinths.
„Manchmal erschrecke ich selbst vor meiner eigenen Genialität“, sagte er und konnte sich ein finsteres Lachen nicht verkneifen. Böse sein, war einfach zu herrlich, wirklich. Der Eingang war zwar nicht vollkommen versperrt, aber immerhin würde das die Teilnehmer nach ihm eine Weile lang aufhalten.
Jetzt konnte Blastaar sich der zweiten Hürde widmen. Zwar wusste er, dass er mit irgendwas beschossen werden sollte, aber irgendwie wusste er nicht mehr, womit. Die Antwort sollte er sofort erhalten: Plötzlich sprangen aus allen Ecken und Winkeln die Einwohner der Stadt, bewaffnet mit Bomben, die sie ohne zu Zögern nach dem Pyromagus schleuderten.
„Ja, seid ihr denn alle verrückt geworden?“ fauchte Blastaar ihnen zu, als er den Bomben auswich.
Die Bomben platzten einige Meter neben ihm – aber sie explodierten nicht, vielmehr spritzten Farbflecken in alle Richtungen. Schnell versuchte Blastaar, ihnen auszuweichen, um nicht disqualifiziert zu werden. Als er sich in Sicherheit wähnte, zückte er seinen Regenschirm und richtete die Spitze auf einen Balkon, von dem aus mehrere Einwohner die Farbbomben warfen.
„Da! Nehmt das, ihr blöden Irren!“ Blastaar fauchte einen Zauberspruch, und ein Feuerball raste auf den Balkon zu, der oberhalb des Türsturzes einschlug. Instinktiv warfen sich die Leute auf den Boden und rissen die Hände über den Kopf, obwohl Blastaar extra daneben gezielt hatte.
Nachdem hinter ihm plötzlich fünf Akrobanditen aus dem Boden brachen – offenbar waren auch sie Teilnehmer und hatten eine Möglichkeit gefunden, sein Baumhindernis zu umgehen – und den Zorn der Einwohner Kakarikos auf sich richteten, konnte Blastaar gefahrlos zum anderen Ende der Stadt huschen. Nachdem er einen kleinen Wald durchquert und einen hyrulianischen Gegenspieler getroffen hatte, der voller Farben heulend an einen Baum lehnte, kam er an den Fuß des Todesbergs.
Hatte er ihn erklimmt, war die erste Prüfung, die Prüfung der Kraft, beendet!
Ohne zu bremsen schoss der Pyromagus den Berg hoch – wirbelte herum und flitzte wieder nach unten, denn ihm kam ein Felsbrocken entgegen, der ihn überrollt hätte, wäre er nicht in einer Höhle am Bergfuß in Sicherheit gegangen. Wollten diese verdammten Goronen etwa seinen Tod?
Blastaar verließ die Höhle, legte den Kopf in den Nacken und starrte auf den Gipfel des Berges. Sicher, er hätte sich teleportieren können, aber das würde bestimmt als Abkürzung gewertet werden und wäre bei diesen Bastarden von Juroren bestimmt ein Regelverstoß.
„Blöder König Gustavson“, murmelte Blastaar beleidigt vor sich hin und schwebte vorsichtig den Berg hoch.
Plötzlich und ohne Vorwarnung kam ihm abermals ein Felsen entgegen, wieder aus derselben Richtung. Aber der Stein kam zu genau, als dass er nicht von Hand gezielt worden war. War das die Art der Goronen, die Teilnehmer am Aufstieg zu hindern, wie der König es am Start gesagt hatte?
Blastaar lugte hinter dem Brocken, hinter dem er in Deckung gegangen war, hervor. Auf einer Klippe saß ein jugendlicher Gorone mit Hornbrille und Gläsern so dick wie Flaschenböden, der in die Gegend spähte und versuchte, sein Ziel wieder auszumachen. Der Pyromagus überlegte kurz, dann verwarf er seinen Plan, den Goronen zu bestechen – dazu war er ganz bestimmt zu dumm.
Stattdessen sprang der Pyromagus hinter dem Felsen hervor und schoss einen Feuerball vor die Füße des Goronen. Der zuckte zwar zusammen, ließ sich aber ansonsten nicht sonderlich von dem Angriff stören. Vielmehr packte er einen weiteren Felsen und machte Anstalten, diesen ebenfalls zu schleudern – als plötzlich die Klippe unter ihm Risse bildete und unter seinen Füßen zusammenbrach.
Wie die Steine, die er zuvor geworfen hatte, rollte der Gorone den Hang hinunter in Richtung Tal, wo er einen anderen Teilnehmer erwischte. Blastaar jedoch hatte nun freie Bahn und schwebte den Berg hinauf.
Je höher er kam, desto weniger schienen sich die Goronen Mühe zu geben, ihn aufzuhalten, auf welche Art auch immer. Irgendwann – nach einer Zeit, die ihm fast wie eine Ewigkeit vorkam – hatte der Pyromagus endlich, endlich die Spitze des Todesbergs erreicht.
Viele Leute waren noch nicht hier, und die wenigen, die da waren, wirkten zu Tode erschöpft. Blastaar gab sich größte Mühe, möglichst gelassen auszusehen, als er zur Fahne mit dem königlichen Siegel schwebte, den Mast berührte, und es damit offiziell machte: Er hatte die erste Prüfung der Großen Schnitzeljagd bestanden.
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